21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.10.2009

BVerfG: Regelungen zum Nacht­flug­verkehr in Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss für Flughafen Leipzig/Halle verstößt nicht gegen GrundgesetzRecht auf körperliche Unversehrtheit wird nicht verletzt

Die im Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss vom 27. Juni 2007 festgelegten Regelungen zum Nacht­flug­verkehr des Flughafens Leipzig/Halle verstoßen nicht gegen das Grundgesetz. Eine Verfas­sungs­be­schwerde gegen die erfolglose Klage hinsichtlich der während der Nachtzeit zugelassen Flüge auf militärische Anforderung wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 GG) werde durch den Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss nicht verletzt, so das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Mit Planfeststellungsbeschluss vom 4. November 2004 wurde der Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle zu einem Drehkreuz für den Luftfracht­verkehr genehmigt. Der Planfest­stel­lungs­be­schluss beinhaltete nur geringfügige Einschränkungen für den Nacht­flug­verkehr, der bereits aufgrund der Betrie­bs­ge­neh­migung vom 20. September 1990 in der Gestalt der Genehmigung vom 14. März 2000 (Betrie­bs­ge­neh­migung 1990/2000) zulässig war. Auf Klagen lärmbetroffener Anwohner - darunter auch die Beschwer­de­führer - verpflichtete das Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit Urteil vom 9. November 2006 den Freistaat Sachsen, unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts erneut darüber zu entscheiden, ob der Nacht­flug­betrieb weiter beschränkt wird, soweit es nicht um Frachtflüge zum Transport von Expressgut geht (vgl. Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 09.11.2006 - 4 A 2001.06 -). Mit dem vorliegend angegriffenen Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss vom 27. Juni 2007 schränkte der Freistaat Sachsen den Nacht­flug­verkehr weiter als bisher ein. Zugelassen blieben jedoch unter anderem auch nicht eilbedürftige Frachtflüge, soweit die Luftfracht­un­ter­nehmen logistisch in das Luftfracht­zentrum Leipzig/Halle eingebunden sind. In der Nachtzeit zugelassen blieben ferner Flüge auf militärische Anforderung, wie zum Beispiel militärischer Sonder­fracht­verkehr für die NATO und die EU im Rahmen des SALIS-Projekts sowie Militär­trup­pen­transporte der USA durch private Flugge­sell­schaften. Die hiergegen gerichteten Klagen der Beschwer­de­führer blieben vor dem Bundes­ver­wal­tungs­gericht erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwer­de­führer insbesondere die Verletzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), das sie durch den Fluglärm und die Gefahr terroristischer Anschläge beeinträchtigt sehen.

Verfas­sungs­be­schwerde mangels Erfolgs­aus­sichten nicht zur Entscheidung angenommen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Annahme des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, die Flüge auf militärische Anforderung seien von der Betrie­bs­ge­neh­migung 1990/2000 gedeckt, verletzt insbesondere nicht die verfah­rens­rechtliche Dimension des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass dadurch der Rechtsschutz der Beschwer­de­führer verkürzt worden ist. Nachdem über die Notwendigkeit einer fortbestehenden Nacht­flug­mög­lichkeit für Flüge auf militärische Anforderung im Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss entschieden wurde, war es verfas­sungs­rechtlich nicht geboten, die grundsätzliche Zulässigkeit der genannten Flüge einer erneuten Abwägung und Entscheidung zu unterwerfen. Denn für sie gelten die für den Verkehrs­flughafen Leipzig/Halle allgemein geltenden Regeln. Sofern bestimmte Trans­port­flug­zeugtypen genutzt werden, ist nicht nachvollziehbar, wieso dies auf der Grundlage der Betrie­bs­ge­neh­migung 1990/2000 unvorhersehbar und damit ohne Rechts­schutz­mög­lichkeit war. Denn eine luftrechtliche Genehmigung muss die Arten der Luftfahrzeuge enthalten, die den Flughafen nutzen dürfen. Soweit sich die Beschwer­de­führer gegen die Nutzung des Flughafens durch zivile US-amerikanische Flugge­sell­schaften wenden, die US-Militärpersonal zwischen verschiedenen zivilen und militärischen Flughäfen der USA und dem Nahen und Mittleren Osten befördern, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht festgestellt, dass die Erteilung der hierfür erforderlichen Einflu­ger­laubnisse zu versagen sei, wenn durch die Benutzung des deutschen Luftraums die öffentliche Sicherheit gefährdet würde. Zugleich hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden, dass die Bewohner des Bundesgebietes gegen die Erteilung dieser Einflu­ger­laubnisse die Verletzung subjektiver Rechte geltend machen können und ihnen daher eine Rechts­schutz­mög­lichkeit zur Verfügung steht.

Bedenken hinsichtlich Gefahr kriegerischer Angriffe aufgrund militärischer Nutzung des Flughafens aus der Luft gegriffen

Eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit kann auch durch die Abwägungs­ent­scheidung des Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schlusses im Hinblick auf die Flüge auf militärische Anforderung nicht festgestellt werden. Die Beurteilung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts, die Gefahr von Terror­an­schlägen wegen der Flüge auf militärische Anforderung sei nur geringfügig und daher nicht abwägungs­er­heblich, ist vertretbar. Die Beschwer­de­führer haben lediglich pauschal bestritten, dass geeignete und ausreichende Sicher­heits­vor­keh­rungen vorhanden und von deutschen Behörden überprüft worden seien. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass sie ihren Zweifeln an den Sicher­heits­maß­nahmen durch einen Beweisantrag Nachdruck verliehen hätten. Darüber hinaus haben die Beschwer­de­führer auch kein konkret sie betreffendes Bedro­hungs­szenario dargetan. Völlig aus der Luft gegriffen erscheint ihre Behauptung, aufgrund der militärischen Nutzung bestehe die Gefahr, dass der Flughafen Leipzig/Halle Gegenstand eines regulären kriegerischen Angriffs werden könne, woraus sich die Gefahr ziviler "Kolla­te­ral­schäden" ergebe.

Fehlende Beschränkung auf Express­frachtflüge während Nacht­flug­betrieb verstößt nicht gegen Grundgesetz

Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ist ebenfalls nicht dadurch verletzt, dass im Ergän­zungs­plan­fest­stel­lungs­be­schluss darauf verzichtet wurde, die Zulässigkeit des Nacht­flug­be­triebs auf Flüge zur Beförderung von Expressfracht zu beschränken. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht ist zu dem vertretbaren Ergebnis gelangt, dass der bereits im Urteil vom 9. November 2006 anerkannte stand­orts­pe­zi­fische Bedarf für den Umschlag von Express­fracht­verkehr an einem Frachtdrehkreuz auch in der Nachtkernzeit Flüge zur Beförderung konventioneller Fracht "mitziehen" könne, wenn beide Arten von Fracht aus vernünftigen Gründen gemeinsam transportiert würden und die Beschränkung der Nacht­flu­g­er­laubnis auf Verkehre zum Transport von Expressfracht die Funkti­o­ns­fä­higkeit des Fracht­dreh­kreuzes gefährden würde. Dieser in den Abwägungs­vorgang eingeflossene Belang kann nicht als ungeeignet angesehen werden, eine Beschränkung der von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Lärmschut­z­in­teressen der Beschwer­de­führer zu rechtfertigen. Angesichts der vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht genannten Voraussetzungen für ein "Mitziehen" des allgemeinen Frachtverkehrs durch den Express­fracht­verkehr kann auch kein Missverhältnis zwischen den gegeneinander abzuwägenden Lärmschut­z­in­teressen der Beschwer­de­führer und den grundrechtlich geschützten Interessen der Flugha­fen­be­treiberin und der Flugunternehmen festgestellt werden.

Quelle: ra-online, BVerfG

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