18.10.2024
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Amtsgericht Hamburg Beschluss24.07.2013

Filesharing: AG Hamburg begrenzt Anwaltskosten bei Abmahnungen für privates Filesharing auf 150,- EuroAG Hamburg nimmt Streitwert von 1000,- Euro bei Urheberrechts­verstößen im privaten Bereich an

Für Abmahnungen im Bereich des privaten Filesharings entstanden in der Vergangenheit teils Anwaltskosten von über 1.000,- Euro. Damit könnte nach einem Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 24.07.2013 jetzt bald Schluss sein. Das Amtsgericht Hamburg nimmt Anwaltskosten von "nur" 150,- Euro an und bemisst den Streitwert für Filesharing-Fälle im privaten Bereich auf 1.000,- Euro.

Das Gericht führte in seinem Hinweis­be­schluss aus, dass es den von der Klägerseite angenommenen Gegen­standss­treitwert, nach dem über § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG Ersatz für die Anwaltskosten verlangt werden kann, nicht für angemessen hält.

AG Hamburg: Streitwert von 1.000 Euro sachgerecht

Als Gegenstandswert der streit­ge­gen­ständ­lichen Verlet­zungs­handlung hält das Amtsgericht Hamburg gemäß § 3 ZPO vielmehr einen Betrag in Höhe von 1.000 Euro für sachgerecht. § 97 Abs. 1 S. 2 UrhG bestimme, dass man - soweit die Abmahnung berechtigt war - Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen könne. Die Umstände sowie das Ausmaß der Verlet­zungs­handlung erforderten vorliegend keinen höheren Gegenstandswert, da der Beklagte das File-Sharing offenkundig privat betrieben hat.

AG Hamburg verweist auf neue gesetzliche Regelungen

Bei der Frage der Bemessung einer "angemessenen" Gegenstandshöhe für die anwaltliche Tätigkeit könne nach Dafürhalten des Gerichtes das am 28. Juni 2013 beschlossene Gesetz u.a. zur Änderung des Urheber­rechts­ge­setzes nicht außer Acht gelassen werden (BT-Drucksache 17/13057). Dieses Gesetz enthalte keine Überg­angs­vor­schriften und privilegiere Urheber­rechts­ver­let­zungen von natürlichen Personen, die urheber­rechtlich geschützte Werke nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet haben. Damit gehe die neue Fassung weiter als der bisherige § 97 a Abs. 2 UrhG, wo auf das Merkmal "außerhalb des geschäftlichen Verkehrs" abgestellt worden ist.

Das Gericht teilte die nunmehr in § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG n.F. ausdrücklich kodifizierte Ansicht des Gesetzgebers, wonach für Verlet­zungs­hand­lungen durch Personen, die weder gewerblich noch im Rahmen einer selbständigen wirtschaft­lichen Tätigkeit handeln, der Gegenstandswert deutlich geringer - nämlich mit EUR 1.000 - anzusetzen ist. Dass der Beklagte das File-Sharing gewerblich oder im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit betrieben habe, sei seitens der Klägerseite nicht vorgetragen worden. Unter den geänderten § 97 a Abs. 3 S. 2 UrhG n.F. würde damit auch der hiesige Beklagte fallen, sodass die gesetz­ge­be­rische Wertung hier voll zum Tragen käme. Diese Zielsetzung des Gesetzgebers müsse nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg bereits zum jetzigen Zeitpunkt Beachtung finden.

Amtsgericht Hamburg ändert ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung

Soweit das hiesige Gericht in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen einen höheren Gegenstandswert angenommen haben sollte, halte es hieran in Anbetracht der ausdrücklichen Regelung in § 97 a Abs. 3 Satz 2 UrhG n.F. nicht mehr fest. Das Gericht sei bei seiner Entschei­dungs­findung auch nicht durch die verfas­sungs­recht­lichen Grundsätze der rückwirkenden Geset­ze­s­an­wendung beschränkt. Die Bestimmung des Gegen­stands­wertes bei der Abmahnung von Verlet­zungs­hand­lungen habe in der Vergangenheit keiner näheren gesetzlichen Regelung unterlegen, sondern musste vielmehr allein im Wege der tatrich­ter­lichen Überzeugung nach den §§ 3, 287 ZPO erfolgen.

Bisherige Rechtsprechung beurteilte den Streitwert in Filesharing-Angelegenheiten sehr uneinheitlich

Die Rechtsprechung beurteile den jeweiligen Gegenstandswert in der Folge einzel­fa­ll­ab­hängig und insgesamt sehr uneinheitlich (vgl. für Filesharing-Fälle etwa AG Halle/Saale, Urteil vom 24.11.2009, 95 C 3258/09, einerseits und LG Köln, Urteil vom 24.11.2010, 28 O 202/10). Eine Rechtslage, auf deren Fortbestand die Klägerin vertrauen dürfte, konnte in Anbetracht dessen nicht entstehen. Vielmehr sei die Beschränkung des Gegen­standswerts bei Abmahnungen auch nach der Einführung von § 97 a Abs. 2 UrhG a.F. im Jahr 2008 noch Gegenstand reger Diskussion und schließlich des Geset­zes­vor­habens zum Gesetz gegen unseriöse Geschäft­s­praktiken (BT-Drucks. 17/13057).

Amtsgericht Hamburg nimmt zum Problem der Rückwirkung Stellung und verweist auf richterliches Ermessen

Selbst wenn in diesem Zusammenhang durch die Beurteilung der Angemessenheit des Gegen­stands­wertes durch das Gericht in Ansehung des Gesetzes gegen unseriöse Geschäft­s­praktiken eine echte Rückwirkung liegen sollte, wobei das erkennende Gericht das noch nicht in Kraft getretene Gesetz nicht anwende, sondern dessen Wertungen nur in sein richterliches Ermessen im Rahmen des § 3 ZPO einfließen lasse, wäre diese nach der Rechtsprechung des BVerfG aufgrund der unklaren und verworrenen Rechtslage als gerechtfertigt anzusehen, weil sich kein Vertrau­ens­schutz bilden konnte (BVerfG, Beschluss vom 08.04.1998, 1 BvR 1680/93, NJW 1998, 3033).

Kein Vertrau­ens­schutz

Gegen einen etwaigen Vertrau­ens­schutz spreche schließlich auch Folgendes: Der Gesetzgeber habe mit dem am 28.06.2013 beschlossenen Gesetz und § 104 a UrhG n.F. auch den sog. Fliegenden Gerichtsstand im Urheberrecht erheblich eingeschränkt; maßgeblich sei dort der Beklag­ten­wohnsitz bei Erhebung der Klage (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Dadurch würden Verstöße, die erst künftig rechtshängig werden, auch wenn sie in der Vergangenheit liegen, bundesweit jeweils am Beklag­ten­wohn­sitz­gericht anhängig gemacht werden müssen. Auch insoweit habe bisher eine ganz unter­schiedliche Rechtsprechung bestanden (vgl. etwa AG Halle/Saale, Urteil vom 24.11.2009, 95 C 3258/09, 1.200 EUR Unter­las­sungs­streitwert für einen Film selbst nach geltendem UrhG in einem sog. File-Sharingfall mit größerer Ausbrei­tungs­richtung), so dass sich ein Verletzter auf eine etwa für ihn in der Vergangenheit "günstigere" Rechtsprechung in Hamburg nicht verlassen konnte.

Vor diesem Hintergrund riet das Gericht der Klägerin dazu, ihre Klage insoweit zurückzunehmen, wie der unter Ziffer 2) geltend gemachte Betrag die nach Ansicht des Gerichtes auf Basis eines Gegen­stands­wertes von EUR 1.000 zu berechnenden Rechtsanwaltskosten übersteigt. Andernfalls müsste insoweit eine Klageabweisung ergehen. Das Gericht räumte der Klägerseite 4 Wochen Stellungs­nah­mefrist ein.

Quelle: ra-online, Amtsgericht Hamburg (vt/pt)

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