18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil20.09.2016

BGH erklärt Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven aus der Regionalliga Nord für unwirksamAbstiegs­be­schuss verstößt gegen Recht der Fußballspieler auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV

Der Bundes­ge­richtshof hat der Klage des SV Wilhelmshaven e.V. gegen den Norddeutschen Fußballverband e.V. wegen der Anordnung eines Zwangsabstiegs stattgegeben und dabei über die Grenzen der Diszi­pli­na­r­be­fugnis eines Vereins entschieden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls, der SV Wilhelmshaven e.V., begehrt die Feststellung der Unwirksamkeit eines Beschlusses des Beklagten, des Norddeutschen Fußballverbands e.V., mit dem dieser den Zwangsabstieg der 1. Fußba­ll­mann­schaft (Herren) des Klägers zum Ende der Spielzeit 2013/14 aus der Regionalliga Nord verfügt hat.

Diszi­pli­na­r­kom­mission der FIFA spricht wegen nicht gezahlter Ausbil­dungs­ent­schä­digung Zwangsabstieg für Verein aus

Der Beklagte ist Mitglied des Deutschen Fußballbunds e.V. (DFB), der wiederum Mitglied der Fédération Internationale de Football Association (FIFA) ist. Nach dem Reglement der FIFA "bezüglich Status und Transfer von Spielern" ist von einem Verein, der einen Spieler eines anderen Vereins übernimmt, im Rahmen bestimmter Altersgrenzen eine Entschädigung für die Ausbildung des Spielers zu zahlen. Der Kläger hatte vom 29. Januar bis zum 30. Juni 2007 für seine damalige Regio­na­l­li­ga­mann­schaft einen 1987 geborenen Fußballspieler mit (jedenfalls auch) italienischer Staats­an­ge­hö­rigkeit verpflichtet, der zuvor bei zwei argentinischen Fußballvereinen gespielt hatte. Auf Antrag der beiden argentinischen Vereine setzte die zuständige Kammer der FIFA im Dezember 2008 Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen in Höhe von insgesamt 157.500 Euro gegen den Kläger fest. Dagegen rief der Kläger den Court of Arbitration for Sports (CAS) an. Dieser bestätigte die Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen. Da der Kläger die Entschädigungen trotz Verhängung einer Geldstrafe, Gewährung einer letzten Zahlungsfrist und Abzugs von Punkten in der Ligameis­ter­schaft nicht an die beiden argentinischen Vereine zahlte, sprach die Diszi­pli­na­r­kom­mission der FIFA am 5. Oktober 2012 den Zwangsabstieg der 1. Fußba­ll­mann­schaft (Herren) des Klägers aus. Nach der Bestätigung dieser Maßnahme durch den wiederum vom Kläger angerufenen CAS forderte die FIFA den DFB auf, den Zwangsabstieg umzusetzen. Der DFB reichte diese Bitte an den Beklagten weiter. Dessen Präsidium beschloss sodann den Zwangsabstieg. Eine dagegen gerichtete Beschwerde des Klägers wies das Verbandsgericht des Beklagten zurück.

Prozessverlauf

Die gegen den Zwangsabstieg zum Ende der Spielzeit 2013/14 gerichtete Klage blieb beim Landgericht ohne Erfolg. Das Berufungs­gericht stellte dagegen die Unwirksamkeit des Beschlusses des Beklagten, mit dem der Zwangsabstieg verfügt wurde, fest.

BGH erklärt Beschluss des Zwangsabstiegs für unwirksam

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil im Ergebnis bestätigt. Dabei hat er offen gelassen, ob - wie das Oberlan­des­gericht gemeint hat - der Abstiegs­be­schuss gegen das Recht der Fußballspieler auf Freizügigkeit nach Art. 45 AEUV verstößt. Denn jedenfalls ist der Beschluss deshalb nichtig, weil er in das Mitglied­s­chafts­ver­hältnis des Klägers zum Beklagten eingreift, ohne dass dafür eine ausreichende Grundlage vorhanden ist.

Beschluss über Zwangsabstieg ist allein an Satzung des Beklagten zu messen

Eine vereins­rechtliche Diszi­pli­nar­strafe darf verhängt werden, wenn sie in der Satzung des Vereins vorgesehen ist. Dabei muss die Regelung eindeutig sein, damit die Mitglieder des Vereins die ihnen eventuell drohenden Rechtsnachteile erkennen und entscheiden können, ob sie diese hinnehmen oder ihr Verhalten entsprechend einrichten wollen. Eine derartige Grundlage fehlt in der Satzung des Beklagten, soweit es um Diszi­pli­nar­strafen bei Nichtzahlung von Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen geht. Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA entsprechende Bestimmungen ergeben, ist ohne Belang. Maßgebend ist allein die Satzung des Beklagten. Denn der Kläger ist nur Mitglied des Beklagten, nicht auch des DFB oder gar der FIFA. Regeln eines übergeordneten Verbands - wie hier der FIFA - gelten grundsätzlich nur für dessen Mitglieder. Sie erstrecken sich nicht allein aufgrund der Mitgliedschaft eines nachgeordneten Vereins - hier des Beklagten - in dem übergeordneten Verband auf die Mitglieder des nachgeordneten Vereins - hier den Kläger. Damit ist der Beschluss über den Zwangsabstieg allein an der Satzung des Beklagten zu messen. Diese Satzung verweist hinsichtlich von Diszi­pli­n­a­r­maß­nahmen bei Nichtzahlung von Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen auch nicht auf die Bestimmungen in den Regelwerken des DFB oder der FIFA. Damit hat der Beklagte nicht, wie die Revision anführt, ähnlich einem Gerichts­voll­zieher nur die Entscheidung des DFB und der FIFA vollzogen, ohne sie selbst zu verantworten. Er hat vielmehr eine eigene vereins­rechtliche Diszi­pli­nar­strafe auf der Grundlage des Mitglied­s­chafts­ver­hält­nisses zwischen ihm und dem Kläger verhängt. Dass damit die Anordnung der FIFA-Diszi­pli­na­r­kom­mission umgesetzt werden sollte, ist unerheblich.

Verein durfte bei Nichtzahlung der Ausbil­dungs­ent­schä­digung nicht mit Zwangsabstieg bestraft werden

Der Kläger hat sich auch nicht auf andere Weise einer Sanktion in Form des Zwangsabstiegs wegen der Nichtzahlung der nach dem FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern angefallenen Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen unterworfen. Er hat zwar mit dem DFB einen "Zulas­sungs­vertrag Regionalliga" über die Teilnahme an der Regionalliga geschlossen. Ob er damit das Reglement der FIFA bezüglich Status und Transfer von Spielern anerkannt hat, konnte aber offen bleiben. Denn es ging in dem vorliegenden Verfahren nicht darum zu entscheiden, ob der Kläger die Ausbil­dungs­ent­schä­digung aufgrund der Festsetzung der FIFA und des ersten Schiedsspruchs des CAS zahlen muss, was ggf. in einem auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gerichteten Verfahrens zu klären wäre. Allein entscheidend war hier vielmehr die Frage, ob der Kläger bei Nichtzahlung mit einem Zwangsabstieg bestraft werden kann. Dafür hätte es einer ausreichend deutlichen Ermächtigung bedurft, die auch in dem Zulas­sungs­vertrag nicht enthalten war. Ebenso wenig genügt die bloße Teilnahme an der Regionalliga, um eine Unterwerfung unter eine Zwangs­ab­stieg­s­ent­scheidung des Beklagten wegen Nichtzahlung der von der FIFA festgesetzten Ausbil­dungs­ent­schä­di­gungen annehmen zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs (Urteil vom 28. November 1994 - II ZR 11/94) gelten die von dem veranstaltenden Sportverband aufgestellten Wettkampfregeln ohne weiteres für alle Wettkampf­teil­nehmer, weil anders ein geordneter Wettkampf­betrieb nicht möglich wäre. Die Regeln über die Ausbil­dungs­ent­schä­digung sind aber keine Wettkampfregeln in diesem Sinne. Der argentinische Spieler durfte vielmehr antreten, obwohl für ihn die Ausbil­dungs­ent­schä­digung nicht gezahlt worden war.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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