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- BGHZ 193, 369Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 193, Seite: 369
- DNotZ 2012, 782Deutsche Notar-Zeitschrift (DNotZ), Jahrgang: 2012, Seite: 782
- FuR 2012, 564Zeitschrift: Familie und Recht (FuR), Jahrgang: 2012, Seite: 564
- JR 2013, 299Zeitschrift: Juristische Rundschau (JR), Jahrgang: 2013, Seite: 299
- JuS 2013, 75Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 75
- JZ 2012, 603Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 603
- MDR 2012, 1099Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 1099
- NJW 2012, 3097Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 3097
- WM 2013, 892Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2013, Seite: 892
- ZErb 2012, 238Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis (ZErb), Jahrgang: 2012, Seite: 238
- Landgericht Augsburg, Urteil15.06.2007, 9 O 477/06
- Oberlandesgericht München, Urteil13.10.2010, 27 U 419/07
Bundesgerichtshof Urteil27.06.2012
Enkelkind kann auch bei Pflichtteilsverzicht des Kindes des Erblassers pflichtteilsberechtigt seinBGH entscheidet über Pflichtteilsberechtigung eines Abkömmlings trotz Pflichtteilsverzicht des näheren Abkömmlings
Pflichtteilsansprüche eines Enkelkindes werden nicht durch letztwillige oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers geschmälert, die dieser seinem trotz Erb- und Pflichtteilsverzichts testamentarisch zum Alleinerben bestimmten Kind zukommen lässt, wenn Kind und Enkelkind demselben Stamm gesetzlicher Erben angehören und allein dieser Stamm bedacht wird.
Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist die Tochter der Beklagten. Sie macht Pflichtteilsansprüche nach deren im Jahr 2005 verstorbenem Vater (Erblasser) geltend.
Tochter verzichtet für sich selbst, nicht aber für ihre Kinder auf gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht
Der Erblasser und die Mutter der Beklagten errichteten im Jahr 1987 ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben und ihre Enkelkinder zu Schlusserben einsetzten. Dem Überlebenden des Erstversterbenden wurde das Recht vorbehalten, aus dem Kreis der gemeinschaftlichen Abkömmlinge oder deren Abkömmlinge abweichende Schlusserben zu bestimmen. Am selben Tag verzichtete die Beklagte ihren Eltern gegenüber allein für ihre Person, nicht aber für ihre Abkömmlinge, auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht.
Erblasser setzt Tochter zu alleinigen und ausschließlichen Erbin ein
Nach dem Tod seiner Ehefrau setzte der Erblasser im Jahr 2000 seine Tochter (Beklagte) mit notariellem Testament zu seiner alleinigen und ausschließlichen Erbin ein. Er ernannte seine Enkelin (Klägerin) zur Ersatzerbin. Die Parteien sind die einzigen Abkömmlinge des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau.
Klägerin verlangt Auskunft über Bestand des Nachlasses und Zahlung von 85.000 Euro
Mit der Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von 85.000 Euro nebst Zinsen sowie Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Einholung eines Wertermittlungsgutachtens bezüglich dem Nachlass zugehörigen Grundvermögens. Die Parteien streiten darüber, ob § 2309 BGB* einer Pflichtteilsberechtigung der Klägerin entgegensteht.
Enkelin ist Pflichtteilsberechtigt
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht. Die Klägerin ist pflichtteilsberechtigt, auch wenn die Beklagte der nähere und als solcher grundsätzlich vorrangige Abkömmling des Erblassers ist. Jedoch gilt sie infolge ihres Erb- und Pflichtteilsverzichts gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB** als vorverstorben. An ihrer Stelle ist ihre Tochter, die Klägerin, in die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsfolge eingerückt. Ihre Position als gesetzliche Erbin ihres Großvaters wurde der Klägerin durch dessen Testament aber wieder entzogen. Der Erblasser war durch den Erbverzicht nicht daran gehindert, die Beklagte als Erbin einzusetzen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht in der Annahme des testamentarisch zugewendeten Erbes eine auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnende Entgegennahme eines der Beklagten "Hinterlassenen" i.S. vom § 2309 Alt. 2 BGB gesehen.
Gesetzgebers zweimalige Gewährung des Pflichtteils für demselben Stamm verhindern
Wie eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zum Pflichtteil und zum Erbverzicht ergibt, war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers zu verhindern, dass demselben Stamm zweimal ein Pflichtteil gewährt würde, und eine Pflichtteilsvervielfältigung zu Lasten des Nachlasses auszuschließen. Mit dem Wortlaut des § 2309 BGB ist der Gesetzgeber auch für den Fall des verzichtsbedingten Aufrückens eines entfernteren Abkömmlings in die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsfolge nicht von dem Prinzip abgekehrt, Doppelbegünstigungen des Stammes des ausgeschiedenen, grundsätzlich vorrangigen Berechtigten sowie Vervielfältigungen der auf dem Nachlass liegenden Pflichtteilslast auszuschließen.
Gefahr der Vervielfältigung der Pflichtteilslast hier nicht gegeben
Von diesem Normzweck wird die Erbfolge nach dem Vater bzw. Großvater der Parteien nicht erfasst. Gehören der trotz Erb-und Pflichtteilsverzichts zum gewillkürten Alleinerben bestimmte nähere Abkömmling und der entferntere Pflichtteilsberechtige dem einzigen Stamm gesetzlicher Erben an, berühren die Zuwendungen nur das Innenverhältnis dieses Stammes. Bleiben solche Zuwendungen - hier die testamentarische Erbeinsetzung der Beklagten - bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen unberücksichtigt, droht dem Nachlass keine Vervielfältigung der Pflichtteilslast, wie sie § 2309 BGB gerade vermeiden will.
*§ 2309 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Pflichtteilsrecht der Eltern und entfernteren Abkömmlinge
Entferntere Abkömmlinge und die Eltern des Erblassers sind insoweit nicht pflichtteilsberechtigt, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt.
**§ 2346 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Wirkung des Erbverzichts, Beschränkungsmöglichkeit
Erläuterungen
Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser auf ihr gesetzliches Erbrecht verzichten. Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte; er hat kein Pflichtteilsrecht.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.06.2012
Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online
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