23.11.2024
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Sie sehen eine abgedunkelte Fassade von mehreren Hochhäusern, auf der ein Schutzschild leuchtet.

Dokument-Nr. 11845

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Urteil22.06.2011BundesgerichtshofIV ZR 225/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 190, 120Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 190, Seite: 120
  • JZ 2012, 46Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 46
  • VersR 2011, 1037Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2011, Seite: 1037
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Chemnitz, Urteil26.02.2010, 4 O 1277/09
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil15.09.2010, 7 U 466/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil22.06.2011

Nach Trunken­heitsfahrt: Versicherer kann Leistung bei grob fahrlässigem Handeln des Versicherten bis auf Null kürzenBei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungsfalls darf Versicherer Leistungen entsprechend kürzen

Der Bundes­ge­richtshof hatte darüber zu entscheiden, ob und ab wann eine Versicherung das Recht zur Leistungs­kürzung nach § 81 Abs. 2 VVG* wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles hat, wenn der Versi­che­rungs­nehmer unzurech­nungsfähig war.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls nimmt die Beklagte aus einer bei dieser bestehenden Fahrzeug­voll­ver­si­cherung wegen eines Unfalls in Anspruch. Am 13. Juli 2008 kam der sich auf einer Rückfahrt von einem Rockkonzert befindende Kläger gegen 7.15 Uhr mit seinem PKW außerorts in einer Kurve nach links von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Laternenpfahl, wodurch am Fahrzeug ein Schaden von ca. 6.400 Euro entstand. Eine um 8.40 Uhr durchgeführte Blutentnahme ergab eine Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration von 2,70 Promille. Im anschließenden Strafverfahren wurde der Kläger wegen fahrlässigen Vollrausches verurteilt. Die Beklagte verweigerte jede Leistung.

Die Klage wurde in den Vorinstanzen abgewiesen. Die Revision, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt hatte, hat Erfolg.

BGH zu den Vorraus­set­zungen für grob fahrlässiges Handeln wegen Unzurech­nungs­fä­higkeit

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass ein Leistungs­kür­zungsrecht des Versicherers nach § 81 Abs. 2 VVG* wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles ausscheidet, wenn der Versi­che­rungs­nehmer unzurech­nungsfähig war. Dies kam hier für den Zeitpunkt des Unfalls wegen der hohen Bluta­l­ko­hol­kon­zen­tration des Klägers sowie weiterer Indizien (Blutent­nah­me­pro­tokoll, Angaben der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten) in Betracht. Da das Berufungs­gericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, war das Urteil bereits aus diesem Grund aufzuheben und der Rechtsstreit zurück­zu­ver­weisen. Sollte eine Unzurech­nungs­fä­higkeit des Klägers im Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen haben, so kann der Vorwurf der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles allerdings auch an ein zeitlich früheres Verhalten anknüpfen. Das ist der Fall, wenn der Versi­che­rungs­nehmer vor Trinkbeginn oder in einem Zeitpunkt, als er noch schuldfähig war, erkannt oder grob fahrlässig nicht erkannt hat, dass er im Zustand der Unzurech­nungs­fä­higkeit einen Versi­che­rungsfall herbeiführen wird. Hierfür ist maßgeblich, ob und welche Vorkehrungen der Kläger, der mit dem PKW unterwegs war und beabsichtigte, Alkohol zu trinken, getroffen hatte, um zu verhindern, dass er die Fahrt in alkoholisiertem Zustand antreten oder fortsetzen wird.

Versicherer darf bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles in Ausnahmefällen Leistung vollständig versagen

Sollte nach den noch zu treffenden Feststellungen von einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles durch den Kläger auszugehen sein, so ist der Versicherer nach der durch das Gesetz über den Versi­che­rungs­vertrag vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631) zum 1. Januar 2008 eingeführten Vorschrift des § 81 Abs. 2 VVG berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versi­che­rungs­nehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Anders als die frühere Regelung des § 61 VVG a.F., die bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles kraft Gesetzes eine vollständige Leistungs­freiheit des Versicherers vorsah ("Alles-oder-Nichts-Prinzip"), enthält § 81 Abs. 2 VVG nunmehr eine Quotenregelung. In der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im juristischen Schrifttum ist streitig, ob die Neuregelung dem Versicherer die Möglichkeit eröffnet, seine Leistung gänzlich zu versagen oder ob in jedem Fall eine zumindest anteilige Quote des Schadens zu ersetzen ist. Der Bundes­ge­richtshof hat nunmehr entschieden, dass der Versicherer bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles durch den Versi­che­rungs­nehmer in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen darf, so genannte Kürzung auf Null. Das kann bei absoluter Fahrun­tüch­tigkeit in Betracht kommen, bedarf aber immer der Abwägung der Umstände des Einzelfalles.

*§ 81 VVG Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles

Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versi­che­rungs­nehmer vorsätzlich den Versi­che­rungsfall herbeiführt.

Führt der Versi­che­rungs­nehmer den Versi­che­rungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versi­che­rungs­nehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

der Leitsatz

VVG § 81 Abs. 2

Der Versicherer kann bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungs­falles durch den Versi­che­rungs­nehmer in Ausnahmefällen die Leistung vollständig versagen (hier: Kürzung auf Null bei absoluter Fahrun­tüch­tigkeit). Dazu bedarf es der Abwägung der Umstände des Einzelfalles.

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