24.11.2024
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Sie sehen die Außenfassade einer Niederlassung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mit dem Bundesadler und passendem Schriftzug der Behörde.
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil14.05.2009

Keine Abschiebung von Flüchtlingen ins Heimatland ohne familiären RückhaltLeben in Abschie­bungsland ohne Gefahr für Leib und Leben kaum möglich

Afghanische Flüchtlinge, die weder über eine besondere berufliche Qualifikation noch in ihrer Heimat über Grundvermögen verfügen und die bei einer Rückkehr nach Kabul mit der Hilfe und Unterstützung durch Familie oder Bekannte nicht rechnen können, dürfen aus humanitären Gründen nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden. Das hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg entschieden.

In dem zu Grunde liegenden Fall hatte ein 1986 geborener junger Mann geklagt. Er war 2003 nach Deutschland gekommen. Nach seinen Angaben hatte er sein Heimatdorf in Afghanistan wegen einer blutigen Familienfehde, bei der auch sein Vater und ein Onkel umgekommen seien, verlassen. Mit seiner Mutter, die danach nach Kabul gezogen sei, und der übrigen Familie habe er seit 2005 keinen Kontakt mehr aufnehmen können. Nach Ablehnung seines Asylantrags hat der Kläger später wegen veränderter Verhältnisse nochmals die Feststellung eines Abschie­bungs­hin­der­nisses beantragt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtinge hat dies abgelehnt mit der Begründung, dass jedenfalls in Kabul das Existenzminimum gesichert sei. Das Verwal­tungs­gericht und nachfolgend der Verwal­tungs­ge­richtshof sind dieser Ansicht nicht gefolgt.

Gefahrenlage im Heimatland kann auch durch drohenden Hungertod mangels Lebensgrundlage begründet sein

Zur Begründung hat der Verwal­tungs­ge­richtshof ausgeführt, dass die schwierigen Lebens­be­din­gungen in Afghanistan den Kläger als Teil einer Bevöl­ke­rungs­gruppe träfen. Ein Abschie­bungs­hin­dernis ergebe sich in dieser Situation nur dann, wenn er in Afghanistan einer extrem zugespitzten Gefahrenlage ausgesetzt wäre, sodass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Eine solche Gefahrenlage könne auch dann bestehen, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde.

Legales Leben für rückkehrenden Flüchtlinge in Kabul kaum möglich

Eine solche Situation hat der Verwal­tungs­ge­richtshof nach Auswertung vielfältiger sachver­ständiger Berichte und sonstiger Erkennt­nis­quellen über Afghanistan festgestellt. Er hat ausgeführt, dass der Kläger im Falle der zur Zeit allenfalls nach Kabul tatsächlich möglichen Abschiebung dort mit hoher Wahrschein­lichkeit zunächst mit einem kriminell motivierten Überfall oder einer Entführung rechnen müsste, weil Rückkehrern aus Europa offenbar häufig der Besitz von finanziellen Mitteln unterstellt werde. Da sich die Sicherheitslage auf den Straßen nach und aus Kabul aufgrund der Bürger­kriegs­si­tuation schon seit 2007 deutlich verschlechtert habe, wäre dem Kläger ein Ausweichen in andere Landesteile ohne extreme Gefährdung von Leib und Leben nicht möglich; ohnehin verfüge er dort über keine familiäre, stammesmäßige oder soziale Vernetzung. In Kabul bestehe ohne finanzielle Mittel kaum Aussicht auf eine winterfeste Wohnung. Der Kläger, der weder eine Schule besucht noch eine Ausbildung absolviert habe und nicht über besondere berufliche Qualifikationen verfüge, hätte in Kabul keine Möglichkeit einer legalen existenz­si­chernden Erwer­b­s­tä­tigkeit. Die Einstellung auch von ungelernten Arbeitskräften sei von persönlichen Beziehungen abhängig. Der Kläger könne wenn überhaupt durch­schnittlich nur an einem Tag pro Woche eine Aushilf­s­tä­tigkeit mit einem Verdienst von 1-2 US$ erwarten. Aufgrund der Nahrungs­mit­telkrise wäre er darauf verwiesen, sich, wenn überhaupt, dauerhaft ausschließlich von Brot und Tee zu ernähren. Durch Unter­stüt­zungs­maß­nahmen der Regierung und internationaler Organisationen ändere sich daran nichts. Dadurch würde er alsbald und unausweichlich nicht zuletzt wegen der gesund­heit­lichen Umstel­lungs­schwie­rig­keiten bei einer Rückkehr aus Deutschland in einen forts­chrei­tenden Prozess körperlichen Verfalls mit lebens­be­droh­lichen Folgen geraten, weil eine hinreichende medizinische Versorgung in Kabul nicht gegeben sei. Der Kläger dürfe deshalb nicht nach Afghanistan abgeschoben werden.

Quelle: ra-online, Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

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