Mit dem am 1. Juli 2010 in Kraft getretenen Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes hat der Gesetzgeber die Verbesserung des Pfändungsschutzes für Girokonten bezweckt und hierzu insbesondere das in § 850 k ZPO* geregelte Pfändungsschutzkonto eingeführt. Danach können der Kunde und das Kreditinstitut vereinbaren, dass ein schon bestehendes oder ein neu eingerichtetes Girokonto als P-Konto geführt wird. Zur Führung eines bestehenden Girokontos als P-Konto ist das Kreditinstitut auf Verlangen des Kunden verpflichtet. Auf diesem P-Konto erhält der Kunde in Höhe seines Pfändungsfreibetrages einen Basispfändungsschutz. Wird das Guthaben auf dem P-Konto gepfändet, kann der Kunde hierüber bis zur Höhe des monatlichen Pfändungsfreibetrages frei verfügen. Damit sollen ihm ohne aufwändiges gerichtliches Verfahren die Geldmittel verbleiben, die er für den existentiellen Lebensbedarf benötigt.
In beiden verhandelten Verfahren machen die klagenden Verbraucherschutzvereinigungen gegenüber den Beklagten - zwei Sparkassen - im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der in den jeweiligen Preis- und Leistungsverzeichnissen der Beklagten enthaltenen Klauseln über die Kontoführungsgebühr für ein P-Konto geltend, weil den Kunden hierdurch für die Führung eines P-Kontos höhere Kontoführungsgebühren als für das schon bestehende bzw. für ein neu eingerichtetes Girokonto abverlangt würden.
Im Verfahren XI ZR 500/11 lautet die von der dortigen Beklagten verwendete Klausel wie folgt:
"P-Konto (Pfändungsschutzkonto)
Grundpreis monatlich 10 €
Restliche Preise analog Giro-Ideal."
Die Beklagte bietet mehrere Preismodelle für Girokonten von Privatkunden an. So beträgt der Grundpreis für das in der vorgenannten Klausel in Bezug genommene Modell "Giro-Ideal" monatlich 3 Euro; für einzelne Geschäftsvorfälle werden zusätzliche Postenpreise erhoben. Bei dem Modell "Giro-Balance" wird der Kunde im Falle der Einhaltung eines Durchschnittsguthabens von 1.250 Euro vom monatlichen Grundpreis freigestellt; bei Unterschreitung dieses Guthabens werden monatlich 10 Euro verlangt. Eine zusätzliche Vergütung fällt bei diesem Preismodell nur für den Ausfüllservice für Eil- und telefonische Überweisungen an. Letzteres gilt auch für das Preismodell "Giro-Live", dessen Grundpreis monatlich 3 Euro beträgt.
Im Verfahren XI ZR 145/12 hat die angegriffene Klausel folgenden Inhalt:
"1.4 Kontoführung Pfändungsschutzkonto
monatlicher Pauschalpreis 7,50 EUR".
Zusätzlich werden für bestimmte Geschäftsvorfälle Postenpreise erhoben. Die Beklagte dieses Verfahrens bietet ebenfalls verschiedene Preismodelle für Privatkunden an. So beträgt der monatliche Pauschalpreis für das Kontomodell "Giro kompakt" 6,75 Euro und für das Kontomodell "Giro standard" 4 Euro, wobei ein Neuabschluss für diese - von Altkunden weiterhin genutzten - Kontomodelle nicht mehr möglich ist. Die Kontoführung für das aktuell angebotene Kontomodell "Giroflexx" beträgt im Standardtarif 7,50 Euro monatlich; unter bestimmten Voraussetzungen wird dem Kunden ein Treuebonus gewährt.
In beiden Verfahren sind die Unterlassungsklagen in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen.
Die Revisionen der beklagten Sparkassen hat der Bundesgerichtshof jeweils zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass es sich bei den beanstandeten Klauseln um so genannte Preisnebenabreden handele, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterlägen. Gemäß § 850 k Abs. 7 ZPO werde "das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt", wenn das Kreditinstitut und der Kunde dies von vorneherein vereinbarten oder der Kunde dies später verlange. Das P-Konto stelle daher keine besondere Kontoart gegenüber dem herkömmlichen Girokonto dar, sondern ihm liege eine Nebenabrede zum Girovertrag zugrunde. Die mit der Funktion des P-Kontos verbundenen Tätigkeiten des Kreditinstituts seien Nebenleistungen, die zu den Hauptleistungen - der Führung des Girokontos und der Ausführung der Zahlungsvorgänge - hinzutreten und zu deren Vornahme das Kreditinstitut nach § 850 k ZPO gesetzlich verpflichtet sei, so der Bundesgerichtshof. Die streitigen Klauseln enthielten auch keine kontrollfreie Abrede über das Entgelt für eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte Sonderleistung der Beklagten. Vielmehr würden die Beklagten hierdurch Kosten für Tätigkeiten, zu deren Erbringung sie gemäß § 850 k ZPO gesetzlich verpflichtet sind, auf ihre Kunden abwälzen. Die beanstandeten Entgeltregelungen könnten schließlich auch nicht deshalb als - kontrollfreie - Preishauptabrede eingeordnet werden, weil es im Falle ihrer Unwirksamkeit an einer solchen Preisvereinbarung gänzlich fehle. Werde ein vorhandenes Girokonto in ein P-Konto umgewandelt, sei fortgeltende Preishauptabrede die Preisvereinbarung für das schon bestehende Girokonto. Werde ein Girokonto sogleich als P-Konto neu eröffnet, sei entweder das Entgelt des Preismodells zugrunde zu legen, auf das ggf. in der Klausel über das P-Konto Bezug genommen werde (etwa in der Sache XI ZR 500/11 das Modell "Giro-Ideal") oder aber - wenn eine solche Bezugnahme fehle - der Preis, für den das betreffende Kreditinstitut ein herkömmliches Girokonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt (ohne Pfändungsschutzfunktion) anbiete.
Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hielten die streitigen Klauseln, wie die Berufungsgerichte jeweils in Übereinstimmung mit der nahezu einhelligen instanzgerichtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zu Recht angenommen haben, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand. Die beanstandeten Regelungen benachteiligen die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil die Beklagten mit der Führung eines Girokontos als P-Konto lediglich eine ihnen durch § 850 k Abs. 7 ZPO auferlegte gesetzliche Pflicht erfüllten, wofür sie nach allgemeinen Grundsätzen kein gesondertes Entgelt - hier in Form höherer Kontoführungsgebühren - verlangen dürften. Das entspreche auch dem aus den Gesetzesmaterialien zum P-Konto ersichtlichen Willen des Gesetzgebers. Dass die Beklagten in beiden Streitfällen von Privatkunden für die Führung eines Girokontos als Pfändungsschutzkonto ein höheres Entgelt als für das bisher schon bestehende Girokonto bzw. als für ein neu eingerichtetes Girokonto (ohne Pfändungsschutzfunktion) verlangten, ergebe sich im Einzelnen aus einer Gegenüberstellung der jeweiligen Preise bzw. der preislichen Auswirkungen einer Kontoumstellung. Gründe, die die beanstandeten Klauseln nach Treu und Glauben gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, seien weder dargetan noch sonst ersichtlich.
(1) [...]
(7) In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.
(8) [...]
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.11.2012
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online