21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil13.09.2018

Kein Anspruch auf Honorar für Zahnarzt bei fehlerhafter zahnärztlich-implan­to­lo­gischer Leistung und nur noch möglicher "Notlösung" bei NachbehandlungBGH zum Honoraranspruch bei Behand­lungs­fehlern und fehlenden verbliebenen Optionen zur Nachbehandlung

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen der Honoraranspruch eines Zahnarztes für implan­to­lo­gische Leistungen entfällt, wenn die Implantate fehlerhaft eingesetzt wurden und eine Korrektur ihrer Position durch Nachbehandlung nicht möglich ist.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Rechtstreits nahm die Beklagte aus abgetretenem Recht des Zahnarztes Dr. L. (Streithelfer) auf Honorarzahlung in Anspruch.

Sachverhalt

Der Streithelfer setzte bei der Beklagten acht Implantate ein. Da die Patientin die Behandlung vorzeitig abbrach, unterblieb die vorgesehene prothetische Versorgung der Implantate, die sich derzeit noch im Kieferknochen befinden. Für die Teilleistungen stellte die Klägerin, an die der Streithelfer seine Honora­r­for­de­rungen abgetreten hatte, 34.277,10 Euro in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung. Gegenüber dem geltend gemachten Honoraranspruch berief sie sich unter anderem darauf, dass sämtliche Implantate unbrauchbar seien, weil sie nicht tief genug in den Kieferknochen eingebracht und falsch positioniert worden seien. Ein Nachbehandler könne eine den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechende prothetische Versorgung des Gebisses auf Grund der Fehler des Streithelfers nicht mehr bewirken. Bei den noch in Betracht kommenden Behand­lung­s­al­ter­nativen bestehe nur noch die Wahl zwischen "Pest und Cholera".

Entscheidung der Vorinstanzen

Das Landgericht wies die auf Zahlung des vorgenannten Betrags gerichtete Klage ab. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlan­des­gericht das erstin­sta­nzliche Urteil abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 16.957,11 Euro verurteilt.

BGH verneint Honoraranspruch

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Revision der Beklagten das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Zivilsenat des Berufungs­ge­richts zurückverwiesen. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme, die den Vortrag der Beklagten zu den Behand­lungs­fehlern und den verbliebenen Optionen zur Nachbehandlung bestätigt hat, könne ein Anspruch der Klägerin auf Honorarzahlung gemäß § 611 Abs. 1, § 612 Abs. 2 in Verbindung mit § 398 BGB in der zuerkannten Höhe nicht bejaht werden. Die implan­to­lo­gischen Leistungen des Streithelfers seien für die Beklagte insgesamt nutzlos, so dass gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB kein Honoraranspruch bestehe.

Zahnarzt verspricht keine Gelingen

Zwischen der Beklagten und dem Streithelfer sei ein wirksamer Behand­lungs­vertrag zustande gekommen. Dieser stelle einen Dienstvertrag über Dienste höherer Art dar. Der Zahnarzt verspreche regelmäßig nur eine den allgemeinen Grundsätzen der zahnärztlichen Wissenschaft entsprechende Behandlung, nicht aber ihr - immer auch von der körperlichen und seelischen Verfassung des Patienten abhängiges - Gelingen.

Vergü­tungs­an­spruch kann bei unzureichender oder pflichtwidriger Leistung nicht gekürzt werden

Da das Dienst­ver­tragsrecht keine Gewähr­leis­tungs­regeln kenne, könne der Vergü­tungs­an­spruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung grundsätzlich nicht gekürzt werden oder in Fortfall geraten. Liege ein Behandlungsfehler vor, könnten sich allerdings Rechte und (Gegen-)Ansprüche des Patienten aus § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB beziehungsweise § 280 Abs. 1 BGB ergeben.

Schuldhaftes vertrags­widriges Verhalten des Streithelfers führt zur Kündigung des Behand­lungs­vertrags

Soweit die Klägerin ein zahnärztliches Honorar für das Setzen von acht Implantaten begehre, bestehe gemäß § 628 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB keine Vergü­tungs­pflicht, da der Streithelfer durch schuldhaft vertrags­widriges Verhalten die Beklagte zur Kündigung des Behand­lungs­vertrags veranlasst habe und die erbrachten implan­to­lo­gischen Leistungen infolge der Kündigung für sie nutzlos seien. Der Behand­lungs­vertrag habe als Dienstvertrag über Dienste höherer Art gemäß § 627 BGB jederzeit ohne Gründe gekündigt werden können. Indem die Beklagte die Behandlung durch den Streithelfer wegen anhaltender Beschwerden abbrach und sich von einem anderen Zahnarzt weiterbehandeln ließ, habe sie den Behand­lungs­vertrag vorzeitig durch konkludente Kündigung beendet. Das schuldhafte und nicht nur geringfügig vertragswidrige Verhalten des Streithelfers sei darin zu sehen, dass er sämtliche Implantate unter Verletzung des geschuldeten Facha­rzt­standards fehlerhaft positioniert habe. Die dem Streithelfer bei dem Setzen der Implantate unterlaufenen gravierenden Behand­lungs­fehler hätten dazu geführt, dass die von ihm erbrachten implan­to­lo­gischen Leistungen für die Beklagte im Sinne von § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Interesse mehr haben.

Weiter­ver­wendung fehlerhafter Leistung muss für Patienten zumutbar sein

Eine Leistung sei für den Dienst­be­rech­tigten infolge der Kündigung ohne Interesse, wenn er sie nicht mehr wirtschaftlich verwerten könne, sie also für ihn nutzlos geworden sei. Es genüge einerseits nicht, dass die Leistung objektiv wertlos sei, wenn der Dienst­be­rechtigte sie gleichwohl nutze, zum anderen aber auch nicht, dass der Dienst­be­rechtigte sie nicht nutze, obwohl er sie wirtschaftlich verwerten könnte. Letzteres komme beim Zahnarztvertrag dann in Betracht, wenn ein nachbe­han­delnder Zahnarzt auf Leistungen des Erstbehandlers aufbauen oder durch eine Nachbesserung des gefertigten Zahnersatzes Arbeit gegenüber einer Neuherstellung ersparen könnte. Allerdings lasse nicht jede technische Möglichkeit, auf der Leistung des Vorbehandlers in irgendeiner Weise aufzubauen, die Nutzlosigkeit entfallen. Vielmehr müsse die Weiter­ver­wendung der fehlerhaften Leistung für den Patienten auch zumutbar sein, was regelmäßig nur der Fall ist, wenn sie zu einer Lösung führe, die wenigstens im Wesentlichen mit den Regeln der zahnärztlichen Kunst vereinbar sei.

Eingesetzte Implantate objektiv und subjektiv wertlos

Gemessen an diesen Kriterien erweise sich die Würdigung des Berufungs­ge­richts, dass die weitere Verwendung der implan­to­lo­gischen Leistungen "jedenfalls eine Option" sei, als fehlerhaft. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe der Nachbehandler nur die Wahl zwischen "Pest und Cholera", also zwischen zwei gleich großen Übeln. Die eingesetzten Implantate seien objektiv und subjektiv völlig wertlos, da es keine der Beklagten zumutbare Behand­lungs­va­riante gebe, die zu einem wenigstens im Wesentlichen den Regeln der zahnärztlichen Kunst entsprechenden Zustand hinreichend sicher führen könnte. Bei Beibehaltung der fehlerhaft positionierten Implantate, deren Lage auch durch Nachbe­hand­lungs­maß­nahmen nicht zu korrigieren sei, bestehe mittel- oder langfristig ein erhöhtes Verlustrisiko, weil es zu einer Periimplantitis (Entzündung des Implantatbettes mit Knochenabbau) kommen könne. Es sei der Patientin daher auch nicht zuzumuten, zumindest einzelne Implantate weiter­zu­ver­wenden und das mit deren fehlerhafter Positionierung untrennbar verbundene erhöhte Entzün­dungs­risiko jahrelang hinzunehmen. Bei einer Entfernung der Implantate bestehe hingegen das Risiko, dass ein neuer erheblicher Knochendefekt herbeigeführt werde und unsicher sei, ob das neue Implantat wieder ausreichend befestigt werden könne.

Patientin steht Schaden­s­er­satz­an­spruch in Form von Befreiung von der Vergü­tungs­pflicht zu

Soweit die Klägerin überdies für die nicht indizierte unnötige Versorgung mit Keramik-Inlays und die völlig unsachgemäße Anwendung eines Präparats zur Parodon­to­se­be­handlung ein Honorar beanspruche, müsse die Beklagte keine Vergütung entrichten, weil ihr insoweit ein Schaden­s­er­satz­an­spruch nach § 280 Abs. 1 BGB zustehe, der auf Befreiung von der Vergü­tungs­pflicht gerichtet sei.

Das Berufungs­gericht werde nunmehr diejenigen Positionen aus der Honorarrechnung ermitteln müssen, die nach Abzug der Vergütung für die nicht beziehungsweise nutzlos erbrachten Leistungen als berechtigt verbleiben. Darüber hinaus seien ergänzende Feststellungen zu einer behaupteten Gebüh­ren­ver­ein­barung zu treffen.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 280 Abs. 1 BGB

Schadenersatz wegen Pflicht­ver­letzung

(1) 1 Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuld­ver­hältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. 2 Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

(2) [...]

(3) [...]

§ 611 BGB

Vertrags­ty­pische Pflichten beim Dienstvertrag

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

§ 627 Abs. 1 BGB

Fristlose Kündigung bei Vertrau­ens­stellung

(1) Bei einem Dienst­ver­hältnis, das kein Arbeits­ver­hältnis im Sinne des § 622 ist, ist die Kündigung auch ohne die in § 626 bezeichnete Voraussetzung zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete, ohne in einem dauernden Dienst­ver­hältnis mit festen Bezügen zu stehen, Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

(2) [...]

§ 628 BGB

Teilvergütung und Schadenersatz bei fristloser Kündigung

Erläuterungen

(1) 1 Wird nach dem Beginn der Dienstleistung das Dienst­ver­hältnis auf Grund des § 626 oder des § 627 gekündigt, so kann der Verpflichtete einen seinen bisherigen Leistungen entsprechenden Teil der Vergütung verlangen. 2 Kündigt er, ohne durch vertrags­widriges Verhalten des anderen Teiles dazu veranlasst zu sein, oder veranlasst er durch sein vertrags­widriges Verhalten die Kündigung des anderen Teiles, so steht ihm ein Anspruch auf die Vergütung insoweit nicht zu, als seine bisherigen Leistungen infolge der Kündigung für den anderen Teil kein Interesse haben. 3 Ist die Vergütung für eine spätere Zeit im Voraus entrichtet, so hat der Verpflichtete sie nach Maßgabe des § 346 oder, wenn die Kündigung wegen eines Umstands erfolgt, den er nicht zu vertreten hat, nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerecht­fer­tigten Bereicherung zurück­zu­er­statten.

(2) Wird die Kündigung durch vertrags­widriges Verhalten des anderen Teiles veranlasst, so ist dieser zum Ersatz des durch die Aufhebung des Dienst­ver­hält­nisses entstehenden Schadens verpflichtet.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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