21.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.

Dokument-Nr. 12264

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Urteil08.09.2011BundesverwaltungsgerichtBVerwG 10 C 14.10, BVerwG 15.10, 16.10 und BVerwG 20.10
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 14.10:
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil05.05.2008, A 6 K 693/07
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil09.06.2009, A 11 S 447/09
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 20.10:
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil23.01.2008, A 11 K 521/096
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil16.06.2009, A 11 S 654/08
Vorinstanzen zu BVerwG 10 C 15.10:
  • Verwaltungsgericht Stuttgart, Urteil11.09.2006, A 6 K 1192/06
  • Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil16.06.2009, A 11 S 1140/06
ergänzende Informationen

Bundesverwaltungsgericht Urteil08.09.2011

BVerwG zum Abschie­bungs­schutz wegen kritischer Versorgungslage in AfghanistanRechtliche Maßstäbe für Annahme einer extremen Gefahrenlage von VGH nicht ausreichend beachtet

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hatte sich in vier Revisi­ons­ver­fahren mit der Frage befasst, ob abgelehnten Asylbewerbern die Rückkehr nach Afghanistan angesichts der dortigen Lebens­ver­hältnisse zugemutet werden kann.

Die Kläger der zugrunde liegenden Verfahren sind zwischen 1955 und 1986 geborene Männer aus Afghanistan, von denen zwei ledig sind und sich die beiden anderen ohne ihre Familien in Deutschland aufhalten. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) lehnte ihre Asylanträge und in der Folgezeit ein Wieder­auf­greifen des Verfahrens ab und verneinte das Vorliegen von Abschie­bungs­verboten.

VGH Baden-Württemberg bejaht Gewährung von Abschie­bungs­schutz

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat im Berufungs­ver­fahren entschieden, dass den Klägern in verfas­sungs­kon­former Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 Aufent­halts­gesetz (AufenthG) Abschiebungsschutz zu gewähren sei. Sie seien zwar gesund, beruflich aber nicht besonders qualifiziert und hätten deshalb kaum Aussicht, eine Arbeit zu finden und damit ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Da sie auch nicht auf familiäre Unterstützung rechnen könnten, müssten sie sich ausschließlich von Tee und Brot ernähren. Dadurch würden sie alsbald und unausweichlich in einen forts­chrei­tenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebens­be­droh­lichen Folgen und damit in eine extreme Gefahrenlage geraten. Weil die Verwal­tungs­ge­richte jeweils nur dieses Abschiebungsverbot bejaht und lediglich das Bundesamt Berufung eingelegt habe, seien weitere Abschie­bungs­verbote, die nach Unionsrecht begründet sein könnten, im Berufungs­ver­fahren nicht zu prüfen.

Weitergehender unionsrechtlich begründeter Abschie­bungs­schutz ist grundsätzlich in allen (gerichtlichen) Asylverfahren zwingend zu prüfen

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat auf die Revision des Bundesamts die Entscheidungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs aufgehoben, weil er den Klägern den nachrangigen nationalen Abschie­bungs­schutz in verfas­sungs­kon­former Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG zugesprochen hat, ohne zuvor das Vorliegen des - während des gerichtlichen Verfahrens in Kraft getretenen - unionsrechtlich begründeten Abschie­bungs­verbots geprüft und verneint zu haben. Hat das Bundesamt - neben der Frage der Asylbe­rech­tigung bzw. der Flüchtlingsanerkennung - auch über das Vorliegen sonstiger (subsidiärer) Abschie­bungs­verbote entschieden, ist mit Inkrafttreten des Gesetzes, mit dem im August 2007 in Deutschland die Abschie­bungs­verbote der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie umgesetzt worden sind, grundsätzlich in allen (gerichtlichen) Asylverfahren auch der weitergehende unionsrechtlich begründete Abschie­bungs­schutz zwingend zu prüfen. In Übergangsfällen, in denen das Bundesamt vor der Umsetzung entschieden hat, ist dieses unionsrechtlich begründete Abschie­bungs­verbot nur dann nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, wenn darüber in der Sache entschieden und hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt worden ist. Eine solche Sachent­scheidung lag in den heute verhandelten Verfahren nicht vor.

Abschie­bungs­schutz kann im Einzelfall nur bei extremer Gefahrenlage zugesprochen werden

Hinsichtlich des nationalen Abschie­bungs­schutzes hat der Verwal­tungs­ge­richtshof zwar zutreffend angenommen, dass es sich hier um allgemeine Gefahren handelt, bei denen Abschie­bungs­schutz grundsätzlich nur im Wege einer generellen politischen Leitent­scheidung (z.B. durch einen Abschiebestopp-Erlass) gewährt werden kann. Fehlt es - wie hier - an einer solchen Anordnung, kann Abschie­bungs­schutz im Einzelfall nur bei einer extremen Gefahrenlage zugesprochen werden.

BVerwG weist Verfahren zur erneuten Prüfung an Verwal­tungs­ge­richtshof zurück

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat aber in Bezug auf die rechtlichen Maßstäbe, die von der Rechtsprechung für die Annahme einer extremen Gefahrenlage entwickelt worden sind, seine Überzeugung auf einer nicht hinreichend tragfähigen Tatsa­chen­grundlage und damit im Ergebnis ähnlich fehlerhaft gebildet wie das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland- Pfalz in den vom Bundes­ver­wal­tungs­gericht im Juni 2010 entschiedenen Verfahren. Die Verfahren sind deshalb zur erneuten Prüfung an den Verwal­tungs­ge­richtshof zurückverwiesen worden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ra-online

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