18.10.2024
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Amtsgericht Hannover Urteil09.02.2017

Kein Ausgleichs­an­spruch aufgrund Flugverspätung wegen "Wilden Streiks"Flugge­sell­schaft kann sich erfolgreich auf außer­ge­wöhn­lichen Umstand berufen

Ist eine Flugge­sell­schaft von einem "Wilden Streik" in Form von massenhaften Krankmeldungen betroffen, so kann sie sich auf außer­ge­wöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 der Fluggast­rechte­verordnung (VO) berufen. In diesem Fall rechtfertigt eine Flugverspätung keine Ausgleichs­ansprüche nach Art. 7 VO. Dies hat das Amtsgericht Hannover entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall konnte ein Flug von Düsseldorf nach Rhodos im Oktober 2016 nicht wie geplant starten, da die Flugge­sell­schaft von massiven Krankmeldungen durch das Cockpit-Personal und das Kabinenpersonal betroffen war. Hintergrund des "Wilden Streiks" waren die von der Belegschaft kritisierten Umstruk­tu­rie­rungspläne der Flugge­sell­schaft. Ein Fluggast des betroffenen Fluges konnte mit seiner Familie Rhodos schließlich mit einigen Stunden Verspätung erreichen, da die Flugge­sell­schaft nach Bekanntwerden des "Wilden Streiks" den Flugplan änderte und sofort Sub-Charter bei anderen Airlines in Anspruch nahm. Aufgrund der Verspätung klagte der Fluggast auf Ausgleichszahlung. Die Flugge­sell­schaft berief sich auf außer­ge­wöhnliche Umstände.

Kein Anspruch auf Ausgleichs­zahlung

Das Amtsgericht Hannover entschied gegen den Fluggast. Diesem stehe kein Anspruch auf Ausgleichs­zahlung nach Art. 7 VO zu. Denn die Flugge­sell­schaft könne sich auf außer­ge­wöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 VO stützen.

"Wilder Streik" stellt außer­ge­wöhn­lichen Umstand dar

Zwar stellen Krankmeldungen per se in der Regel keine außer­ge­wöhn­lichen Umstände dar, so das Amtsgericht. Anders liege der Fall aber bei einer massenhaften Krankmeldung. Der spontane Ausfall einer großen Zahl von Personal stelle unzweifelhaft einen außer­ge­wöhn­lichen Umstand dar. Dies sei vergleichbar mit dem ein Luftfahrt­un­ter­nehmen treffenden Streik, wobei ein solcher von der Flugge­sell­schaft noch besser verkraftet werden könne, als eine Epidemie gleichende Masse­n­er­krankung von "heute auf morgen". Das Gericht gab zudem zu bedenken, dass durch den "Wilden Streik" eine Vielzahl, möglicherweise sogar sämtliche Flugzeuge der Flugge­sell­schaft betroffen sein können und damit die Anzahl der betroffenen Fluggäste 10.000 weit übersteigen dürfte. Dies hätte zur Folge, dass Ausgleichs­zah­lungen in Millionenhöhe geschuldet wären, ohne dass der Flugge­sell­schaft ein berechtigter Schuldvorwurf gemacht werden könne. Dies könne vom Verord­nungsgeber nicht gewollt sein.

Ergreifen zumutbarer Maßnahmen zur Vermeidung einer Verspätung

Die Flugge­sell­schaft habe nach Auffassung des Amtsgerichts alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine Verspätung zu vermeiden oder wenigstens so gering wie möglich zu halten. Dabei sei zu beachten, dass nicht ein einzelner Flug betroffen war, sondern der gesamte Flugplan. Es stehe keinem Gericht oder Sachver­ständigen nachträglich zu, Feststellungen dazu zu treffen, ob der eine oder andere Flug anders oder pünktlicher als geschehen, hätte durchgeführt werden können. Die Flugge­sell­schaft habe darüber hinaus nicht auf die Wünsche und Anliegen ihrer Mitarbeiter eingehen müssen, um den "Wilden Streik" zu vermeiden oder kurzfristig zu beenden.

Quelle: Amtsgericht Hannover, ra-online (vt/rb)

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