23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil09.11.2006

Flughafen Leipzig/Halle kann ausgebaut werdenKlagen von Anwohnern größtenteils abgewiesen

Der Flughafen Leipzig/Halle kann zu einem internationalen Drehkreuz für den Fracht­ex­press­verkehr ausgebaut werden. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht in Leipzig hat in einem Musterverfahren die Klagen von fünf Anwohnern gegen den Planfest­stel­lungs­be­schluss des Regie­rungs­prä­sidiums Leipzig vom 4. November 2004 im Wesentlichen abgewiesen und damit im Ergebnis seinen Eilbeschluss vom 19. Mai 2005 bestätigt. Allerdings hat das Gericht den Planfest­stel­lungs­be­schluss aufgehoben, soweit darin in der Nachtzeit (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) auch solche Flüge unbeschränkt zugelassen wurden, die nicht dem Fracht­ex­press­verkehr, sondern z. B. dem Passa­gier­verkehr dienen. Hierüber muss das Regie­rungs­prä­sidium eine erneute Entscheidung unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Gerichts treffen.

Der Planfeststellungsbeschluss gibt der Trägerin des Vorhabens, der Flughafen Leipzig/ Halle GmbH, Baurecht für die Verlängerung der im Jahr 1959 angelegten Startund Landebahn Süd und deren Drehung um 20 Grad, damit die Bahn parallel zu der in den neunziger Jahren errichteten Start- und Landebahn Nord verläuft. Dadurch wird ein gleichzeitiger Flugbetrieb auf beiden Bahnen möglich. Ein solches Paral­lel­bahn­system und das Recht auf einen unein­ge­schränkten Nacht­flug­betrieb werden als notwendig angesehen, um das mit der Planung angestrebte Ziel, ein internationales Drehkreuz für den Fracht­ex­press­verkehr einzurichten, erreichen zu können. Mit diesen beiden Voraussetzungen soll gewährleistet werden, dass eiliges Frachtgut am Tag nach der Einlieferung an seinem Bestimmungsort in Deutschland oder im europäischen Ausland ausgeliefert werden kann ("Nachtsprung"). Die hierfür erforderlichen Anflüge finden vorwiegend zwischen 00.00 Uhr und 01.30 Uhr, die Abflüge zwischen 04.00 Uhr und 05.30 Uhr statt; in den Spitzenstunden werden bis zu 50 Frachtmaschinen landen oder wieder starten. Um die Anwohner des Flughafens vor dem zu erwartenden intensiven nächtlichen Fluglärm zu schützen und ihnen die Nachtruhe zu erhalten, hat die Planfest­stel­lungs­behörde den Betreiber des Flughafens verpflichtet, für Schall­schutz­vor­rich­tungen mit Belüf­tungs­ein­rich­tungen Sorge zu tragen (sog. passiver Lärmschutz).

Nachdem es das Bundes­ver­wal­tungs­gericht durch Beschluss vom 19. Mai 2005 (Kein vorläufiger Baustopp für den Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle) abgelehnt hatte, im Wege einstweiligen Rechtsschutzes den Beginn der Bauarbeiten vorläufig zu untersagen, hat die DHL, einer der großen weltweit operierenden Fracht­dienst­leister, entsprechend ihrer vorherigen Ankündigung damit begonnen, ihr bisher in Brüssel gelegenes europäisches Zentrum auf dem Flughafen Leipzig/Halle zu errichten.

Den Hauptantrag der Kläger, den Planfest­stel­lungs­be­schluss vom 4. November 2004 insgesamt aufzuheben, hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit der Begründung abgewiesen, dass sowohl das Planungsziel, ein internationales Drehkreuz für den Fracht­ex­press­dienst zu schaffen, als auch der beabsichtigte Ausbau zu einem Paral­lel­bahn­system rechtlich nicht zu beanstanden seien. Mit dem Vorhaben würden öffentliche Interessen verfolgt, die es rechtfertigten, den Anwohnern des Flughafens die mit einem nächtlichen Fracht­flug­verkehr verbundenen erheblichen Lärmbelastungen grundsätzlich zuzumuten. Für das Frachtdrehkreuz bestehe ein luftrechtliches Verkehrs­be­dürfnis; außerdem lägen auch die zu erwartenden Sekundäreffekte wie die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Verbesserung der regionalen Wirtschaftss­truktur im öffentlichen Interesse.

Die von den Klägern hilfsweise gestellten Anträge auf verbesserten Lärmschutz hatten hingegen teilweise Erfolg. Zwar hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht die angeordneten Maßnahmen des passiven Lärmschutzes unbeanstandet gelassen. Das auf Forschungen des Instituts für Luft- und Raumfahrt­medizin am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beruhende Schutzkonzept des Planfest­stel­lungs­be­schlusses gewähre sogar mehr Schutz als bislang übliche Konzepte. Die Planfest­stel­lungs­behörde sei aber fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Anordnung passiven Schallschutzes ausreiche, um den vom Luftver­kehrs­gesetz vorge­schriebenen besonderen Schutz der Bevölkerung vor unzumutbarem nächtlichem Fluglärm Rechnung zu tragen. Gerade weil den Anwohnern des Flughafens durch die nächtlichen Frachtflüge im öffentlichen Interesse eine erhebliche Lärmbelästigung zugemutet werde, habe Anlass bestanden zu prüfen, ob wenigstens der sonstige, nicht zwingend auf die Nachtstunden angewiesene Flugbetrieb (Passa­gier­verkehr und nicht eilige Frachtflüge) unterbleiben müsse. Insbesondere in der sog. Kernzeit der Nacht (00.00 Uhr bis 05.00 Uhr) seien derartige Flüge nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig. Das Regie­rungs­prä­sidium wird nunmehr die unterbliebene Prüfung anstellen und dabei die vom Gericht vorgegebenen Maßstäbe beachten müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 61/06 des BVerwG vom 09.11.2006

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