18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil29.06.2010

"Schrot­tim­mo­bilien": Bei arglistiger Täuschung mittels so genannter Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­aufträge besteht Anspruch auf SchadensersatzVertrags­ge­flecht der Vermittler führt zu drei Mal so hohen Vermitt­lungs­pro­vi­sionen wie augenscheinlich ersichtlich

Der Bundes­ge­richtshof hat Verbrauchern Schaden­s­er­satz­ansprüche im Zusammenhang mit so genannten "Schrot­tim­mo­bilien" zugesprochen und damit ein Berufungsurteil bestätigt, das im Zusammenhang mit einem so genannten Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag eine arglistige Täuschung der Wohnungs­käuferin über die Höhe der Vertrie­b­spro­vi­sionen bejaht hatte.

Von Vermittlern geworben, erwarb die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine damals 38 Jahre alte Kranken­schwester, im Jahr 1996 zu Steuer­spa­r­z­wecken eine Eigen­tums­wohnung in Hamburg. Zur Finanzierung des Kaufpreises in Höhe von 147.511,- DM nahm sie bei der beklagten Bank (Badenia-Bausparkasse) ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 178.000,- DM auf, das durch zwei mit der beklagten Bausparkasse abgeschlossene Bausparverträge getilgt werden sollte. Im Zusammenhang mit dem Erwerb unterzeichnete die Klägerin einen Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag, in dem es u.a. heißt: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o.g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannten Firmen zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Ausweislich Punkt 4 der Aufstellung sollte die Finan­zie­rungs­ver­mittlerin eine "Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­gebühr" in Höhe von 3.560,- DM und ausweislich Punkt 5 die Wohnungs­ver­mittlerin eine "Courtage" in Höhe von 5.089,- DM erhalten. Dies entspricht einer Provision von insgesamt 5,86 % der Kaufpreissumme, nämlich 2,41 % Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­gebühr für die Finan­zie­rungs­ver­mittlerin und 3,45 % Courtage für die Wohnungs­ver­mittlerin.

Klägerin verlangt Schadensersatz aufgrund vorver­trag­licher Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von den Beklagten die Rückabwicklung des kredit­fi­nan­zierten Kaufs der Eigen­tums­wohnung; sie begehrt unter anderem die Rückzahlung geleisteter Zinsen sowie die Feststellung, dass aus den Darle­hens­ver­trägen keine Zahlungs­ansprüche bestehen und dass ihr die Beklagten den gesamten Schaden zu ersetzen haben. Sie stützt sich dabei insbesondere auf einen Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen vorver­trag­licher Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungs­gericht hat dem Zahlungs­be­gehren - unter Abzug der von der Klägerin erlangten Mietpoolaus­schüt­tungen und Steuervorteile - in Höhe von 11.616,64 € nebst Zinsen teilweise, den Feststel­lungs­an­trägen vollumfänglich stattgegeben.

Bank klärt trotz bestehenden Wissens­vor­sprungs nicht über arglistige Täuschung auf

Das Berufungs­gericht ist nach Durchführung einer Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagten der Klägerin schaden­s­er­satz­pflichtig sind, weil sie sie trotz eines insoweit bestehenden Wissens­vor­sprungs nicht über eine arglistige Täuschung aufgeklärt haben. Die Klägerin ist nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts vom Vertrieb arglistig über die Höhe der an die beiden im Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag genannten Vermitt­ler­firmen fließenden Provisionen getäuscht worden. Durch Gestaltung und Ausfüllung des Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrags habe der Vertrieb bei der Klägerin bewusst die falsche Vorstellung erzeugt, die beiden in dem Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag genannten Vermitt­ler­firmen erhielten nur die dort genannten Provisionen. Dies entsprach jedoch nach den Feststellungen des Berufungs­ge­richts nicht der Wahrheit. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erhielten die beiden im Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag genannten Vermittlerinnen nicht nur Vertrie­b­spro­vi­sionen in Höhe von insgesamt 5,86 % der Kaufpreissumme, sondern tatsächlich mindestens 15 %. Da die Beklagten mit dem Vertrieb in insti­tu­ti­o­na­li­sierter Weise zusam­men­ge­ar­beitet hatten, hat das Berufungs­gericht angenommen, dass ihnen diese arglistige Täuschung bekannt gewesen ist. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

Bewusste Erzeugung unzutreffender Vorstellungen mit Hilfe des Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrags

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil bestätigt. Er hat insbesondere die dem Berufungsurteil zugrunde liegende Auslegung des Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrags bestätigt, nach welcher die dort im Einzelnen ausgewiesenen Vertrie­b­spro­vi­sionen als Gesamt­pro­vi­sionen zu verstehen seien, zu denen die Vermittlerinnen die Vermittlung insgesamt durchführen sollten. Diese Auslegung ist angesichts des in dem formularmäßigen Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag ausdrücklich enthaltenen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4. und 5. der Aufstellung benannten Vermitt­lungs­firmen zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, vertretbar und der Bundes­ge­richtshof hat sie nun für zutreffend erklärt. Er konnte den Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag selbst auslegen, weil gleichlautende Formulare bundesweit verwendet worden sind. Auf der Grundlage dieser Auslegung ist das Berufungs­gericht in rechts­feh­ler­freier tatrich­ter­licher Würdigung zu dem Ergebnis gelangt, bei der Klägerin sei mit Hilfe des Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrags bewusst die unzutreffende Vorstellung erzeugt worden, die beiden genannten Firmen erhielten für die Vermittlung der Wohnung und der Finanzierung insgesamt lediglich die im Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag ausgewiesenen Provisionen, obwohl sie – wie das Berufungs­gericht aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt hat – tatsächlich eine fast drei Mal so hohe Vermitt­lungs­pro­vision erhalten sollten.

Im Zusammenhang mit Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag stehende arglistige Täuschung über Höhe der Vertrie­b­spro­vi­sionen ist zu bejahen

Da gleichlautende Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­aufträge bei den von den Beklagten finanzierten Erwer­bs­vor­gängen vielfach verwendet worden sind, hat das Urteil über den Fall hinausgehende Bedeutung. Mit dem jetzigen Urteil hat der Bundes­ge­richtshof entschieden, dass bei entsprechenden tatrich­ter­lichen Feststellungen eine im Zusammenhang mit einem solchen Objekt- und Finan­zie­rungs­ver­mitt­lungs­auftrag stehende arglistige Täuschung eines Erwerbers über die Höhe der Vertrie­b­spro­vi­sionen zu bejahen ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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