21.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Bundesverwaltungsgericht Beschluss27.04.2010

Kein Schutz vor Abschiebung wegen bewaffneten Konflikts in AfghanistanFeststellungen des Vorliegens einer erheblichen individuellen Gefahr mit rechtlichen Anforderungen des Abschie­bungs­verbots nicht vereinbar

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat entschieden, dass einem afghanischen Staats­an­ge­hörigen nicht ohne Weiteres Gewährung von Abschie­bungs­schutz erteilt werden kann, so lange nicht eindeutig bewiesen ist, dass praktisch jeder Zivilperson allein wegen ihrer Anwesenheit in einem Gebiet eines bewaffneten Konflikts einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt ist.

Der Entscheidung liegt der Fall eines 2001 nach Deutschland eingereisten inzwischen 37 Jahre alten afghanischen Klägers zugrunde. Zu seinen Gunsten hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) seinerzeit ein auslän­der­recht­liches Abschiebungsverbot (nach § 53 Abs. 6 Ausländergesetz - AuslG) festgestellt, da ihm in Afghanistan Gefahr für Leib und Leben infolge einer Zwangs­re­kru­tierung durch die Taliban drohe. Nach der Entmachtung der Taliban widerrief das Bundesamt 2006 diese Feststellung und verneinte zugleich das Vorliegen sonstiger Abschie­bungs­verbote.

Hessischer VGH gesteht Abschie­bungs­verbot weiterhin zu

Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hat den Wider­rufs­be­scheid aufgehoben, da dem Kläger das zuerkannte Abschie­bungs­verbot (jetzt nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) weiterhin zustehe. Er könne nämlich als alleinstehender und wegen der Erkrankung an Epilepsie nur beschränkt arbeitsfähiger Mann in Afghanistan keine ausreichende Existenz­grundlage finden. Ihm drohe daher eine extreme Gefahr für Leib und Leben. Insoweit ist das Urteil bereits rechtskräftig geworden.

Gericht sieht erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben für Kläger als Zivilperson

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat das Bundesamt darüber hinaus auch zur Feststellung des gemein­schafts­rechtlich begründeten Abschie­bungs­verbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verpflichtet. Dem Kläger drohe in seiner Heimatprovinz Paktia im südöstlichen Afghanistan als Zivilperson eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines inner­staat­lichen bewaffneten Konflikts. Die dort allgemein bestehende Gefahr für die Zivil­be­völ­kerung verdichte sich in der Person des Klägers zu einer konkreten Gefahr, weil aufgrund der Bewei­ser­leich­terung in Art. 4 Abs. 4 der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie davon auszugehen sei, dass ihm auch derzeit eine Zwangs­re­kru­tierung durch die Taliban drohe.

BVerwG hebt Urteil auf und weist Sache zurück an den Hessischen VGH

Die auf das gemein­schafts­rechtliche Abschie­bungs­verbot beschränkte Revision des Bundesamts hatte Erfolg. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat das Urteil des Verwal­tungs­ge­richtshofs insoweit aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Der Verwal­tungs­ge­richtshof ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass in der Heimatregion des Klägers ein inner­staat­licher bewaffneter Konflikt herrscht. Seine Feststellungen zum Vorliegen einer erheblichen individuellen Gefahr infolge willkürlicher Gewalt für die Person des Klägers sind aber mit den rechtlichen Anforderungen des Abschie­bungs­verbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht in vollem Umfang vereinbar. So fehlt es an ausreichenden Feststellungen dazu, warum dem Kläger die Bewei­ser­leich­terung nach Art. 4 Abs. 4 der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie zugute kommen soll. Insbesondere lässt sich dem Urteil nicht entnehmen, inwiefern eine dem Kläger vor der Ausreise drohende Zwangs­re­kru­tierung durch die - damals in Teilen Afghanistans herrschenden - Taliban einen ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15 der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie bedeutet hätte und inwiefern dieser Schaden mit jetzt drohenden Gefahren vergleichbar ist.

Gericht muss nachweisen, dass für Zivilperson wegen bloßer Anwesenheit erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben besteht

Unabhängig davon hat der Verwal­tungs­ge­richtshof auch keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen, welches Niveau die willkürliche Gewalt gegen die Zivil­be­völ­kerung in der Heimatregion des Klägers derzeit erreicht hat. Insofern lassen seine Feststellungen auch nicht den Schluss zu, dass praktisch jede Zivilperson dort allein wegen ihrer Anwesenheit in dem Gebiet einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre. Diese Prüfung wird der Verwal­tungs­ge­richtshof nach Zurück­ver­weisung der Sache nachholen müssen. Dabei wird er gegebenenfalls auch auf den von der Revision angesprochenen Gesichtspunkt eingehen müssen, ob der Kläger im Hinblick auf seine jetzt festgestellte, schon seit der Kindheit bestehende schwere Erkrankung tatsächlich der Gefahr einer Zwangs­re­kru­tierung unterliegt.

Quelle: ra-online, Bundesverwaltungsgericht

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