23.11.2024
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Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil03.03.2017

"Wilder Streik": Flugverspätung aufgrund massenhafter fingierter Krankmeldungen des Personals begründet Ausgleichs­ansprüche der FluggästeFlugge­sell­schaft kann sich nicht auf außer­ge­wöhnliche Umstände berufen

Kommt es zu einer Flugverspätung, weil massenhaft Personal eine Arbeits­un­fä­higkeit vortäuscht ("Wilder Streik"), liegt kein außer­ge­wöhn­licher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Flug­gast­rechte­verordnung (VO) vor. Den von der Verspätung betroffenen Fluggästen steht damit eine Ausgleichs­zahlung nach Art. 7 VO zu. Dies hat das Amtsgericht Frankfurt a.M. entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall musste ein Flug von Frankfurt a.M. nach Fuerteventura im Oktober 2016 um einen Tag verschoben werden, da sich Cockpit- und Kabinenpersonal in Scharen unter Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit krankmeldeten und nicht zur Arbeit erschienen. Hintergrund dessen war, dass das Personal eine von der Flugge­sell­schaft geplante Umstruk­tu­rierung verhindern wollte. Aufgrund der erheblichen Ankunfts­ver­spätung des Fluges machten zwei Fluggäste mit einer Klage Ausgleichs­zah­lungen geltend. Die beklagte Flugge­sell­schaft weigerte sich zu zahlen, da sie sich auf außer­ge­wöhnliche Umstände berief.

Anspruch auf Ausgleichs­zahlung

Das Amtsgericht Frankfurt a.M. entschied zu Gunsten der Kläger. Ihnen stehe nach Art. 7 VO ein Anspruch auf Ausgleichszahlung zu. Auf außer­ge­wöhnliche Umstände habe sich die Beklagte nicht berufen können.

Unerwarteter Personalausfall begründet keinen außer­ge­wöhn­lichen Umstand

Nach Auffassung des Amtsgerichts begründe ein unerwarteter Ausfall von Personal keinen außer­ge­wöhn­lichen Umstand. Dadurch verwirkliche sich vielmehr das Unter­neh­mer­risiko. Die ganz gravierende Fehlein­schätzung des eigenen Personals in Sachen Vertragstreue, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit und Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber treffe den ureigenen Verant­wor­tungs­bereich des Unternehmers und dessen Betrie­bs­or­ga­ni­sation. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Verordnung dieses Unter­neh­mer­risiko auf die Fluggäste verlagern wolle. Die Beklagte könne den für den massenhaften Arbeitsausfall Verant­wort­lichen in Regress nehmen. Auch die Massivität und die Unvor­her­seh­barkeit des Perso­na­l­ausfalls ändere nichts an der Beurteilung. Denn nicht jeder Umstand, der den Arbeitgeber überrascht, sei ein außer­ge­wöhn­licher Umstand.

"Wilder Streik" nicht gleichzusetzen mit Streik als Arbeits­kampf­maßnahme

Zwar könne ein Streik als Arbeits­kampf­maßnahme einen außer­ge­wöhn­lichen Umstand begründen, so das Amtsgericht. Ein solcher habe hier hingegen nicht vorgelegen. Die massenhafte Vortäuschung von Arbeits­un­fä­higkeit sei keine legale, durch einen Aufruf von Arbeit­neh­mer­ver­tre­tungen initiierte Arbeits­kampf­maßnahme und mit einer solchen auch nicht gleichzusetzen.

Quelle: Amtsgericht Frankfurt a.M., ra-online (zt/RRa 2017, 129/rb)

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