21.11.2024
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Amtsgericht München Urteil26.07.2018

Eigen­bedarfs­kündigung kann auch gegenüber sozial schlechter gestellten Mietern gerechtfertigt seinMietern muss angesichts der Einschränkungen und des Mietmarktes angemessene Räumungsfrist zugestanden werden

Das Amtsgericht München hat entschieden, dass eine Kündigung wegen Eigenbedarfs auch gegenüber sozial schlecht gestellten Mietern gerechtfertigt sein kann.

Der 36-jährige Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist Vermieter, die 78 Jahre alte gehbehinderte Beklagte bewohnte erst als Mitbewohnerin, dann aufgrund Mietvertrages von 1990 mit einem Voreigentümer insgesamt fast 30 Jahre die Zwei-Zimmer-Wohnung des Klägers im 1. OG mit Aufzug. Die Wohnung wurde im Jahr 2005 an die Eltern des Klägers veräußert und von diesen 2011 an den Kläger übertragen.

Kläger plant Umzug und Nutzung der Wohnung aus beruflichen und privaten Gründen

Die Eltern des Klägers bestätigten in ihrer gerichtlichen Zeugenaussage Anfang Mai 2018, die Wohnung von Anfang an zur Eigennutzung durch den Sohn erworben zu haben, der damals in München studierte. Nach zwei ersten Eigen­be­da­rfs­kün­di­gungen in den Jahren 2013 und 2014, die man aber nicht gerichtlich weiterverfolgt habe, sei im Haus eine identisch geschnittene Wohnung im 3. OG freigeworden, die man der Beklagten habe vermitteln wollen. Man habe der Beklagten auch die Zahlung der Kaution angeboten. Diese habe auf das Angebot aber nicht reagiert. Der Sohn habe 2016 ein Zweitstudium beendet und eine Stelle in Augsburg gefunden, wo er sich in der Ausbildung zum Facharzt befinde und nun gezwun­ge­nermaßen in einer Zwei-Zimmer-Mietwohnung in Kliniknähe wohne. Er wolle im September 2018 auf eine Stelle in München wechseln, wo er auch Geschwister, Freunde und Freundin habe. Der Kläger bekräftigte, angesichts der sozialen Vorteile einer in München gelegenen Wohnung bis zum erhofften Stellenwechsel von München nach Augsburg pendeln zu wollen.

Mieterin verweist auf gesundheitliche Probleme und beengte finanzielle Verhältnisse

Die Beklagte trug vor, schwerbehindert zu sein und unter anderem an Gleich­ge­wichts­s­tö­rungen und psychischen Beein­träch­ti­gungen zu leiden. Angemessener bezahlbarer Ersatzwohnraum sei angesichts ihrer beengten finanziellen Verhältnisse nicht zu finden.

Nutzungswille und Nutzungs­in­teresse des Klägers klär erkenn- und nachvollziehbar

Das Amtsgericht München gab dennoch dem Kläger Recht. Das Gericht sei nach der Vernehmung der Zeugen davon überzeugt ist, dass der Nutzungswille und das Nutzungs­in­teresse des Klägers vorlägen. Der Nutzungswille setzte voraus, dass der Vermieter die ernsthafte Absicht habe, die Räume selbst als Wohnung nutzen zu wollen. Beide Zeugen hätten übereinstimmend ausgesagt, dass der Kläger bereits seit seinem Erststudium in München und auch noch nach seinem Zweitstudium das Ziel verfolgt habe, in München seinen Lebensmittelpunkt zu begründen und zwar in privater und langfristig auch in beruflicher Hinsicht und dazu auch ein Pendeln zwischen München und Augsburg in Kauf nehmen würde. Die Zeugen hätten bestätigt, dass der Kläger in München Verwandte und Freunde habe und dass der Einzug in die Wohnung in Augsburg lediglich eine Interimslösung darstelle, nachdem die Wohnung in München noch nicht frei gewesen sei, als der Kläger die Arbeitsstelle in Augsburg antrat. Es sei für das Gericht nachvollziehbar und vernünftig, dass der Kläger aufgrund seiner Verbindung zur Stadt München seinen Lebens­mit­telpunkt nach München verlagern wolle. Im Übrigen sei die Entscheidung des Klägers über seine weitere Lebensplanung, also z.B. auch die Entscheidung, ob er zukünftig zur Arbeit pendele oder nicht, im Hinblick auf die grund­ge­setzliche Gewährleistung des Eigentums gem. Art. 14 GG zu respektieren und nicht durch fremde Vorstellungen zu ersetzen. Auch nach dem Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 10. Mai 2017 folge nach Auffassung des Gerichts, dass ein ernsthafter Nutzungs­ent­schluss, der - wie hier - auf nachvoll­ziehbaren und vernünftigen Gründen beruhe für ein vorrangiges Erlan­gungs­in­teresse des Vermieters ausreiche und eine Abwägung mit den generellen Bestand­s­in­teressen des Mieters in diesem Fall nicht erfolgen müsse.

Einräumung einer Räumungsfrist von sechs Monaten aufgrund der Umstände geboten

Das Gericht sah aber angesichts der Einschränkungen und Belastungen der Beklagten einerseits und des Münchner Mietmarktes andererseits die Einräumung einer Räumungsfrist von sechs Monaten als geboten. Dem Kläger, der dem Pendeln an sich nach eigenen Angaben aufgeschlossen gegenüberstehe, sei auch nach Antritt der Münchner Stelle in dieser Frist ein Pendeln von Augsburg nach München zumutbar.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online (pm)

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