21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen eine Häuserfassade mit einem Balkonkasten.

Dokument-Nr. 17236

Drucken
Urteil22.11.2013BundesgerichtshofV ZR 96/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DNotZ 2014, 218Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2014, Seite: 218
  • GE 2014, 182Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2014, Seite: 182
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen:
  • Landgericht Essen, Urteil09.06.2011, 3 O 11/11
  • Oberlandesgericht Hamm, Urteil30.03.2012, I-30 U 126/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.11.2013

BGH zum Vorkaufsrecht des Mieters bei dem Verkauf eines ungeteilten MietshausesKein Vorkaufsrecht für Mieter bei Begründung von Wohneigentum erst durch neue Erwerber eines Hauses

Das Vorkaufsrecht des Mieters entsteht gemäß § 577 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht, wenn ein mit einem Mehrfa­mi­li­enhaus bebautes Grundstück verkauft wird und erst die Erwerber durch Teilungs­vereinbarung gemäß § 3 WEG Wohnungs­ei­gentum begründen. Das gilt in der Regel auch dann, wenn die Erwerber beabsichtigen, die neu geschaffenen Einheiten jeweils selbst zu nutzen (so genanntes "Erwerbermodell"). Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Verfahren war die Beklagte Eigentümerin eines mit einem Mehrfa­mi­li­enhaus bebauten Grundstücks. Eine der vier in dem Gebäude vorhandenen Wohnungen vermietete sie an die Klägerin. Nachdem das zuständige Landratsamt die Abgeschlos­sen­heits­be­schei­nigung erteilt hatte, verkaufte die Beklagte den ungeteilten Grundbesitz am 11. März 2009 an drei Erwerber zum Preis von 120.000 Euro. Diese ließen noch am gleichen Tag und bei demselben Notar eine Teilungs­ver­ein­barung gemäß § 3 WEG beurkunden.

Mieter macht gegenüber ehemaligem Hauseigentümer Vorver­kaufsrecht geltend

Mit Erklärung vom 14. März 2011 übte die Klägerin gegenüber der Beklagten das auf § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB* gestützte Vorkaufsrecht aus. Mit ihrer Klage will sie feststellen lassen, dass zwischen ihr und der Beklagten ein Kaufvertrag über die von ihr gemietete Wohnung zum Preis von 30.000 Euro zustande gekommen ist. Landgericht und Oberlan­des­gericht haben die Klage abgewiesen.

Vorkaufsrecht entsteht nur bei Beauftragung der Teilungs­ver­ein­ba­rungen durch Veräußerer

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Er hat entschieden, dass das Vorkaufsrecht bei dem Verkauf eines ungeteilten Grundstücks vor Begründung des Wohnungs­ei­gentums im Grundsatz nur dann entsteht, wenn sich der Veräußerer gegenüber den Erwerbern vertraglich verpflichtet, seinerseits die Aufteilung gemäß § 8 WEG durchzuführen. Darüber hinaus muss die von dem Vorkaufsrecht erfasste zukünftige Wohnungs­ei­gen­tum­s­einheit in dem Vertrag bereits hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Dagegen ist es regelmäßig nicht ausreichend, wenn - wie hier - die Erwerber die Teilung durchführen.

Nur Verpflichtung des Verkäufers zur Vornahme der Aufteilung stellt tatsächlich möglichen Erwerb von Wohnungs­ei­gentum für Mieter sicher

Das Vorkaufsrecht gemäß § 577 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB soll nämlich nicht zum Erwerb des gesamten Grundstücks berechtigen. Der Mieter soll auch keinen bloßen Mitei­gen­tums­anteil, sondern das in seiner Entstehung bereits angelegte Eigentum an der von ihm gemieteten Wohnung erwerben können. Weil das Vorkaufsrecht einen Vertrag zwischen dem Mieter und dem Verkäufer nach den Bedingungen des mit den Erwerbern geschlossenen Kaufvertrags entstehen lässt, muss sich der Verkäufer gegenüber den Erwerbern verpflichtetet haben, die Aufteilung vorzunehmen. Nur dann ist sichergestellt, dass der Mieter tatsächlich Wohnungs­ei­gentum erwerben kann. Bei einer Aufteilung durch die Erwerber ist dies nicht gewährleistet. Wollte man auch hier ein Vorkaufsrecht annehmen, könnte der Mieter zunächst allenfalls einen Mitei­gen­tums­anteil an dem ungeteilten Grundbesitz erwerben. In eine Teilungs­ver­ein­barung der Erwerber träte er aus Rechtsgründen nicht ein. Folglich könnten die Erwerber ihre Auftei­lungs­absicht aufgeben, ohne dass der Mieter dies verhindern könnte; dies wäre für ihn mit ganz erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken verbunden. Die Gefahr einer Verdrängung des Mieters ist bei dem Erwerbermodell im Übrigen inzwischen vermindert worden, weil der Gesetzgeber die Sperre für die Kündigung wegen Eigenbedarfs durch die am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Vorschrift des § 577 a Abs. 1a BGB* auf die Veräußerung an eine Erwer­ber­mehrheit erstreckt hat.

Bewusster Verzicht auf Teilung durch Veräußerer zum Ausschluss eines Vorkaufsrechts stellt Rechts­miss­brauch dar

Im Einzelfall kann das Vorkaufsrecht allerdings entstehen, wenn ein Rechts­miss­brauch festzustellen ist. Dies setzt voraus, dass die Parteien des Kaufvertrags nur zur Ausschaltung des Vorkaufsrechts bewusst auf eine an sich beabsichtigte Teilung durch den Veräußerer verzichten und die Teilung den Erwerbern überlassen. Hier hat das Berufungs­gericht jedoch festgestellt, dass die Verkäuferin über die bloße Kenntnis von der Absicht der Erwerber hinaus kein eigenes Interesse an der Aufteilung hatte; ihre Kenntnis - so nun der Bundes­ge­richtshof - reicht als solche nicht aus, um einen Rechtmissbrauch anzunehmen.

*§ 577 Vorkaufsrecht des Mieters

(1) Werden vermietete Wohnräume, an denen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungs­ei­gentum [...] begründet werden soll, an einen Dritten verkauft, so ist der Mieter zum Vorkauf berechtigt.

* § 577 a Kündi­gungs­be­schränkung bei Wohnungs­um­wandlung

1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungs­ei­gentum begründet und das Wohnungs­ei­gentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen.

(1a) Die Kündi­gungs­be­schränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter

1. an eine Perso­nen­ge­sell­schaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist [...]

(2) Die Frist nach Absatz 1 oder nach Absatz 1a beträgt bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 2 bestimmt sind [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil17236

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI