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Bundesverwaltungsgericht Urteil11.04.2019
Erstmaliger Verstoß eines gelegentlichen Cannabiskonsumenten gegen Gebot des Trennens von Konsum und Fahren führt nicht unmittelbar zu FahrerlaubnisentziehungFahrerlaubnisbehörden sind aber zur Klärung der Fahreignung zur Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens berechtigt
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals unter der Wirkung von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung ausgehen und ihm unmittelbar die Fahrerlaubnis entziehen darf. In solchen Fällen haben die Fahrerlaubnisbehörden gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der durch diese Fahrt begründeten Zweifel an der Fahreignung zu entscheiden.
In den beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren war bei Verkehrskontrollen jeweils festgestellt worden, dass die Kläger, die gelegentliche Cannabiskonsumenten waren, trotz vorangegangenen Konsums ein Kraftfahrzeug geführt hatten. Aufgrund der ermittelten Konzentration von Tetrahydrocannabinol (THC), dem psychoaktiven Cannabiswirkstoff, im Blutserum von 1 ng/ml oder mehr gingen die Fahrerlaubnisbehörden davon aus, dass die Fahrsicherheit der Kläger beeinträchtigt sein konnte. Daher fehle ihnen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung wegen fehlender Trennung zwischen dem Cannabiskonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeuges die Fahreignung. Die Fahrerlaubnisbehörden entzogen den Betroffenen deshalb gestützt auf § 11 Abs. 7 FeV ohne die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Fahrerlaubnis.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Die hiergegen erhobenen Klagen waren erfolgreich, soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Berufung entschieden hat. Er war der Auffassung, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis nicht unmittelbar von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen dürfe, sondern zur Klärung der damit begründeten Zweifel an der Fahreignung im Ermessenswege über die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden habe. Dagegen erachtete das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht in dem bei ihm anhängigen Berufungsverfahren die unmittelbare Entziehung der Fahrerlaubnis für zulässig.
Erstmaliger Verstoß gegen gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt nicht Annahme des Ungeeignetseins zum Führen von Fahrzeugen
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 23.10.2014 - BVerwG 3 C 3.13 -), dass ein gelegentlicher Konsument von Cannabis den Konsum und das Führen eines Kraftfahrzeugs nicht trennt (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung), wenn bei der Fahrt die Möglichkeit einer cannabisbedingten Beeinträchtigung seiner Fahrsicherheit besteht. Von einer solchen Möglichkeit kann nach wie vor ausgegangen werden, wenn beim Betroffenen im Anschluss an die Fahrt eine THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr festgestellt wird. Allein dieser erstmalige Verstoß gegen die gebotene Trennung von Konsum und Fahren rechtfertigt indes in der Regel nicht die Annahme, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat. An seiner gegenteiligen Annahme im Urteil vom 23. Oktober 2014 hält das Bundesverwaltungsgericht nicht fest. Auch ein einmaliger Verstoß begründet aber Bedenken gegen die Fahreignung, denen die Fahrerlaubnisbehörde nachgehen muss. Erforderlich ist eine Prognose, ob der Betroffene auch künftig nicht zwischen einem möglicherweise die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Cannabiskonsum und dem Fahren trennen wird. Um hierfür eine ausreichend abgesicherte Beurteilungsgrundlage zu haben, bedarf es in der Regel der Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die Fahrerlaubnisbehörde hat gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anordnung der Beibringung eines solchen Gutachtens und die hierbei einzuhaltende Frist zu entscheiden.
§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG (Entziehung der Fahrerlaubnis)
Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen.
§ 46 FeV (Entziehung, Beschränkung, Auflagen)
Abs. 1: Erweist sich der Inhaber einer Fahrerlaubnis als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Das gilt insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Abs. 3: Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 entsprechende Anwendung.
§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV (Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel)
Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
§ 11 Abs. 7 FeV (Eignung)
Steht die Nichteignung des Betroffenen zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde fest, unterbleibt die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens.
Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung
Mangel: Gelegentliche Einnahme von Cannabis.
Eignung oder bedingte Eignung: Ja, wenn Trennung von Konsum und Fahren und kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, keine Störung der Persönlichkeit, kein Kontrollverlust.
Vorinstanzen
Vorinstanzen zu BVerwG 3 C 13.17
Verwaltungsgericht München, Urteil v. 20. November 2016 - M 26 K 15.1494 -
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 25.04.2017 - 11 BV 17.33 -
Vorinstanzen zu BVerwG 3 C 14.17
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil v. 20.01.2016 - 9 K 1253/15 u. a. -
Vorinstanzen zu BVerwG 3 C 7.18
Verwaltungsgericht München, Urteil v. 05. April 2017 - M 6 K 17.762 - Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 28. Februar 2018 - 11 BV 17.1036 -
Vorinstanzen zu BVerwG 3 C 2.18
Verwaltungsgericht München, Urteil v. 07. August 2017 - M 26 K 16.5301 -
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 13. Dezember 2017 - 11 BV 17.1879 -
Vorinstanz zu BVerwG 3 C 8.18
Verwaltungsgericht München, Urteil v. 11. April 2018 - M 6 K 17.1389 -
Vorinstanzen zu BVerwG 3 C 9.18
Verwaltungsgericht München, Urteil v. 09. Januar 2018 - M 26 K 16.4642 -
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil v. 10. April 2018 - 11 BV 18.259 -
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 11.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online (pm)
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