21.11.2024
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Dokument-Nr. 13347

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Beschluss21.03.2012Bundesverfassungsgericht1 BvR 2365/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • CR 2012, 324Zeitschrift: Computer und Recht (CR), Jahrgang: 2012, Seite: 324
  • GRUR 2012, 601Zeitschrift: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (GRUR), Jahrgang: 2012, Seite: 601
  • MMR 2012, 473Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2012, Seite: 473
  • NJW 2012, 1715Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 1715
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Vorinstanzen:
  • Landgericht Köln, Urteil24.12.2010, 28 O 202/10
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil22.07.2011, 6 U 208/10
ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss21.03.2012

BVerfG zum unerlaubten Filesharing im InternetOLG Köln verweigert zu Unrecht Zulassung der Revision zum BGH

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass das Oberlan­des­gericht Köln in der Frage, ob den Inhaber eines Inter­ne­t­an­schlusses Prüf- und Instruktions­pflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, zu Unrecht die Revision zum Bundes­ge­richtshof nicht zugelassen hat. Nach Auffassung des Bundes­verfassungs­gerichts erscheint aber sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs als Revisi­ons­gericht erforderlich.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls - ein auf Onlinerecherche und Inter­net­pi­raterie spezialisierter Polizeibeamter - wurde von Unternehmen der Musikindustrie auf Schadensersatz aufgrund von Filesharing über seinen privaten Internetzugang in Anspruch genommen. Nachdem unstreitig geworden war, dass der volljährige Sohn der Lebensgefährtin des Beschwer­de­führers über dessen Internetzugang in einer Tauschbörse Musikdateien zum Download angeboten hatte, nahmen die Klägerinnen ihren Schaden­s­er­satz­an­spruch zurück, forderten aber weiterhin Ersatz der durch die Abmahnung entstandenen Rechts­an­walts­kosten.

Polizist hatte aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse Prüf- und Handlungs­pflicht zur Unterbindung möglicher Rechts­ver­let­zungen

Das Landgericht verurteilte den Beschwer­de­führer antragsgemäß. Dieser hafte für die durch das unerlaubte Filesharing begangene Schutz­rechts­ver­letzung, weil er seinen Internetzugang zur Verfügung gestellt und dadurch die Teilnahme an der Musik­tauschbörse ermöglicht habe. Vor dem Hintergrund seiner besonderen beruflichen Kenntnisse habe für den Beschwer­de­führer jedenfalls eine Prüf- und Handlungs­pflicht bestanden, um der Möglichkeit einer solchen Rechts­ver­letzung vorzubeugen.

Polizist hätte Nutzer des PCs auf Verbot zur Teilnahme an Tauschbörsen aufmerksam machen müssen

Das Oberlan­des­gericht wies die dagegen eingelegte Berufung im Wesentlichen zurück und begründete seine Entscheidung unter Verweisung auf die "Sommer unseres Lebens"-Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs damit, dass der Inhaber eines Inter­ne­t­an­schlusses, der diesen einem Dritten zur eigen­ver­ant­wort­lichen Nutzung überlasse, den Dritten darüber aufklären müsse, dass die Teilnahme an Tauschbörsen verboten sei. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Oberlan­des­gericht nicht zu.

BverfG weist Sache zurück an OLG

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat das Urteil des Oberlan­des­ge­richts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.

Beschwer­de­führer in Recht auf gesetzlichen Richter verletzt

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Das Urteil des Oberlan­des­ge­richts verletzt den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, weil es nicht erkennen lässt, aus welchen Gründen die Revision zum Bundes­ge­richtshof nicht zugelassen wurde, obwohl deren Zulassung im vorliegenden Fall nahe gelegen hätte.

Uneinigkeit der OLGs bei Beurteilung der Prüf- und Instruk­ti­o­ns­pflichten eines Inter­ne­t­an­schluss­inhaber gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 der Zivil­pro­zess­ordnung zwingend zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Entscheidung des Revisi­ons­ge­richts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Die hier entscheidende Rechtsfrage, ob einen Inter­ne­t­an­schluss­inhaber Prüf- und Instruk­ti­o­ns­pflichten gegenüber sonstigen Nutzern des Anschlusses treffen, wird von den Oberlan­des­ge­richten nicht einheitlich beantwortet. Während teilweise die Auffassung vertreten wird, dass eine Pflicht, die Benutzung seines Inter­ne­t­an­schlusses zu überwachen oder gegebenenfalls zu verhindern, nur besteht, wenn der Anschluss­inhaber konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Nutzung seines Anschlusses hat, lässt das mit der Verfas­sungs­be­schwerde angegriffene Urteil für das Entstehen einer Instruktions- und Überwa­chungs­pflicht grundsätzlich bereits die Überlassung des Anschlusses an einen Dritten, gleich welchen Alters, genügen. Der Bundes­ge­richtshof hat die Frage, ob und in welchem Umfang Prüfpflichten des Anschluss­in­habers bestehen, für die hier relevante Konstellation noch nicht entschieden. Die vom Oberlan­des­gericht herangezogene "Sommer unseres Lebens"-Entscheidung beantwortet die Frage nicht; sie betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Frage, inwieweit ein WLAN-Anschluss gegen die Benutzung durch außenstehende Dritte gesichert werden muss.

Gründe für Nichtzulassung der Revision nicht nachvollziehbar

Obwohl eine Zulassung der Revision nahe lag, hat das Oberlan­des­gericht keine nachvoll­ziehbaren Gründe dafür angeführt, warum es die Revision nicht zugelassen hat. Sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtssache als auch zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung erschien aber eine Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs als Revisi­ons­gericht erforderlich. Denn die hier klärungs­be­dürftige Rechtsfrage kann sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen und berührt deshalb das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts; überdies weicht das angegriffene Urteil entschei­dungs­er­heblich von der Auffassung anderer Oberlan­des­ge­richte ab.

Abmahnung überhaupt brauchbare anwaltliche Dienstleistung

Nach Auffassung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts konnte es dahin stehen, ob die Revision im Hinblick auf die Frage zuzulassen gewesen wäre, ob eine Abmahnung, wie die hier gegenständliche, überhaupt eine grundsätzlich brauchbare anwaltliche Dienstleistung darstellt und insoweit ersatzfähige Rechts­ver­fol­gungs­kosten auslöst (verneinend LG Hamburg, Urt. v. 08.10.2010 - 308 O 710/09 = MMR 2011, 53).

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online (pm/rb)

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