21.11.2024
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Bundesarbeitsgericht Urteil11.08.2016

Bewerber mit Schwer­be­hin­derung muss zum Vorstellungs­gespräch eingeladen werdenArbeitgeber darf nicht allein aufgrund der Bewerbungs­unterlagen von fehlender erforderlicher Eignung des Bewerbers ausgehen

Das Bundes­arbeits­gericht hat entschieden, dass ein öffentlicher Arbeitgeber bei einem Bewer­bungs­ver­fahren dazu verpflichtet ist, einen Bewerber mit einer Schwer­be­hin­derung zu einem Vorstellungs­gespräch einzuladen. Der Arbeitgeber darf nicht allein aufgrund der Bewerbungs­unterlagen davon ausgehen, dass dem Bewerber die erforderliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle fehlt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Stadt schrieb Mitte 2013 die Stelle eines "Techn. Angestellte/n für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik" des von ihr unterhaltenen Komplexes "Palmengarten" aus. In der Stelle­n­aus­schreibung heißt es u.a.: "Wir erwarten: Dipl.-Ing. (FH) oder staatl. gepr. Techniker/in oder Meister/in im Gewerk Heizungs-/ Sanitär-/Elektrotechnik oder vergleichbare Qualifikation; [...]". Der mit einem Grad der Behinderung von 50 schwer­be­hinderte Kläger, der ausgebildeter Zentralheizungs- und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umwelt­schutz­techniker im Fachbereich "Alternative Energien" ist, bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. Er fügte seinem Bewer­bungs­schreiben einen ausführlichen Lebenslauf bei. Die beklagte Stadt lud den Kläger nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und entschied sich für einen anderen Bewerber.

Kläger verlangt Entschä­di­gungs­zahlung wegen Diskriminierung

Der Kläger verlangte von der beklagten Stadt die Zahlung einer Entschädigung. Zur Begründung führte er aus, dass ihn die beklagte Stadt wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert habe. Sie sei ihrer Verpflichtung nach § 82 SGB IX, ihn zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzuladen, nicht nachgekommen. Bereits dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seiner Schwer­be­hin­derung diskriminiert worden sei. Die beklagte Stadt berief sich darauf, dass sie den Kläger nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch habe einladen müssen, da dieser für die zu besetzende Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet sei.

Vorinstanzen bejahen Entschä­di­gungs­an­spruch

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und verurteilte die beklagte Stadt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von drei Brutto­mo­nats­ver­diensten zu zahlen. Das Landes­a­r­beits­gericht änderte das arbeits­ge­richtliche Urteil auf die Berufung der beklagten Stadt teilweise ab und reduzierte die Entschä­di­gungssumme auf einen Brutto­mo­nats­ver­dienst. Hiergegen wandte sich die beklagte Stadt mit ihrer Revision.

Ausbleibende Einladung zum Vorstel­lungs­ge­spräch lässt Benachteiligung wegen Behinderung vermuten

Die Revision hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Die beklagte Stadt hatte dadurch, dass sie den Kläger nicht zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch eingeladen hatte, die Vermutung begründet, dass der Kläger wegen seiner Schwer­be­hin­derung aus dem Auswahl­ver­fahren vorzeitig ausgeschieden und dadurch benachteiligt wurde. Sie war von ihrer Verpflichtung, den Kläger zu einem Vorstel­lungs­ge­spräch einzuladen, auch nicht nach § 82 Satz 3 SGB IX befreit. Auf der Grundlage der Angaben des Klägers in seiner Bewerbung durfte sie nicht davon ausgehen, dass diesem die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlte.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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