18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil04.09.2018

Flugreisenden kann auch bei Annullierung eines Flugs wegen Streiks an Passa­gier­kon­trollen Anspruch auf Ausgleichs­zahlung zustehenLuft­verkehrs­unternehmen kann Annullierung eines Flugs ohne tatsächliche Anhaltspunkte für konkretes Sicher­heits­risiko nicht mit Sicher­heits­be­denken rechtfertigen.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass den Passagieren eines annullierten Flugs auch dann ein Anspruch auf Ausgleichs­zahlung zustehen kann, wenn die Passa­gier­kon­trollen am Startflughafen bestreikt wurden und deshalb nicht gewährleistet war, dass alle Passagiere den Flug erreichen konnten.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls und seine Ehefrau buchten bei dem beklagten Luftver­kehrs­un­ter­nehmen für den 9. Februar 2015 einen Flug von Hamburg nach Lanzarote. Die Beklagte annullierte den Flug und überführte das Flugzeug ohne Passagiere zum Zielort, weil an jenem Tag die Passa­gier­kon­trollen am Hamburger Flughafen bestreikt wurden. Der Kläger verlangt unter anderem Ausgleichs­zah­lungen nach der Fluggastrechteverordnung.

Berufungs­gericht verweist auf außer­ge­wöhnliche Umstände

Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungs­gericht hatte entschieden, dass die Annullierung auf außer­ge­wöhnliche Umstände zurückgegangen sei, weil von den massiven Störungen im Bereich vor den Kontrollstellen auch zahlreiche Passagiere des Flugs nach Lanzarote betroffen gewesen seien, die nicht (rechtzeitig) hätten kontrolliert werden können. Außerdem habe ein Sicher­heits­risiko bestanden. Der wachsende Andrang an den geöffneten Kontrollpunkten habe die Gefahr begründet, dass die Passa­gier­kon­trollen nicht mit der gewöhnlichen Sorgfalt durchgeführt würden.

Ausstand der Beschäftigten der Passa­gier­kon­troll­stellen kann grundsätzlich außer­ge­wöhnliche Umstände begründen

Auf die Revision des Klägers hob der Bundes­ge­richtshof das Berufungsurteil auf und wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Nach dem Urteil des Bundes­ge­richtshofs sei ein Ausstand der Beschäftigten der Passa­gier­kon­troll­stellen zwar grundsätzlich geeignet, außer­ge­wöhnliche Umstände zu begründen, die ein Luftver­kehrs­un­ter­nehmen von der Verpflichtung zur Leistung einer Ausgleichs­zahlung an die von der Annullierung betroffenen Fluggäste befreien können, dies setze nach der Flugga­st­rech­te­ver­ordnung jedoch voraus, dass sich die Folgen des Ausstands nicht mit zumutbaren Maßnahmen abwenden lassen und diese Folgen die Absage des Flugs notwendig machen würden.

Die getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme nicht.

Nicht rechtzeitiges Passieren der Sicher­heits­kon­trollen muss nicht zwingend Annullierung zur Folge haben

Die Beklagte sei nicht allein deshalb zur Annullierung gezwungen gewesen, weil zahlreiche Passagiere des gebuchten Flugs die Sicher­heits­kon­trollen nicht rechtzeitig haben passieren können. Dass streikbedingt kein einziger Fluggast den Flug zum vorgesehenen Zeitpunkt hätte wahrnehmen können, habe das Berufungs­gericht nicht festgestellt.

Kontrolle der Fluggäste und des Gepäcks ist Sache der zuständigen Luftsi­cher­heits­behörde

Die Annullierung sei auch nicht deswegen auf außer­ge­wöhnliche Umstände zurückgegangen, weil die abstrakte Gefahr bestanden habe, dass die Überprüfung der Fluggäste wegen des starken Andrangs auf nur wenige Kontrollstellen nicht mit der gebotenen Sorgfalt durchgeführt worden sein könnte. Die Kontrolle der Fluggäste und ihres Gepäcks auf Gefahren für die Sicherheit des Flugverkehrs sei Sache der zuständigen Luftsi­cher­heits­behörde und der zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben bestellten Personen. Jedenfalls ohne tatsächliche Anhaltspunkte für ein konkretes Sicher­heits­risiko könne ein Luftver­kehrs­un­ter­nehmen die Annullierung eines Flugs daher nicht mit Sicher­heits­be­denken rechtfertigen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Erläuterungen

Annullierung

Annullierung '>

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen [...]

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichs­leis­tungen gemäß Art. 7 eingeräumt [...].

(3) Ein ausführendes Luftfahrt­un­ter­nehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichs­zah­lungen gemäß Art. 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außer­ge­wöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Art. 7 Flugga­st­rechteVO - Ausgleichs­an­spruch

(1) 1 Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichs­zah­lungen in folgender Höhe: [...]

b) 400 € bei allen inner­ge­mein­schaft­lichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km [...].

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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