18.10.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 23339

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Urteil25.10.2016BundesgerichtshofXI ZR 9/15 und XI ZR 387/15
Vorinstanzen zu XI ZR 387/15:
  • Landgericht Düsseldorf, Urteil09.10.2014, 12 O 71/13
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil16.07.2015, 6 U 94/14
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil25.10.2016

Vorformulierte Bankklauseln über pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen unwirksamBGH entscheidet über Zulässigkeit eines pauschalen Entgelts für geduldete Überziehungen

Der Bundes­ge­richtshof hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisi­ons­ver­fahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehungen (§ 505 BGB) zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.

In dem Verfahren XI ZR 9/15 hieß es in den von der beklagten Bank verwendeten "Bedingungen für geduldete Überziehungen" auszugsweise wie folgt:

Erläuterungen
"5. Die Höhe des Sollzinssatzes für geduldete Überziehungen, der ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfällt, beträgt 16,50 % p. a. (Stand August 2012). Die Sollzinsen für geduldete Überziehungen fallen nicht an, soweit diese die Kosten der geduldeten Überziehung (siehe Nr. 8) nicht übersteigen.

[...]

8. Die Kosten für geduldete Überziehungen, die ab dem Zeitpunkt der Überziehung anfallen, betragen 6,90 Euro (Stand August 2012) und werden im Falle einer geduldeten Überziehung einmal pro Rechnungs­ab­schluss berechnet. Die Kosten für geduldete Überziehung fallen jedoch nicht an, soweit die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen diese Kosten übersteigen."

Verbrau­cher­schutz­verein rügt unangemessene Benachteiligung von Verbrauchern

Der Kläger, ein Verbrau­cher­schutz­verein, ist der Ansicht, dass die Regelung unter Ziffer 8 Satz 1 der Bedingungen Verbraucher unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB** benachteiligt, und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung dieser Klausel in Anspruch. Während die Klage in erster Instanz keinen Erfolg hatte, hat ihr das Berufungs­gericht stattgegeben.

In dem Verfahren XI ZR 387/15 begehrt der klagende Verbrau­cher­schutz­verein von der Beklagten, einer Geschäftsbank, die Unterlassung der Verwendung folgender Klausel:

"[Die Bank] berechnet für jeden Monat, in welchem es auf dem Konto zu einer geduldeten Überziehung kommt, ein Entgelt von 2,95 €, es sei denn, die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen übersteigen im Berech­nungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 €. Die angefallenen Sollzinsen für geduldete Überziehungen werden nicht in Rechnung gestellt, wenn sie im Berech­nungsmonat den Entgeltbetrag von 2,95 € unterschreiten."

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Klausel wegen einer unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern unwirksam sei. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Bedingungen über pauschales "Mindestentgelt" für geduldete Überziehung halten gerichtlicher Inhalts­kon­trolle nicht stand

Der Bundes­ge­richtshof hat in dem Verfahren XI ZR 9/15 die Revision der beklagten Bank zurückgewiesen. In dem Verfahren XI ZR 387/15 hat er auf die Revision des Klägers der Klage stattgegeben. Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das pauschale "Mindestentgelt" für eine geduldete Überziehung unterliegen als Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen der gerichtlichen Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und halten dieser nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

Preis­ne­be­n­a­breden unterliegen grundsätzlich der Inhalts­kon­trolle

Die Klauseln sind nicht als sogenannte Preishauptrede einer Inhalts­kon­trolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB** entzogen. Vielmehr handelt es sich um Preis­ne­be­n­a­breden, die einer Inhalts­kon­trolle unterliegen. Denn in den Fällen, in denen das Mindestentgelt erhoben wird, wird mit diesem unabhängig von der Laufzeit des Darlehens ein Bearbei­tungs­aufwand der Bank auf den Kunden abgewälzt. Die angegriffenen Klauseln weichen damit von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Denn der Preis für eine geduldete Überziehung, bei der es sich um ein Verbrau­cher­da­rlehen handelt, ist dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB*** folgend ein Zins und damit allein eine laufzeit­ab­hängige Vergütung der Kapita­l­über­lassung, in die der Aufwand für die Bearbeitung einzupreisen ist.

Klauseln führen gerade bei niedrigen Überzie­hungs­be­trägen und kurzen Laufzeiten zu unver­hält­nis­mäßigen Belastungen

Die Klauseln benachteiligen die Kunden der Beklagten auch in unangemessener Weise, zumal sie gerade bei niedrigen Überzie­hungs­be­trägen und kurzen Laufzeiten zu unver­hält­nis­mäßigen Belastungen führen. Denn bei einer geduldeten Überziehung von 10 Euro für einen Tag und dem hierfür in Rechnung zu stellenden Betrag von 6,90 Euro in dem Verfahren XI ZR 9/15 bzw. von 2,95 Euro in dem Verfahren XI ZR 387/15 wäre ein Zinssatz von 25.185 % p.a. bzw. von 10.767,5 % p.a. zwischen den Parteien zu vereinbaren.

* § 505 BGB

Geduldete Überziehung

(1) Vereinbart ein Unternehmer in einem Vertrag mit einem Verbraucher über ein laufendes Konto ohne eingeräumte Überzie­hungs­mög­lichkeit ein Entgelt für den Fall, dass er eine Überziehung des Kontos duldet, müssen in diesem Vertrag die Angaben nach Artikel 247 § 17 Abs. 1 des Einfüh­rungs­ge­setzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche auf einem dauerhaften Datenträger enthalten sein und dem Verbraucher in regelmäßigen Zeitabständen auf einem dauerhaften Datenträger mitgeteilt werden. Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Darlehensgeber mit einem Darlehensnehmer in einem Vertrag über ein laufendes Konto mit eingeräumter Überzie­hungs­mög­lichkeit ein Entgelt für den Fall vereinbart, dass er eine Überziehung des Kontos über die vertraglich bestimmte Höhe hinaus duldet.

(2) Kommt es im Fall des Absatzes 1 zu einer erheblichen Überziehung von mehr als einem Monat, unterrichtet der Darlehensgeber den Darlehensnehmer unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger über die sich aus Artikel 247 § 17 Abs. 2 des Einfüh­rungs­ge­setzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ergebenden Einzelheiten. Wenn es im Fall des Absatzes 1 zu einer ununter­bro­chenen Überziehung von mehr als drei Monaten gekommen ist und der durch­schnittliche Überzie­hungs­betrag die Hälfte des durch­schnitt­lichen monatlichen Geldeingangs innerhalb der letzten drei Monate auf diesem Konto übersteigt, so gilt § 504 a entsprechend. Wenn der Rechnungs­ab­schluss für das laufende Konto vierteljährlich erfolgt, ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 der jeweilige Rechnungs­ab­schluss.

(3) Verstößt der Unternehmer gegen Absatz 1 oder Absatz 2, kann der Darlehensgeber über die Rückzahlung des Darlehens hinaus Kosten und Zinsen nicht verlangen.

(4) Die §§ 491 a bis 496 und 499 bis 502 sind auf Allgemein-Verbrau­cher­da­r­le­hens­verträge, die unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen zustande kommen, nicht anzuwenden.

**§ 307 BGB

Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

*** § 488 Abs. 1 BGB

Vertrags­ty­pische Pflichten beim Darle­hens­vertrag

(1) Durch den Darle­hens­vertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) [...]

(3) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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