18.10.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Bundesverwaltungsgericht Urteil29.06.2010

Kein Abschie­bungs­schutz wegen kritischer Versorgungslage in AfghanistanOVG muss mögliche Abschiebung aufgrund nicht erkannter Abschie­bungs­verbote nach der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richt­linien neu prüfen

Auch bei einer kritischen Gefahrenlage im Abschie­bungsland kann von Flüchtlingen, deren Asylanträge abgelehnt wurden, die Rückkehr nach Afghanistan verlangt werden. Abschie­bungs­schutz kann im Einzelfall nur bei einer extremen Gefahrenlage zugesprochen werden, für deren Prüfung besondere rechtliche Maßstäbe entwickelt wurden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts hervor.

Die Kläger der zugrunde liegenden Verfahren sind zwei 1981 bzw. 1986 geborene, ledige Männer aus Afghanistan. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte ihre Asylanträge ab und verneinte das Vorliegen von Abschie­bungs­verboten. Das Oberver­wal­tungs­gericht Rheinland-Pfalz hat im Berufungs­ver­fahren entschieden, dass den Klägern in verfas­sungs­kon­former Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 3 Aufent­halts­gesetz Abschie­bungs­schutz zu gewähren sei. Sie seien zwar jung und gesund, verfügten aber nicht über eine Berufs­aus­bildung und hätten deshalb kaum Aussicht, eine Arbeit zu finden und damit ihren eigenen Lebensunterhalt zu sichern. Da sie auch nicht auf familiäre Unterstützung rechnen könnten, müssten sie sich ausschließlich von Tee und Brot ernähren. Dadurch würden sie mit hoher Wahrschein­lichkeit in einen forts­chrei­tenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebens­be­droh­lichen Folgen und damit in eine extreme Gefahrenlage geraten.

Abschie­bungs­schutz kann im Einzelfall nur bei extremer Gefahrenlage zugesprochen werden

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidungen des Oberver­wal­tungs­ge­richts aufgehoben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Das Oberver­wal­tungs­gericht hat zwar zutreffend angenommen, dass es sich hier um allgemeine Gefahren handelt, bei denen Abschie­bungs­schutz grundsätzlich nur im Wege einer generellen politischen Leitent­scheidung (z.B. durch einen Abschiebstopp-Erlass) gewährt werden kann. Fehlt es - wie hier - an einer solchen Anordnung, kann Abschie­bungs­schutz im Einzelfall nur bei einer extremen Gefahrenlage zugesprochen werden.

Fehlerhafte Anwendung des OVG der rechtlichen Maßstäbe für Annahme einer extremen Gefahrenlage

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat aber die rechtlichen Maßstäbe, die von der Rechtsprechung für die Annahme einer extremen Gefahrenlage entwickelt worden sind, verfehlt und sich insoweit seine Überzeugung fehlerhaft gebildet. Dies gilt vor allem für die erforderliche hohe Wahrschein­lichkeit und den baldigen Eintritt der Gefahr. Das Oberver­wal­tungs­gericht hat sich ferner auf eine unzureichende Tatsa­chen­grundlage gestützt. So hat es nicht geklärt, ob die Kläger nicht doch mit der Unterstützung ihrer Familie oder ihres Stammes rechnen können. Außerdem hat es die Frage der internationalen humanitären Hilfe, die in der Rechtsprechung anderer Oberver­wal­tungs­ge­richte zur Ablehnung von Abschie­bungs­schutz geführt hat, nur am Rande behandelt.

BVerwG weist Verfahren zur erneuten Prüfung zurück an Oberver­wal­tungs­gericht

Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Entscheidungen auch deshalb aufgehoben, weil das Oberver­wal­tungs­gericht den Vorrang der - während des Berufungs­ver­fahrens in Kraft getretenen - Abschie­bungs­verbote nach der Quali­fi­ka­ti­o­ns­richtlinie nicht erkannt und deshalb nicht zunächst das Bestehen eines weitergehenden unions­recht­lichen Abschie­bungs­verbots untersucht hat. Die Verfahren sind deshalb zur erneuten Prüfung an das Oberver­wal­tungs­gericht zurückverwiesen worden.

Quelle: ra-online, Bundesverwaltungsgericht

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