Bundesfinanzhof Beschluss25.11.2014
Kernbrennstoffsteuer: Kein vorläufiger Rechtsschutz für KernkraftwerksbetreiberGeltungsanspruch des Gesetzes ist Vorrang einzuräumen
Der Bundesfinanzhof hat einen auf Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit und Unionsrechtskonformität der Kernbrennstoffsteuer gestützten Antrag eines Kernkraftwerksbetreibers auf Aufhebung der Vollziehung einer Steueranmeldung nach dem Kernbrennstoffsteuergesetz abgelehnt.
Mit Wirkung vom 1. Januar 2011 wurde in der Bundesrepublik Deutschland eine Steuer auf zur gewerblichen Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe eingeführt. Die Steuer entsteht, wenn in einen Kernreaktor Brennelemente eingesetzt werden, die eine Kettenreaktion auslösen. Schuldner der Steuer sind die Betreiber von Kernkraftwerken. Diese haben sich in mehreren Fällen gegen die Zahlung der Steuer gerichtlich zur Wehr gesetzt.
Finanzgericht legt verfassungs- und unionsrechtliche Fragen dem BVerfG und dem EuGH vor
Das Finanzgericht Hamburg hat die insoweit streitigen verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Fragen dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt. Mit seiner Vorlage an das Bundesverfassungsgericht vertritt das Finanzgericht die Auffassung, dem Bund habe für die Einführung der Steuer die Gesetzgebungskompetenz gefehlt, denn es handele sich bei der Kernbrennstoffsteuer nicht um eine besondere Verbrauchsteuer, weil sie nicht auf Weitergabe der steuerlichen Belastung an den Stromverbraucher angelegt sei. Sein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union hat das Finanzgericht insbesondere damit begründet, das geltende Unionsrecht stehe der Einführung einer nationalen Steuer auf zur Stromerzeugung verwendete Kernbrennstoffe entgegen.
Finanzgericht gewährt Kraftwerksbetreibern vorläufigen Rechtsschutz
Unter Hinweis auf seine Vorlagen an das Bundesverfassungsgericht und den Gerichtshof der Europäischen Union und die dort beschriebenen rechtlichen Zweifel hat das Finanzgericht den Kraftwerksbetreibern vorläufigen Rechtsschutz mit der Folge gewährt, dass die Steuer einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zu entrichten ist. Gegen diese Entscheidung haben die für die Steuererhebung zuständigen Hauptzollämter Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt.
Interesse des Staates an geordneten Haushaltsführung muss berücksichtigt werden
Im Beschwerdeverfahren ist der Bundesfinanzhof davon ausgegangen, trotz der Vorlagebeschlüsse des Finanzgerichts weder an dessen Rechtsauffassung gebunden noch an einer Interessensabwägung gehindert zu sein. Vielmehr hat er die angefochtenen Beschlüsse aufgehoben und die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Dabei hat er die Frage nach der Steuerart der Kernbrennstoffsteuer, der Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Unionsrechtskonformität ausdrücklich offengelassen. Ausschlaggebend für seine Entscheidung war vielmehr die Erwägung, dass eine Aufhebung der Vollziehung in ihren praktischen Auswirkungen dem zeitweiligen Außerkraftsetzen des Kernbrennstoffsteuergesetzes gleichkäme. Dies könne nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter Beachtung strenger Voraussetzungen geschehen, die im Streitfall nicht vorlägen. Gegenüber dem Interesse der Kraftwerksbetreiber, die Steuer vorläufig nicht zahlen zu müssen, sei dem Geltungsanspruch des Gesetzes der Vorrang einzuräumen. Darüber hinaus sei das Interesse des Staates an einer geordneten Haushaltsführung zu berücksichtigen. Im Fall der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes würden dem Bundeshaushalt zumindest zeitweise jährlich ca. 1,3 Mrd. Euro entzogen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 06.01.2015
Quelle: Bundesfinanzhof/ra-online