18.10.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 17461

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Urteil08.01.2014BundesgerichtshofI ZR 169/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2014, 472Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2014, Seite: 472
  • MDR 2014, 849Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 849
  • MMR 2014, 547Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2014, Seite: 547
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Bundesgerichtshof Urteil08.01.2014

Filesharing: Anschluss­inhaber darf volljährigem Familien­an­ge­hörigen Inter­ne­t­an­schluss grundsätzlich ohne Belehrungen oder Überwachungen überlassenBGH zur Haftung für illegales Filesharing durch volljährige Familien­an­ge­hörige

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass der Inhaber eines Inter­ne­t­an­schlusses für das Verhalten eines volljährigen Familien­an­ge­hörigen nicht haftet, wenn er keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass dieser den Inter­ne­t­an­schluss für illegales Filesharing missbraucht.

Die Klägerinnen des zugrunde liegenden Falls sind vier führende deutsche Tonträ­ger­her­steller. Der Beklagte ist Inhaber eines Internetzugangs. In seinem Haushalt leben auch seine Ehefrau und deren volljähriger Sohn.

Beklagter gibt strafbewehrte Unter­las­sungs­er­klärung ab, verweigert jedoch Zahlung der Abmahnkosten

Die Klägerinnen ließen den Beklagten durch Anwalts­schreiben abmahnen; sie behaupteten, am 12. Juni 2006 seien über seinen Internetanschluss 3.749 Musikaufnahmen, an denen sie die ausschließ­lichen urheber­recht­lichen Nutzungsrechte besäßen, in einer Inter­net­tauschbörse zum Herunterladen verfügbar gemacht worden. Der Beklagte gab ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine strafbewehrte Unter­las­sungs­er­klärung ab. Er weigerte sich jedoch, die geltend gemachten Abmahnkosten zu bezahlen.

Stiefsohn räumt ein, Tausch­bör­sen­programm auf den Computer heruntergeladen zu haben

Die Klägerinnen nehmen den Beklagten auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 3.454,60 Euro in Anspruch. Der Beklagte macht geltend, er sei für die behaupteten Rechts­ver­let­zungen nicht verantwortlich. Sein damals 20-jähriger Stiefsohn habe die Musikdateien über den Inter­ne­t­an­schluss zugänglich gemacht. Der Stiefsohn des Beklagten hat im Rahmen seiner Beschul­dig­ten­ver­nehmung gegenüber der Polizei eingeräumt, er habe mit dem Tausch­bör­sen­programm "BearShare" Musik auf seinen Computer heruntergeladen.

Vorinstanzen bejahen Haftung des Beklagten wegen mangelnder Aufklärung des Stiefsohns über illegale Tauschbörsen im Internet

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerinnen 2.841 Euro zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, der Beklagte sei für die Verletzung der urheber­rechtlich geschützten Rechte an den Musiktiteln verantwortlich. Er habe dadurch, dass er seinem 20-jährigen Stiefsohn den Inter­ne­t­an­schluss zur Verfügung gestellt habe, die Gefahr geschaffen, dass dieser an urheber­rechts­ver­let­zenden Musik­tausch­börsen teilnehme. Es sei ihm daher zumutbar gewesen, seinen Stiefsohn auch ohne konkrete Anhaltspunkte für eine bereits begangene oder bevorstehende Urheberrechtsverletzung über die Rechts­wid­rigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen aufzuklären und ihm die rechtswidrige Nutzung entsprechender Programme zu untersagen. Der Beklagte habe diese Verpflichtung verletzt, weil er seinen Stiefsohn nicht - jedenfalls nicht hinreichend - belehrt habe.

Anschluss­inhaber muss erst bei konkretem Anlass für Missbrauch erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Rechts­ver­let­zungen ergreifen

Der Bundes­ge­richtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Bei der Überlassung eines Inter­ne­t­an­schlusses an volljährige Familien­an­ge­hörige ist zu berücksichtigen, dass die Überlassung durch den Anschluss­inhaber auf familiärer Verbundenheit beruht und Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Im Blick auf das besondere Vertrau­ens­ver­hältnis zwischen Familien­an­ge­hörigen und die Eigen­ver­ant­wortung von Volljährigen darf der Anschluss­inhaber einem volljährigen Familien­an­ge­hörigen seinen Inter­ne­t­an­schluss überlassen, ohne diesen belehren oder überwachen zu müssen; erst wenn der Anschluss­inhaber - etwa aufgrund einer Abmahnung - konkreten Anlass für die Befürchtung hat, dass der volljährige Familien­an­ge­hörige den Inter­ne­t­an­schluss für Rechts­ver­let­zungen missbraucht, hat er die zur Verhinderung von Rechts­ver­let­zungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da der Beklagte nach den vom Berufungs­gericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte dafür hatte, dass sein volljähriger Stiefsohn den Inter­ne­t­an­schluss zur rechtswidrigen Teilnahme an Tauschbörsen missbraucht, haftet er auch dann nicht als Störer für Urheber­rechts­ver­let­zungen seines Stiefsohnes auf Unterlassung, wenn er ihn nicht oder nicht hinreichend über die Rechts­wid­rigkeit einer Teilnahme an Tauschbörsen belehrt haben sollte.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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