18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Häuserfassade mit einem Balkonkasten.

Dokument-Nr. 20501

Drucken
Urteil21.01.2015BundesgerichtshofVIII ZR 51/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2015, 315Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2015, Seite: 315
  • jM 2015, 159 (Gero Schneider)juris - Die Monatszeitschrift (jM), Jahrgang: 2015, Seite: 159, Entscheidungsbesprechung von Gero Schneider
  • MDR 2015, 328Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 328
  • WuM 2015, 240Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2015, Seite: 240
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Hamburg-St. Georg, Urteil31.05.2013, 920 C 16/13
  • Landgericht Hamburg, Urteil16.01.2014, 334 S 37/13
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil21.01.2015

Vereitelung des Vorkaufsrechts: Mieter kann Schadensersatz in Höhe des ihm entgangenen Gewinns beanspruchenMieter müssen rechtzeitig vom Verkauf der Wohnung informiert werden, um von günstigem Kaufpreis profitieren zu können

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass einem Mieter wegen der Vereitelung seines gesetzlichen Vorkaufsrechts (§ 577 BGB*) ein Schadens­ersatz­anspruch in Höhe des ihm entgangenen Gewinns zustehen kann.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist seit 1992 Mieterin einer Wohnung in einem Mehrfa­mi­li­enhaus in Hamburg, die Beklagte ist durch Eigentumserwerb in den Mietvertrag eingetreten. Zwischen den Parteien steht im Streit, ob vor oder nach Mietbeginn an den sieben Wohnungen des Hauses Wohnungs­ei­gentum begründet worden ist. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17. Mai 2011 veräußerte die Beklagte sämtliche Eigen­tums­woh­nungen zum Gesamtpreis von rund 1,3 Mio Euro an einen Dritten. Dieser wurde am 18. Juli 2011 als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Die Klägerin wurde von der Beklagten weder vom Kaufver­trags­ab­schluss unterrichtet noch auf ein Vorkaufsrecht hingewiesen.

Klägerin beanstandet Vereitelung ihres gesetzlichen Vorkaufsrechts

Am 12. Januar 2012 bot der neue Eigentümer der Klägerin die von ihr bewohnte Wohnung zum Preis von 266.250 Euro zum Kauf an. Sie macht geltend, die Beklagte habe durch die unterlassene rechtzeitige Unterrichtung von dem Verkauf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht vereitelt und sei daher zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Bei Ausübung des Vorkaufsrechts hätte sie die Wohnung, die einen Verkehrswert von 266.250 Euro aufweise, zu einem Kaufpreis von (nur) 186.571 Euro - auf ihre Wohnung entfallender Anteil an dem gezahlten Gesamtkaufpreis - erwerben und dadurch einen Gewinn von 79.428,75 Euro erzielen können.

Vorinstanzen verneinen Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Amtsgericht hat die auf Zahlung dieses Betrags (nebst Zinsen) gerichtete Klage abgewiesen, die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungs­gericht hat den geltend gemachten Schaden als nicht mehr vom Schutzzweck des § 577 BGB gedeckt angesehen. Die Differenz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis sei nur ersatzfähig, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht ausgeübt habe und der Vermieter anschließend den dadurch zustande gekommenen Kaufvertrag nicht erfülle, sondern die Wohnung an den Drittkäufer übereigne. Die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits an das Berufungs­gericht.

BGH bejaht Schaden­s­er­satz­an­spruch

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass dem Mieter nicht nur in den vom Berufungs­gericht angenommenen Fällen der Vereitelung eines bereits ausgeübten Vorkaufsrechts, sondern auch dann ein Anspruch auf Ersatz der Differenz zwischen dem Verkehrswert der Wohnung und dem mit dem Dritten vereinbarten Kaufpreis - abzüglich ersparter Kosten - als Erfül­lungs­schaden zustehen kann, wenn der Mieter infolge einer Verletzung der den Vermieter treffenden Mittei­lungs­pflichten aus § 577 Abs. 1 Satz 3, § 469 Abs. 1 Satz 1** BGB, § 577 Abs. 2 BGB vom Inhalt des Kaufvertrags und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung an den Dritten Kenntnis erlangt und aus diesen Gründen von der Ausübung des Vorkaufsrechts absieht.

Ausübung des Vorkaufsrechts bei bereits abgeschlossenem Kaufvertrag mit Drittem nicht mehr durchführbar

Die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalls und die Belehrung über die Vorkaufs­be­rech­tigung sollen den Mieter in die Lage versetzen, sein Vorkaufsrecht auszuüben und damit einen Anspruch auf Übereignung der Wohnung zu begründen. Erhält der Mieter diese Informationen erst zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kaufvertrag mit dem Drittkäufer schon abgewickelt worden ist, steht zu vermuten, dass der Vermieter die nicht mehr in seinem Eigentum stehende Wohnung nicht an den Mieter übereignen kann. In einem solchen Fall ist vom Mieter nicht zu verlangen, dass er zunächst das Vorkaufsrecht ausübt, um hierdurch einen Kaufvertrag mit dem Vermieter zustande zu bringen, den dieser von vornherein nicht erfüllen kann. Vielmehr kann der Mieter dann unmittelbar Ersatz des Erfül­lungs­schadens - hier entgangener Gewinn - begehren, der ihm bei Ausübung des Vorkaufsrechts entstanden wäre.

Eingeschränkter Schutzzweck des Vorkaufsrechts steht Erstat­tungs­fä­higkeit des Schadens nicht entgegen

Der Erstat­tungs­fä­higkeit eines solchen Schadens steht - anders als vom Berufungs­gericht angenommen - auch nicht ein eingeschränkter Schutzzweck des Vorkaufsrechts nach § 577 BGB entgegen. Denn der Gesetzgeber verfolgte mit dieser Regelung nicht nur die Absicht, den Mieter vor einer Verdrängung durch Drittkäufer zu schützen, sondern wollte ihm auch die Möglichkeit eröffnen, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter zu zahlen bereit ist, und ihn damit an den von diesem ausgehandelten günstigen Konditionen teilhaben lassen.

Der Rechtsstreit war an das Berufungs­gericht zurück­zu­ver­weisen, da dieses nicht alle für eine abschließende Entscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat.

* § 577 Vorkaufsrecht des Mieters

Erläuterungen
(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungs­ei­gentum begründet worden ist oder begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt. [...]

(2) Die Mitteilung des Verkäufers oder des Dritten über den Inhalt des Kaufvertrags ist mit einer Unterrichtung des Mieters über sein Vorkaufsrecht zu verbinden.

** § 469 Mittei­lungs­pflicht, Ausübungsfrist

(1) Der Verpflichtete hat dem Vorkaufs­be­rech­tigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen. Die Mitteilung des Verpflichteten wird durch die Mitteilung des Dritten ersetzt.

(2) Das Vorkaufsrecht kann bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von zwei Monaten, bei anderen Gegenständen nur bis zum Ablauf einer Woche nach dem Empfang der Mitteilung ausgeübt werden. Ist für die Ausübung eine Frist bestimmt, so tritt diese an die Stelle der gesetzlichen Frist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil20501

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI