21.11.2024
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Amtsgericht Frankfurt am Main Urteil08.12.2010

Vollkasko-Versicherung: Kein Versi­che­rungs­schutz bei relativer Fahrun­tüch­tigkeitVollkasko-Versicherung ist bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Versi­che­rungsfalls durch den Versi­che­rungs­nehmer leistungsfrei

Die relative Fahrun­tüch­tigkeit ist keine mildere Form gegenüber der absoluten Fahrun­tüch­tigkeit. Wer unter dem Einfluss von Antidepressiva im Laufe eines Abends drei bis vier Gläser Rotwein konsumiert, ist nicht mehr zum Führen eines Fahrzeugs in der Lage. Wenn sich der Betroffene dennoch ans Steuer seines Autos setzt, handelt er grob fahrlässig und kann bei einem Unfall die entstandenen Schäden nicht von der eigenen Kasko-Versicherung ersetzt verlangen. Dies entschied das Amtsgericht Frankfurt am Main.

Das Gericht wies die Klage eines Autofahrers gegen seine Kasko-Versicherung ab, der unter Alkohol- und Medika­men­ten­einfluss Auto gefahren war und dabei seinen Wagen beschädigt hatte. Er war während der Fahrt mit seinem Smart an einen Bordstein geraten. Dabei entstand ein Schaden von 4.261,66 €. Der Kläger fuhr zunächst weiter, wobei das Fahrzeug mit einem Vorderrad nur noch auf der Felge fuhr. Er wurde von einer Polizeistreife angehalten, die eine Blutpobe entnehmen ließ. Dabei wurde eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,96 Promille ermittelt.

BAK konnte nicht beweissicher ermittelt werden - wohl aber die relative Fahrun­tüch­tigkeit aufgrund der Polizeiaussagen

Allerdings enthielt die entnommene Blutprobe zu geringe Blutreste, als dass eine vollständige Bluta­l­ko­hol­be­stimmung hätte durchgeführt werden können. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte den späteren Kläger wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Das Gericht ging dabei davon aus, dass zwar eine genaue Bluta­l­ko­hol­be­stimmung nicht möglich gewesen sei. Der Kläger sei jedoch auf Grund der eingenommenen Antidepressiva in Verbindung mit dem genossenen Alkohol fahruntüchtig gewesen. Das Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit leitete das Gericht aus verschiedenen seitens der als Zeugen vernommenen Polizeibeamten geschilderten Auffälligkeiten ab.

Leistungs­be­freiung der Kasko­ver­si­cherung wegen grober Fahrlässigkeit

In dem späteren Klageverfahren verweigerte die Kaskoversicherung des Klägers die Regulierung des geltend gemachten Schadens mit dem Argument, sie sei von ihrer Verpflichtung zur Leistung befreit, da der Kläger den Versi­che­rungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Dieser Auffassung schloss sich das Gericht an. Es führte aus, dass derjenige, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletze und unbeachtet lasse, grob fahrlässig handele.

Kläger war zur Beherrschung des Fahrzeugs nicht mehr in der Lage.

Bei einer BAK von unter 1,1 Promille könne eine unfal­lur­sächliche Fahrun­tüch­tigkeit nur dann angenommen werden, wenn feststehe, dass der Fahrer aufgrund seiner Alkoholisierung Fahrfehler begangen habe und nicht mehr zur Beherrschung des Fahrzeugs in der Lage war. Dies sei hier der Fall. Der Kläger sei relativ fahruntüchtig gewesen und der Unfall auf diesen Umstand zurückzuführen. Er habe zum Unfallzeitpunkt unter Alkohol- und Medika­men­ten­einfluss gestanden.

Grundlose Kollision mit Bordstein lässt auf alkoholtypische Ausfa­l­l­er­scheinung schließen

Zwar konnte die BAK im Nachhinein nicht mehr zweifelsfrei festgestellt werden, so dass ihm der Vorwurf absoluter Fahrun­tüch­tigkeit nicht gemacht werden konnte. Der Kläger habe jedoch alkoholtypische Ausfa­l­l­er­schei­nungen gezeigt, aus denen auf seine relative Fahrun­tüch­tigkeit geschlossen werden könne. Dies zeige schon der Umstand, dass er ohne ersichtlichen Grund mit dem Bordstein kollidiert sei und anschließend sogar die Fahrt nur noch auf der Felge des einen Vorderrades fortgesetzt habe.

Gefährliche Wirkung von Antidepressiva und Alkohol ist allgemein bekannt

Seine Fahrun­tüch­tigkeit habe er auch erkennen bzw. vorhersehen können, so dass ihm auch subjektiv der Vorwurf grober Fahrlässigkeit zu machen sei. Die gefährliche Wirkung von Antidepressiva in Verbindung mit Alkohol sei allgemein bekannt. Es hätte sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass er zum Führen eines Fahrzeugs nicht mehr in der Lage sein würde.

Relative Fahrun­tüch­tigkeit unterscheidet sich nur durch Beweisführung von absoluter Fahrun­tüch­tigkeit

Der Qualifikation des Verhaltens des Klägers lasse sich auch nicht entgegen halten, dass es sich "nur" um relative und nicht um absolute Fahrun­tüch­tigkeit gehandelt habe. Denn die relative Fahrun­tüch­tigkeit sei keine mildere Form der Fahrun­tüch­tigkeit gegenüber der absoluten Fahrun­tüch­tigkeit. Vielmehr gehe es bei dieser Unterscheidung allein um die Frage des Nachweises.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Frankfurt am Main (vt/we)

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