21.11.2024
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Sie sehen einen Gerichtshammer, der auf verschiedenen Geldscheinen liegt.

Dokument-Nr. 5662

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Urteil26.02.2008BundesgerichtshofXI ZR 74/06
Vorinstanzen:
  • Landgericht Bremen, Urteil12.05.2005, 8 O 2272/02
  • Oberlandesgericht Bremen, Urteil06.04.2006, 2 U 20/02
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.02.2008

BGH entscheidet zum Schaden­s­er­satz­an­spruch wegen unterbliebener Wider­rufs­be­lehrung nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz bei sogenannten "Schrot­tim­mo­bilien"

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass Anleger Anspruch auf Schadenersatz haben können, wenn sie durch falsche Angaben etwa über die erzielbaren Mieteinnahmen getäuscht wurden.

Die Klägerin, eine kleinere Volksbank in Baden-Württemberg, verlangt die Rückzahlung eines durch eine Grundschuld gesicherten Annui­tä­ten­da­r­lehens, das der Beklagte zur Finanzierung des Erwerbs eines Appartements in einem so genannten Boarding-House in der Nähe von Stuttgart aufgenommen hat. Der in Bremen wohnhafte Beklagte wurde im Jahre 1992 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital ein Appartement in dem von einer Pächterin hotelähnlich betriebenen Boarding-House zu erwerben. Nach Abschluss des Kaufvertrages mit der Bauträgerin schloss er wie zahlreiche andere Käufer von Appartements mit der Klägerin im Oktober 1992 einen Darle­hens­vertrag über rd. 143.000 DM ab, der eine Widerrufsbelehrung nach dem Verbrau­cher­kre­dit­gesetz, nicht aber eine solche nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz enthielt. Die Pächterin wurde bereits fünf Monate nach Eröffnung des Boarding-Houses insolvent, die Bauträgerin zwei Jahre später. Als der Beklagte mit den Annuitätenraten in Verzug geriet, kündigte die Klägerin das Darlehen und forderte die Zahlung von rd. 145.000 DM. Der Beklagte widerrief im Jahre 2001 seine Darle­hens­ver­trags­er­klärung nach dem Haustür­wi­der­rufs­gesetz.

Das Landgericht hat der Zahlungsklage der Volksbank stattgegeben, das Berufungs­gericht hat sie abgewiesen. Nach Aufhebung des Berufungs­urteils durch den Bundes­ge­richtshof (XI ZR 37/03, WM 2004, 620) hat das Berufungs­gericht dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mehrere Fragen zur Auslegung der EG-Haustür­ge­schäf­te­richtlinie vorgelegt (OLG Bremen WM 2004, 1628). Nach deren Beantwortung (EuGH WM 2005, 2086 = Europäischer Gerichtshof, Urteil v. 25.10.2005 - C-350/03 und C-229/04 -) hat das Berufungs­gericht (WM 2006, 758) die Klage erneut abgewiesen, die Revision aber zugelassen.

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an einen anderen Senat des Berufungs­ge­richts zurückverwiesen.

Das Berufungs­gericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass ein Schaden­s­er­satz­an­spruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Wider­rufs­be­lehrung gemäß § 2 HWiG auch dann gegeben sein kann, wenn - wie hier - die Haustür­si­tuation nicht bei Vertrags­ab­schluss, sondern nur bei dessen Anbahnung vorgelegen hat. Anders als das Berufungs­gericht gemeint hat, setzt der Schaden­s­er­satz­an­spruch aber voraus, dass die finanzierende Bank ein Verschulden trifft und der Kapitalanleger seine auf den Abschluss des Darle­hens­ver­trages gerichtete Willen­s­er­klärung bei ordnungsgemäßer Belehrung über sein Widerrufsrecht auch tatsächlich widerrufen hätte; eine (widerlegliche) tatsächliche Vermutung für die Ausübung des Widerrufsrechts besteht nicht. Dies gilt auch dann, wenn der mit dem Darlehen finanzierte Kaufvertrag nicht wirksam zustande gekommen sein sollte. Ohne einen Widerruf bleibt der Kapitalanleger an den Darle­hens­vertrag gebunden und zu seiner Erfüllung verpflichtet, ohne der Bank die Unwirksamkeit des Kaufvertrages entgegenhalten zu können.

Im zur Entscheidung stehenden Fall kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Schaden­s­er­satz­an­spruchs noch nicht abschließend beurteilt werden. Vielmehr wird das Berufungs­gericht nach Zurück­ver­weisung der Sache die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Hierbei wird es möglicherweise auch nochmals einen Schaden­s­er­satz­an­spruch des Beklagten wegen einer Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung der Klägerin infolge Wissens­vor­sprungs über eine arglistige Täuschung des Beklagten durch evident unrichtige Angaben des Vermittlers oder Verkäufers zur angeblich mit dem Appartement erzielbaren Miete prüfen müssen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 37/2008 des BGH vom 26.02.2008

der Leitsatz

BGB §§ 171, 172, 276 Abs. 1, § 311 Abs. 2

HWiG § 2 (in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung)

a) Ist die Vollmacht des Treuhänders eines Steuer­spa­r­modells wegen Verstoßes gegen das Rechts­be­ra­tungs­gesetz nichtig, kann sich der Verkäufer des Modells auch dann gegenüber dem Käufer auf den Gutglau­bens­schutz nach §§ 171, 172 BGB berufen, wenn er das Erwerbsmodell initiiert und konzipiert sowie den Treuhänder ausgesucht hat.

b) Ein Schaden­s­er­satz­an­spruch aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unterbliebener Wider­rufs­be­lehrung gemäß § 2 HWiG kommt auch dann in Betracht, wenn die Haustür­si­tuation nicht bei Vertrags­ab­schluss, sondern nur bei dessen Anbahnung vorgelegen hat.

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