18.10.2024
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Dokument-Nr. 14614

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Bundesgerichtshof Urteil13.11.2012

Entgeltklauseln über Zusatzkosten von Pfändungs­schutz­konten unwirksamRegelungen der Bank benachteiligen Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen

Die im Preis- und Leistungs­ver­zeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Bestimmung über die Konto­füh­rungs­gebühr für ein Pfändungs­schutzkonto (kurz: P-Konto) ist im Verkehr mit Verbrauchern in der Regel unwirksam, wenn der Kunde danach - bei Umwandlung seines schon bestehenden Girokontos in ein P-Konto - ein über der für dieses Girokonto zuvor vereinbarten Konto­füh­rungs­gebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat oder wenn das Kreditinstitut - bei der Neueinrichtung eines P-Kontos - ein Entgelt verlangt, das über der Konto­füh­rungs­gebühr für ein Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenes Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Mit dem am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontop­fän­dungs­schutzes hat der Gesetzgeber die Verbesserung des Pfändungs­schutzes für Girokonten bezweckt und hierzu insbesondere das in § 850 k ZPO* geregelte Pfändungsschutzkonto eingeführt. Danach können der Kunde und das Kreditinstitut vereinbaren, dass ein schon bestehendes oder ein neu eingerichtetes Girokonto als P-Konto geführt wird. Zur Führung eines bestehenden Girokontos als P-Konto ist das Kreditinstitut auf Verlangen des Kunden verpflichtet. Auf diesem P-Konto erhält der Kunde in Höhe seines Pfändungs­frei­be­trages einen Basis­pfän­dungs­schutz. Wird das Guthaben auf dem P-Konto gepfändet, kann der Kunde hierüber bis zur Höhe des monatlichen Pfändungs­frei­be­trages frei verfügen. Damit sollen ihm ohne aufwändiges gerichtliches Verfahren die Geldmittel verbleiben, die er für den existentiellen Lebensbedarf benötigt.

Verbrau­cher­schutz­ver­ei­ni­gungen machen Unwirksamkeit der Klauseln über Konto­füh­rungs­gebühr für P-Konto geltend

In beiden verhandelten Verfahren machen die klagenden Verbrau­cher­schutz­ver­ei­ni­gungen gegenüber den Beklagten - zwei Sparkassen - im Wege der Unter­las­sungsklage die Unwirksamkeit der in den jeweiligen Preis- und Leistungs­ver­zeich­nissen der Beklagten enthaltenen Klauseln über die Konto­füh­rungs­gebühr für ein P-Konto geltend, weil den Kunden hierdurch für die Führung eines P-Kontos höhere Kontoführungsgebühren als für das schon bestehende bzw. für ein neu eingerichtetes Girokonto abverlangt würden.

Sachverhalt im Verfahren XI ZR 500/11

Im Verfahren XI ZR 500/11 lautet die von der dortigen Beklagten verwendete Klausel wie folgt:

Erläuterungen
"P-Konto (Pfändungs­schutzkonto)

Grundpreis monatlich 10 €

Restliche Preise analog Giro-Ideal."

Die Beklagte bietet mehrere Preismodelle für Girokonten von Privatkunden an. So beträgt der Grundpreis für das in der vorgenannten Klausel in Bezug genommene Modell "Giro-Ideal" monatlich 3 Euro; für einzelne Geschäfts­vorfälle werden zusätzliche Postenpreise erhoben. Bei dem Modell "Giro-Balance" wird der Kunde im Falle der Einhaltung eines Durch­schnitts­gut­habens von 1.250 Euro vom monatlichen Grundpreis freigestellt; bei Unterschreitung dieses Guthabens werden monatlich 10 Euro verlangt. Eine zusätzliche Vergütung fällt bei diesem Preismodell nur für den Ausfüllservice für Eil- und telefonische Überweisungen an. Letzteres gilt auch für das Preismodell "Giro-Live", dessen Grundpreis monatlich 3 Euro beträgt.

Sachverhalt im Verfahren XI ZR 145/12

Im Verfahren XI ZR 145/12 hat die angegriffene Klausel folgenden Inhalt:

"1.4 Kontoführung Pfändungs­schutzkonto

monatlicher Pauschalpreis 7,50 EUR".

Zusätzlich werden für bestimmte Geschäfts­vorfälle Postenpreise erhoben. Die Beklagte dieses Verfahrens bietet ebenfalls verschiedene Preismodelle für Privatkunden an. So beträgt der monatliche Pauschalpreis für das Kontomodell "Giro kompakt" 6,75 Euro und für das Kontomodell "Giro standard" 4 Euro, wobei ein Neuabschluss für diese - von Altkunden weiterhin genutzten - Kontomodelle nicht mehr möglich ist. Die Kontoführung für das aktuell angebotene Kontomodell "Giroflexx" beträgt im Standardtarif 7,50 Euro monatlich; unter bestimmten Voraussetzungen wird dem Kunden ein Treuebonus gewährt.

In beiden Verfahren sind die Unter­las­sungs­klagen in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

P-Konto stellt keine besondere Kontoart gegenüber herkömmlichem Girokonto dar

Die Revisionen der beklagten Sparkassen hat der Bundes­ge­richtshof jeweils zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich bei den beanstandeten Klauseln um so genannte Preis­ne­be­n­a­breden handele, die der Inhalts­kon­trolle nach § 307 BGB** unterlägen. Gemäß § 850 k Abs. 7 ZPO werde "das Girokonto als Pfändungs­schutzkonto geführt", wenn das Kreditinstitut und der Kunde dies von vorneherein vereinbarten oder der Kunde dies später verlange. Das P-Konto stelle daher keine besondere Kontoart gegenüber dem herkömmlichen Girokonto dar, sondern ihm liege eine Nebenabrede zum Girovertrag zugrunde. Die mit der Funktion des P-Kontos verbundenen Tätigkeiten des Kreditinstituts seien Nebenleistungen, die zu den Hauptleistungen - der Führung des Girokontos und der Ausführung der Zahlungs­vorgänge - hinzutreten und zu deren Vornahme das Kreditinstitut nach § 850 k ZPO gesetzlich verpflichtet sei, so der Bundes­ge­richtshof. Die streitigen Klauseln enthielten auch keine kontrollfreie Abrede über das Entgelt für eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Beklagten. Vielmehr würden die Beklagten hierdurch Kosten für Tätigkeiten, zu deren Erbringung sie gemäß § 850 k ZPO gesetzlich verpflichtet sind, auf ihre Kunden abwälzen. Die beanstandeten Entgelt­re­ge­lungen könnten schließlich auch nicht deshalb als - kontrollfreie - Preis­haupt­abrede eingeordnet werden, weil es im Falle ihrer Unwirksamkeit an einer solchen Preis­ver­ein­barung gänzlich fehle. Werde ein vorhandenes Girokonto in ein P-Konto umgewandelt, sei fortgeltende Preis­haupt­abrede die Preis­ver­ein­barung für das schon bestehende Girokonto. Werde ein Girokonto sogleich als P-Konto neu eröffnet, sei entweder das Entgelt des Preismodells zugrunde zu legen, auf das ggf. in der Klausel über das P-Konto Bezug genommen werde (etwa in der Sache XI ZR 500/11 das Modell "Giro-Ideal") oder aber - wenn eine solche Bezugnahme fehle - der Preis, für den das betreffende Kreditinstitut ein herkömmliches Girokonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt (ohne Pfändungs­schutz­funktion) anbiete.

Klauseln halten Inhalts­kon­trolle nicht stand

Der danach eröffneten Inhalts­kon­trolle hielten die streitigen Klauseln, wie die Berufungs­ge­richte jeweils in Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen insta­nz­ge­richt­lichen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zu Recht angenommen haben, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Die beanstandeten Regelungen benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil die Beklagten mit der Führung eines Girokontos als P-Konto lediglich eine ihnen durch § 850 k Abs. 7 ZPO auferlegte gesetzliche Pflicht erfüllten, wofür sie nach allgemeinen Grundsätzen kein gesondertes Entgelt - hier in Form höherer Konto­füh­rungs­ge­bühren - verlangen dürften. Das entspreche auch dem aus den Geset­zes­ma­te­rialien zum P-Konto ersichtlichen Willen des Gesetzgebers. Dass die Beklagten in beiden Streitfällen von Privatkunden für die Führung eines Girokontos als Pfändungs­schutzkonto ein höheres Entgelt als für das bisher schon bestehende Girokonto bzw. als für ein neu eingerichtetes Girokonto (ohne Pfändungs­schutz­funktion) verlangten, ergebe sich im Einzelnen aus einer Gegen­über­stellung der jeweiligen Preise bzw. der preislichen Auswirkungen einer Kontoumstellung. Gründe, die die beanstandeten Klauseln nach Treu und Glauben gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, seien weder dargetan noch sonst ersichtlich.

* § 850 k ZPO (Auszug)

Pfändungsschutzkonto

(1) [...]

(7) In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungs­schutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungs­schutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungs­schutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.

(8) [...]

** § 307 BGB

Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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