21.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 11925

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Urteil07.07.2011BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 26.10 und BVerwG 27.10
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 26.10:
  • Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil29.11.2005, 14a K 2880/04.A
  • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil27.03.2007, 8 A 5118/05.A
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 27.10:
  • Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil13.06.2006, 14a K 5395/04.A
  • Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil07.07.2011, 8 A 2632/06.A
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil07.07.2011

BVerwG: Widerruf der Asyl- und Flücht­lings­a­n­er­kennung eines ehemaligen hohen PKK-FunktionärsZugehörigkeit zu terroristischer Organisation rechtfertigen nicht automatisch Widerruf der Anerkennung

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat - nach Einholung einer Vorab­ent­scheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) - erneut über den Widerruf der Asyl- und Flücht­lings­a­n­er­kennung eines ehemaligen Kämpfers und Funktionärs der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) verhandelt und das Verfahren zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls, ein türkischer Staats­an­ge­höriger kurdischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit, war 2001 vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - wegen seiner Aktivitäten für die PKK in der Türkei als Asylbe­rech­tigter und Flüchtling anerkannt worden. Im Mai 2004 widerrief das Bundesamt die Anerkennungen, weil sich die Rechtslage durch Einführung von Ausschluss­gründen im Jahre 2002 (nunmehr: § 3 Abs. 2 AsylVfG sowie die gleichlautende Ausschluss­re­gelung in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG - so genannte Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie) geändert habe. Die frühere PKK-Tätigkeit des Klägers in herausgehobener Stellung (Kämpfer und zeitweises Mitglied des Zentralkomitees) sei eine schwere nichtpolitische Straftat, die den Anspruch auf Asyl und Flücht­lings­schutz ausschließe (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AsylVfG). Außerdem sei davon auszugehen, dass der Kläger sich auch Handlungen habe zuschulden kommen lassen, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderliefen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG). Das Verwal­tungs­gericht und das Oberver­wal­tungs­gericht gaben der Klage statt, weil der Kläger sich schon vor seiner Ausreise von der PKK gelöst habe und deshalb keine Gefahr mehr von ihm ausgehe.

Tatsächliche Umstände und individuelle Verantwortung für inkriminierte Handlungen der Organisation sind im Einzelfall sind zu prüfen

Auf die Revision der Beklagten legte das Bundes­ver­wal­tungs­gericht dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)mehrere Fragen zur Auslegung der Ausschluss­klauseln in Art. 12 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG und deren Auswirkungen auf das Grundrecht auf Asyl vor. Mit Urteil vom 9. November 2010 hat der EuGH entschieden, dass die im Streit stehenden Ausschluss­gründe der schweren nicht­po­li­tischen Straftat und der Zuwiderhandlung gegen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen weder eine gegenwärtige Gefahr für den Aufnah­me­mit­gliedstaat noch eine (nachgelagerte) Verhält­nis­mä­ßig­keits­prüfung voraussetzen. Der Ausschluss hängt allein von der Schwere der begangenen Handlungen und der individuellen Verantwortung des Betroffenen ab. Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation und die aktive Unterstützung ihres bewaffneten Kampfes nicht automatisch einen Ausschluss rechtfertigen, sondern eine Beurteilung der genauen tatsächlichen Umstände des Einzelfalls erforderlich ist, um zu ermitteln, ob der Betroffene eine individuelle Verantwortung für inkriminierte Handlungen der Organisation im Sinne der Ausschluss­gründe trägt.

Feststellungen zu konkreten terroristischen Handlungen der PKK im maßgeblichen Zeitraum seitens des Berufungs­ge­richts nicht ausreichend belegt

Auf dieser Grundlage hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht nunmehr entschieden, dass die tatsächlichen Feststellungen in dem Berufungsurteil nicht ausreichen, um entsprechend den Vorgaben des EuGH abschließend zu beurteilen, ob der Kläger einen Ausschlussgrund verwirklicht hat. Zwar spricht nach dem Urteil des EuGH eine Vermutung dafür, dass der Kläger aufgrund seiner Stellung als Funktionär und zeitweises Mitglied des Führungs­gremiums der PKK für die in diesem Zeitraum begangenen terroristischen Handlungen der Organisation eine individuelle Verantwortung trägt. Das Berufungs­gericht hat aber keine ausreichenden Feststellungen zu konkreten terroristischen Handlungen der PKK in dem maßgeblichen Zeitraum getroffen. Außerdem fehlt es an der tatrich­ter­lichen Prüfung des Einzelfalles, die vom EuGH auch im Falle des Eingreifens der Vermutung gefordert wird. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat deshalb die Sache an das Berufungs­gericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen.

Widerruf der Flücht­lings­a­n­er­kennung sowie der Asylanerkennung möglicherweise gerechtfertigt

Sofern bei dem Kläger ein Ausschlussgrund nach § 3 Abs. 2 AsylVfG vorliegen sollte, ist nicht nur der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, sondern auch der Widerruf der Asylanerkennung nach Art. 16a GG gerechtfertigt. Dies folgt nach dem Urteil des EuGH daraus, dass Art. 3 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83/EG es verbietet, einen mit der Rechtsstellung des Flüchtlings verwechselbaren Status trotz Vorliegens von zwingenden Ausschluss­gründen im Sinne der Richtlinie aufrecht­zu­er­halten (vgl.Bundes­ver­wal­tungs­gericht, Urteil v. 31.03.2011 - BVerwG 10 C 2.10 -).

Weiteres Verfahren ebenfalls an Berufungs­gericht zurückgewiesen

Ein weiteres Verfahren (BVerwG 10 C 27.10), in dem im Rahmen einer Klage auf Flüchtlings- und Asylanerkennung um das Vorliegen von Ausschluss­gründen wegen früherer Aktivitäten für eine terroristische Organisation gestritten wird, wurde ebenfalls zur weiteren Aufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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