15.11.2024
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Dokument-Nr. 17583

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Urteil28.01.2014Bundesverfassungsgericht2 BvR 1561/12, 2 BvR 1562/12, 2 BvR 1563/12 und 2 BvR 1564/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • K&R 2014, 189Zeitschrift: Kommunikation & Recht (K&R), Jahrgang: 2014, Seite: 189
  • NJW 2014, 764Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 764
  • NVwZ 2014, 646Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), Jahrgang: 2014, Seite: 646
  • ZUM 2014, 302Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM), Jahrgang: 2014, Seite: 302
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Urteil28.01.2014

Filmabgabe nach dem Film­förderungs­gesetz ist verfas­sungsgemäßRegelungen zur Filmabgabe genügen verfassungs­rechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe mit Finanzierungs­funktion

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die Regelungen des Film­förderungs­gesetzes zur Filmabgabe verfas­sungsgemäß sind. Der Bund kann sich hierfür auf seine Gesetz­gebungs­kompetenz für das Recht der Wirtschaft stützen, selbst wenn er - neben wirtschafts­bezogenen - zugleich kulturelle Zwecke verfolgt. Die Regelungen zur Filmabgabe genügen auch den verfassungs­rechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe mit Finanzierungs­funktion.

Die Beschwer­de­füh­re­rinnen des zugrunde liegenden Verfahrens betreiben Filmtheater. Sie wenden sich gegen Abgaben­be­scheide der Filmför­de­rungs­anstalt für das erste Halbjahr 2004 sowie gegen sie bestätigende Entscheidungen des Verwal­tungs­ge­richts und des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts.

Hintergrund

Nach dem Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmför­de­rungs­gesetz - FFG) fördert der Bund durch die Filmför­de­rungs­anstalt, eine bundes­un­mit­telbare rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die Struktur der deutschen Filmwirtschaft und die kreativ-künstlerische Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für dessen Erfolg im Inland und im Ausland (§ 1 Abs. 1 FFG). Gefördert werden vor allem die Produktion, der Absatz und das Abspielen förderfähiger Filme. Dies wird finanziert durch die Erhebung einer Filmabgabe. Abgabepflichtig waren im Jahr 2004 zunächst nur die Betreiber von Filmtheatern und die Lizenz­recht­e­inhaber der Videowirtschaft. Die Abgabe bemisst sich für sie nach dem Umsatz, der mit dem Abspielen von Filmen in Kinos bzw. mit dem Verkauf oder der Vermietung von Bildträgern erzielt wird. Für die Fernseh­ver­an­stalter war zunächst eine vertraglich zu vereinbarende Beitrags­leistung vorgesehen. Im Jahr 2010 fügte der Gesetzgeber für die Fernseh­ver­an­stalter einen der Höhe nach bestimmten Abgabe­tat­bestand ein und ordnete das rückwirkende Inkrafttreten der Regelung ab 2004 an. Im Streitjahr 2004 wandte die Filmför­de­rungs­anstalt über 61 Millionen Euro für die Filmförderung auf.

Grundlage für die Heranziehung zur Filmabgabe gegeben

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die zulässigen Verfas­sungs­be­schwerden nicht begründet sind. Die gesetzlichen Bestimmungen, die Grundlage für die Heranziehung der Beschwer­de­füh­re­rinnen zur Filmabgabe waren, sind durch die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes für das Recht der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) gedeckt.

Kompe­tenz­bereich der Länder wird durch Reichweite der Bundes­kom­pe­tenzen bestimmt, nicht umgekehrt

Die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes entfällt nicht schon dann, wenn der Gesetzgeber mit wirtschafts­be­zogenen Regelungen zugleich kulturelle Zwecke verfolgt, solange der maßgebliche objektive Regelungs­ge­genstand und -gehalt in seinem Gesamt­zu­sam­menhang ein im Schwerpunkt wirtschafts­recht­licher ist. Der Kompe­tenz­bereich der Länder wird durch die Reichweite der Bundes­kom­pe­tenzen bestimmt, nicht umgekehrt. Das schließt es zwar nicht aus, Sachmaterien zu identifizieren, die nach dem Willen des Verfas­sungs­gebers zumindest in wesentlichen Hinsichten in die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz der Länder fallen sollen. In diesem Sinne gelten die Länder als Träger der Kulturhoheit. Hieraus folgt jedoch nicht, dass die Gesetz­ge­bungs­zu­stän­dig­keiten des Bundes Einwirkungen auf den Kulturbereich und eine Berück­sich­tigung kultureller Belange von vornherein nicht ermöglichen. Dem Bund ist es nicht verwehrt, in der Wahrnehmung aller seiner Kompetenzen auch auf Schonung, Schutz und Förderung der Kultur Bedacht zu nehmen.

Gesetz ist objektiven Regelungsgehalt auf Förderung der deutschen Filmwirtschaft und des deutschen Films ausgerichtet

Die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG scheidet danach nicht bereits deshalb aus, weil der Film nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern zugleich ein Kulturgut darstellt und mit dem Filmför­de­rungs­gesetz stets auch kulturelle Zwecke verfolgt worden sind. Seinem objektiven Regelungsgehalt nach ist das Gesetz auf die Förderung der deutschen Filmwirtschaft und des deutschen Films ausgerichtet. Den quali­täts­be­zogenen Förder­vor­aus­set­zungen in zahlreichen Regelungen liegt die Annahme zugrunde, dass der angestrebte wirtschaftliche Erfolg des deutschen Films gerade von einer auch quali­täts­o­ri­en­tierten Förderung abhängt. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diese Annahme unrealistisch und nur vorgeschoben wäre, um unter dem Vorwand der Wirtschafts­för­derung reine Kulturförderung zu betreiben.

Finanz­ver­fas­sungs­rechtliche Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben mit Finan­zie­rungs­funktion erfüllt

Die gesetzlichen Regelungen zur Erhebung der Filmabgabe genügen den finanz­ver­fas­sungs­recht­lichen Anforderungen an die Erhebung von Sonderabgaben mit Finan­zie­rungs­funktion. Mit einer Sonderabgabe darf nur eine homogene Gruppe belegt werden, die von der Allgemeinheit und von anderen Gruppen abgrenzbar ist. Die Gruppe muss zu dem Zweck der Abgabenerhebung in spezifischer Sachnähe stehen, so dass ihr eine besondere Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung zugerechnet werden kann. Grundsätzlich ist der Gesetzgeber gehalten, von der Belastung mit einer Sonderabgabe nicht Gruppen auszuschließen, obwohl diese zum Sachzweck der Abgabe in gleicher oder gar noch größerer Nähe stehen als die Abgabe­be­lasteten. Daraus folgt jedoch nicht ohne weiteres eine Pflicht, bei mehrstufigen Markt­ver­hält­nissen mit der Belastung durch eine Sonderabgabe auf jeder einzelnen Marktstufe zuzugreifen.

Gruppennutzen für Sonderabgaben muss evident sein

Das Abgaben­auf­kommen muss gruppennützig verwendet werden. Bei den Sonderabgaben, mit denen Angehörige eines bestimmten Wirtschafts­zweiges zur Finanzierung von Fördermaßnahmen zugunsten eben dieses Wirtschafts­zweiges herangezogen werden, muss der Gruppennutzen evident sein. Die mit der Abgabe belasteten Untergruppen - Kinobetreiber, Lizenz­recht­e­inhaber der Videowirtschaft sowie Fernseh­ver­an­stalter - bilden als Inlands­ver­markter deutscher Kinofilme gemeinsam eine homogene Gruppe. Deren besondere Sachnähe und Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung ist begründet im gemeinsamen Interesse an der gedeihlichen Struktur der deutschen Filmwirtschaft und am Erfolg des deutschen Films.

Wirtschaft­liches Interesse am deutschen Film klar erkennbar

Der Einwand der Beschwer­de­füh­re­rinnen, dass den weitaus meisten Kinobetreibern ein solches Interesse fehle, weil sie nicht speziell an der Entstehung deutscher Filme, sondern allein am wirtschaft­lichen Erfolg eines Films - gleich welcher Herkunft - interessiert seien, greift nicht durch. Im Streitjahr 2004 betrug der Marktanteil deutscher Filme, gemessen an den Kinobe­su­cher­zahlen, 23,8 %. Deutlicher als durch ihr in diesen Zahlen dokumentiertes freiwilliges Marktverhalten könnte die Kinowirtschaft, die die betreffenden deutschen Filme vorgeführt hat, ihr wirtschaft­liches Interesse am deutschen Film nicht bekunden.

Deutscher Film ist durchaus auf Förderung durch Filmför­de­rungs­anstalt angewiesen

Die Beschwer­de­füh­re­rinnen bezweifeln darüber hinaus, dass der deutsche Film auf Förderung durch die Filmför­de­rungs­anstalt überhaupt angewiesen sei. Die gegenteilige Einschätzung des Gesetzgebers - wie auch fast aller abgegebenen Stellungnahmen - in dieser Frage, in der experimentelle Beweise nicht verlangt werden können, findet jedoch Rückhalt in der Marktlage der Filmwirtschaft.

Gericht verneint gleich­heits­widrige Belas­tungs­ver­zerrung im Hinblick auf Handelsstufen für Einzelhandel und Videotheken

Unschädlich ist, dass in den abgabe­be­lasteten Verwer­tungs­zweigen deutscher Kinofilme mit der Abgabe jeweils nur eine der Verwer­tungs­stufen, und nicht in allen Zweigen dieselbe, belastet wird. Die 1992 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, den Abgabenzugriff für den Bereich der Videowirtschaft vom Einzelhandel und den Videotheken auf die nächsthöhere Handelsstufe zu verschieben, führt nicht zu einer gleich­heits­widrigen Belas­tungs­ver­zerrung.

Abgabe für Auslands­ver­ma­rktung würde dem Ziel der Förderung des deutschen Films im Ausland zuwiderlaufen

Auch dass verschiedene weitere Gruppen nicht in die Abgabebelastung einbezogen sind, stellt die Homogenität der abgabe­be­lasteten Gruppe sowie deren spezifische Sachnähe und Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung nicht in Frage. So ist die Nicht­ein­be­ziehung der Auslands­ver­ma­rktung jedenfalls dadurch gerechtfertigt, dass die Erhebung der Abgabe hier einem wesentlichen mittels der Abgabe verfolgten Förderziel, nämlich dem Erfolg des deutschen Films im Ausland, zuwiderliefe. In der zum Endverbraucher im Inland verlaufenden Verwer­tungskette entfaltet die Abgabe, da sie nicht speziell auf die mit deutschen Filmen erzielten Erlöse erhoben wird, keine speziell den deutschen Film und seine Nutzung verteuernde Wirkung. Die Belastung des Exports deutscher Filme und Filmrechte wäre dagegen mit einer solchen dem Förderziel abträglichen Wirkung unvermeidlich verbunden.

Der Verfas­sungs­mä­ßigkeit der Abgabenregelung für das Jahr 2004 steht nicht entgegen, dass es in diesem Jahr an einer näher bestimmten Abgabepflicht der Fernseh­ver­an­stalter fehlte. Im Jahr 2010 hat der Gesetzgeber neue Abgabe­vor­schriften rückwirkend ab 2004 in Kraft gesetzt. Hierin liegt keine verfas­sungs­rechtlich unzulässige Rückwirkung.

Wirtschaft­licher Erfolg von Filmen nicht sicher prognos­ti­zierbar

Das Abgaben­auf­kommen wird evident gruppennützig verwendet. Darin, dass das Gesetz auch quali­täts­be­zogene Förderkriterien vorsieht, liegt keine Abkehr von wirtschaft­licher Erfolgs­ori­en­tierung. Vielmehr ist die Quali­täts­för­derung, dem wirtschafts­för­dernden Regelungsgehalt des Filmför­de­rungs­ge­setzes entsprechend, gerade auf nachhaltige Erfolgs­si­cherung ausgerichtet. Der erforderliche Gruppennutzen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass viele geförderte Filme sich als nicht erfolgreich erweisen. Nach einhelliger Auffassung der einschlägigen Fachkreise ist der wirtschaftliche Erfolg von Filmen nicht sicher prognos­ti­zierbar. Es liegt in der Natur kreativer und künstlerischer Werke, dass sie gerade nicht ausschließlich nach eingefahrenen, vorgegebenen Mustern produziert sind und ihre Aufnahme beim Publikum sich daher allenfalls eingeschränkt anhand von Erfahrungen mit zurückliegenden Publi­kums­re­ak­tionen auf andere Filme vorhersagen lässt.

Entscheidungen der Filmför­de­rungs­anstalt ausreichend demokratisch legitimiert

Die Entscheidungen der Filmför­de­rungs­anstalt sind in ausreichendem Maß demokratisch legitimiert. Bei der Verga­be­kom­mission, die wichtige Förde­rent­schei­dungen trifft, ist zwar die personelle Legitimation erheblich zurückgenommen, da deren Mitglieder zu einem großen Teil von Organisationen der Filmschaffenden und der abgabe­pflichtigen Gruppen benannt werden. Dies findet jedoch ausreichende Rechtfertigung in der Natur der zu treffenden Entscheidungen, die mit Urteilen über kreativ-künstlerische Qualitäten verbunden sind. Die Verga­be­kom­mission ist kein Reprä­sen­ta­ti­o­nsorgan, das entsprechender Rückbindung an den Willen des vertretenen Kollektivs durch die Organi­sa­ti­o­nsform einer körper­schaft­lichen Selbst­ver­waltung bedürfte. Es handelt sich vielmehr um ein auf bestmögliche Umsetzung vorgegebener gesetzlicher Maßstäbe hin konzipiertes kollegiales Entschei­dungs­gremium. Die Rahmen­be­din­gungen sind so beschaffen, dass eine an den gesetzlichen Bestimmungen orientierte, nicht zugunsten von Sonde­r­in­teressen verzerrte Entschei­dung­s­praxis gesichert erscheint.

Entscheidung des Bundes­ver­wal­tungs­gericht verletzt Beschwer­de­füh­re­rinnen nicht in ihren Grundrechten

Die angegriffenen Entscheidungen des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts verletzen die Beschwer­de­füh­re­rinnen nicht in ihrem grund­rechts­gleichen Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Dass das Bundes­ver­wal­tungs­gericht keine Notwendigkeit einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gesehen hat, beruht nicht auf einer nicht mehr verständlichen oder unhaltbaren Auslegung des Art. 267 Abs. 3 AEUV.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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