Im zugrunde liegenden Fall klagte ein Mann (Arbeitnehmer / Kläger), der vom 1. September 1990 bis zum 31. Juli 1991 als Steuerfachkraft bei einem Steuerberater (Arbeitgeber / Beklagte) beschäftigt war, auf Erteilung eines neuen Zeugnisses.
Als das Arbeitsverhältnis endete, hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf den Wunsch nach einem Zeugnis hin aufgefordert, ihm einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Den auf weißem Schreibmaschinenpapier gefertigten Entwurf hatte der Arbeitgeber mit einer anderen Schreibmaschinenschrift um Ort und Datum ergänzt, unterschrieben und mit einem Stempel versehen. Der Arbeitnehmer hat darauf von dem Arbeitgeber gefordert, das Zeugnis in einheitlicher Maschinenschrift auf einem Geschäftsbogen zu erstellen. Das hat der Arbeitgeber abgelehnt, obgleich er üblicherweise Geschäftspapier verwendet, das seinen akademischen Grad als Diplom-Volkswirt ebenso ausweist wie seine Tätigkeit als Steuerberater. Der Arbeitnehmer verklagte den Arbeitgeber auf Neuerteilung des Arbeitszeugnisse. Dabei solle ein Briefbogen verwandt werden. Auch sei es mit einer einheitlichen Maschinenschrift anzufertigen.
Das Bundesarbeitgericht gab dem Kläger recht. Der Kläger könne gemäß § 630 BGB in Verbindung mit § 242 BGB verlangen, dass das Zeugnis auf einem vom Beklagten verwandten Briefbogen erteilt werde.
Das Arbeitszeugnis spiele bei einer Bewerbung des Arbeitnehmers eine erste wesentliche Rolle. Es bescheinige dem Arbeitnehmer die bei dem Arbeitgeber ausgeübte Tätigkeit und enthalte als qualifiziertes Zeugnis (§ 630 Satz 2 BGB) eine Leistungsbeurteilung, die für den Arbeitnehmer von hohem persönlichen Wert sei, führte das Bundesarbeitsgericht aus. Das Zeugnis diene vor allem als Unterlage für eine Bewerbung um einen neuen Arbeitsplatz und stellt deshalb einen wichtigen Faktor im Arbeitsleben dar. Vor allem bei der Vorauswahl der Bewerber und der Frage, wer zu einem Vorstellungsgespräch zugelassen werde, spiele das Zeugnis eine wesentliche Rolle, da es zu diesem Zeitpunkt die einzige Informationsquelle darstelle, die nicht vom Bewerber selbst, sondern von einem Dritten stammt. Für den Arbeitnehmer sei das Zeugnis gleichsam die "Visitenkarte" für weitere Bewerbungen. Für den künftigen Arbeitgeber schaffe es eine Unterlage für seine Entscheidung.
Das Zeugnis müsse also einer zweiseitigen Zielsetzung gerecht werden. Hinsichtlich des Inhalts habe sich daher der gefestigte Grundsatz entwickelt, dass das Zeugnis der Wahrheit entsprechen, gleichwohl aber von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein müsse und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren dürfe.
Seinem Zweck entsprechend, dem Arbeitnehmer als verbindliche Erklärung und Teil seiner Arbeitspapiere für künftige Bewerbungen zu dienen und sein Fortkommen nicht unnötig zu erschweren, müsse das Arbeitszeugnis auch seiner äußeren Form nach gehörig sein.
Ein Arbeitszeugnis müsse in formeller Hinsicht die im Geschäftsleben üblichen Mindestanforderungen erfüllen. Dazu zähle jedenfalls, dass das Arbeitszeugnis mit einem ordnungsgemäßen Briefkopf ausgestaltet sein müsse, aus dem der Name und die Anschrift des Ausstellers erkennbar sind. Dabei bestünden im Grundsatz keine Bedenken, wenn der Briefkopf mit Schreibmaschine oder Personalcomputer selbst gestaltet ist. Vorliegend habe das Landesarbeitsgericht festgestellt, dass im Berufszweig des Beklagten üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen verwandt würden und dass auch der Beklagte solche besitze und benutze. Unter diesen Umständen sei ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt, wenn es nur mit einem der Unterschrift beigefügten Firmenstempel versehen sei. Ein so gestaltetes Zeugnis sei geeignet, bei einem Dritten den Eindruck zu erwecken, der Arbeitgeber habe lediglich einen Zeugnisentwurf des Arbeitnehmers unterzeichnet, ohne sich wirklich mit dem Inhalt der Erklärung zu identifizieren. Es könne gerade bei Bewerbungen innerhalb der Branche nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber bewerbe, der die Gepflogenheiten des ausstellenden Arbeitgebers kenne. Ein Abweichen von der Übung entspreche daher nicht der Verkehrssitte und somit nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Der Kläger könne auch beanspruchen, dass das Zeugnis in einheitlicher Maschinenschrift abgefasst werde. Sofern Datum und Ortsangabe nicht ein einheitliches Ganzes mit der Gestaltung des Briefkopfes bilden, müsse die Benutzung von zweierlei Maschinenschriften auf einen Dritten befremdlich wirken und zusätzlich den Eindruck erwecken, es handele sich um ein vom Arbeitnehmer vorformuliertes Zeugnis, dem der Arbeitgeber nur äußerlich als Aussteller beitrete.
Erläuterungen
Das Urteil ist aus dem Jahr 1992 und erscheint im Rahmen der Reihe "Gut zu wissen".
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.10.2010
Quelle: ra-online, Bundesarbeitsgericht (pt)