23.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil24.01.2017

BGH zur kartell­recht­lichen Entgelt­kon­trolle im Streit zwischen Vodafone Kabel Deutschland und TelekomEntgelt für Mitbenutzung von Kabel­ka­na­l­anlagen

Der Bundes­ge­richtshof hatte über einen Streit zwischen Vodafone Kabel Deutschland und Telekom um Mietkosten für Kabel­ka­na­l­anlagen zu entscheiden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, die Vodafone Kabel Deutschland GmbH, betreibt in den meisten deutschen Bundesländern Breit­band­ka­belnetze, über die sie ihren Kunden Fernsehen und Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leis­tungen anbietet. Ursprünglich wurden diese Netze von der Deutschen Telekom AG betrieben. Mit Rücksicht auf unions­rechtliche Vorgaben brachte diese das Breit­band­ka­bel­ge­schäft in eine Tochter­ge­sell­schaft ein, die sodann in mehrere Regio­nal­ge­sell­schaften aufgespalten wurde. Die Klägerin erwarb 2003 von der Beklagten, der Telekom Deutschland GmbH, eine Reihe dieser Regio­nal­ge­sell­schaften. Gegenstand des Erwerbs war auch das Anlagevermögen, das im Wesentlichen aus den Breit­band­ka­bel­netzen bestand, dagegen blieben die Kabel­ka­na­l­anlagen, in denen die Breitbandkabel liegen, Eigentum der Beklagten. Die Breitbandkabel verblieben in den Kabel­ka­na­l­anlagen der Beklagten. Die Parteien schlossen hierzu Mietverträge, die bestimmte Entgelte für die Befugnis zur Mitbenutzung der Kabel­ka­na­l­anlagen vorsehen. Diese Entgelte, jährlich rund 100 Millionen Euro, wurden in der Vergangenheit von der Klägerin bezahlt.

Sachverhalt

Die Beklagte unterliegt hinsichtlich des Zugangs zu den Teilneh­me­r­an­schluss­lei­tungen, der sogenannten "letzten Meile", der Regulierung nach dem Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­gesetz. Die Bundes­netz­agentur hat der Beklagten aufgegeben, den Wettbewerbern auf dem Gebiet von Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­dienst­leis­tungen Zugang zu ihren Kabel­ka­na­l­anlagen zu gewähren und das Entgelt für die Überlassung eines Viertels eines Kabelkanalrohrs im Jahr 2010 auf 1,44 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt. Die entsprechende Verfügung wurde angefochten und ist nicht bestandskräftig. In einer weiteren, ebenfalls nicht bestands­kräftigen Verfügung der Bundes­netz­agentur vom November 2011 wurde das Entgelt auf 1,08 Euro pro Meter und Jahr festgesetzt.

Klägerin rügt Missbrauch der markt­be­herr­schenden Stellung seitens der Beklagten

Die Klägerin macht geltend, der Vergleich des regulierten Entgelts mit der von ihr nach den Mietverträgen zu zahlenden Vergütung, die 3,41 Euro pro Meter und Jahr betrage, zeige, dass diese deutlich überhöht sei. Da sie keine Möglichkeiten habe, die Breitbandkabel anderweitig unterzubringen, komme der Beklagten eine markt­be­herr­schende Stellung zu, die sie durch die Forderung eines überhöhten Entgelts missbrauche. Die Klägerin fordert die Rückzahlung eines Teils der in der Vergangenheit gezahlten Entgelte und begehrt die Feststellung, dass sie künftig nicht verpflichtet sei, an die Beklagte mehr als einen bestimmten Betrag pro Monat zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Auf die Revision der Klägerin hat der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs diese Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen.

OLG: Beklagten kann kein missbräuch­liches Verhalten zur Last gelegt werden

Das Oberlan­des­gericht nahm an, dass der Beklagten zwar eine beherrschende Stellung auf dem Markt für die Vermietung von Kabel­ka­na­l­anlagen zukomme. Ihr könne jedoch kein missbräuch­liches Verhalten im Sinne von § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 GWB* zur Last gelegt werden, wenn sie die vertraglich vereinbarte Miete von der Klägerin verlange. Zwischen dem Kaufpreis für den Erwerb der Regio­nal­ge­sell­schaften einerseits und den Kosten für die Miete der Kabel­ka­na­l­anlagen andererseits habe ein wirtschaft­licher Zusammenhang bestanden. Deshalb sei es der Klägerin verwehrt, eine Herabsetzung der Miete zu verlangen, denn dies komme wirtschaftlich einer nachträglichen Herabsetzung des Kaufpreises nahe.

BGH weist Sache zur weiteren Sachaufklärung zurück an Berufungs­gericht

Diese Begründung ist nach Auffassung des Bundes­ge­richtshofs nicht tragfähig. Begründet der Erwerb eines langfristig nutzbaren Inves­ti­ti­o­nsguts von einem bestimmten Unternehmen einen spezifischen Bedarf des Erwerbers, den er nur bei diesem Unternehmen befriedigen kann, unterliegen die hierfür geforderten Entgelte grundsätzlich der Missbrauchs­kon­trolle nach § 19 GWB. Sollten die Entgelte überhöht sein, könnte das Zahlungs­ver­langen nicht schon deshalb und zeitlich unbegrenzt als sachlich gerechtfertigt angesehen werden, weil die Mietverträge im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrags über den Erwerb der Regio­nal­ge­sell­schaften durch die Klägerin geschlossen wurden und die Aufwendungen für die Miete der Kabel­ka­na­l­anlagen Auswirkungen auf den Kaufpreis hatten. Für die Frage, ob ein missbräuch­liches Verhalten vorliegt, käme es dann vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an. Dabei können insbesondere die konkreten vertraglichen Absprachen, die Umstände ihres Zustandekommens, aber auch spätere Entwicklungen der Verhältnisse und die Reaktionen der Parteien hierauf Bedeutung erlangen. Die Sache wurde daher zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen.

* § 19 GWB Verbotenes Verhalten von markt­be­herr­schenden Unternehmen

(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer markt­be­herr­schenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

(2) Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein markt­be­herr­schendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblicher Leistungen

1. ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert oder ohne sachlich gerecht­fer­tigten Grund unmittelbar oder mittelbar anders behandelt als gleichartige Unternehmen;

2. Entgelte oder sonstige Geschäfts­be­din­gungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrschein­lichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere Verhal­tens­weisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;

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Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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