24.11.2024
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Amtsgericht München Urteil02.10.2012

Erstattung von Hörgeräten in nur angemessener Ausführung stellt unangemessene Benachteiligung darAG München erklärt Leistungs­beschränkung der Krankheits­kosten­versicherung für unwirksam

Eine Leistungs­beschränkung in den Versicherungs­bedingungen einer Krankheits­kosten­versicherung, wonach nur Hörgeräte oder sonstige Hilfsmittel in angemessener Ausführung zu erstatten sind, ist nicht wirksam, da diese Regelung nicht klar und verständlich ist und somit den Versicherten unangemessen benachteiligt. Dies entschied das Amtsgericht München.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte ein Münchner eine private Krank­heits­kos­ten­ver­si­cherung abgeschlossen. Die Versicherungsbedingungen enthielten eine Klausel, in der folgendes geregelt war: "Erstat­tungsfähig sind die Kosten für Hörhilfen in angemessener Ausführung (...)".

Versicherung erstattet nur Kosten für Hörgeräte, die durch­schnitt­lichen Anforderungen genügen

Aufgrund einer beidseitigen Schwerhörigkeit wurden dem Münchner ärztlicherseits Hörgeräte verordnet. Er erwarb solche zum Preis von insgesamt 4.105 Euro und reichte die Rechnungen bei seiner Versicherung ein. Diese erstattete allerdings nur 2.124 Euro mit der Begründung, es seien lediglich Kosten für Hörgeräte zu bezahlen, die durch­schnitt­lichen Anforderungen genügten. Individuelle Bedürfnisse Einzelner seien nicht maßgeblich. Auf andere Weise könnten die tendenziell hohen Kosten für Hilfsmittel nicht beschränkt werden. Der Versicherte könnte vorher nachfragen, was er ersetzt bekomme und somit auch abschätzen, was er später erhalte.

Kläger hält Versi­che­rungs­klausel für unwirksam

Der Versicherte war anderer Meinung. Er hielt die Klausel für unwirksam, da der Begriff "in angemessener Ausführung" konturlos sei. Außerdem brauche er gerade diese Hörgeräte, da nur sie seine Anforderungen erfüllten und er ansonsten erhebliche Defizite in seiner Kommu­ni­ka­ti­o­ns­fä­higkeit hinnehmen müsste.

Tarif­be­stim­mungen verstoßen gegen Trans­pa­renzgebot

Die zuständige Richterin des Amtsgerichts München gab dem Versicherten Recht. Die vorliegende Leistungs­be­schränkung, wonach Hilfsmittel in "angemessener Ausführung" zu erstatten seien, sei nicht wirksam. Die Tarifbestimmung benachteilige den Versicherten unangemessen, da sie nicht klar und verständlich sei. Sie verstoße somit gegen das Transparenzgebot. Dieses verlange, dass die Voraussetzungen und Folgen so genau beschrieben werden, dass einerseits für den Verwender der Bedingungen keine ungerecht­fer­tigten Beurtei­lungs­spielräume entstünden, andererseits auch der Versicherte ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen könne. Eine Klausel genüge dem Bestimmt­heitsgebot nur dann, wenn sie die Rechte und Pflichten des Versicherten so klar und präzise wie möglich umschreibe.

Klausel genügt nicht Bestimmt­heitsgebot

Die vorliegende Klausel genüge diesem Bestimmt­heitsgebot nicht, da unter­schiedliche Inter­pre­ta­tionen möglich seien. Die Tarifbedingung könne dahingehend verstanden werden, dass damit nur die Preise für eine Ausführung mittlerer Art und Güte erstattet werden, einer Ausführung, die durch­schnitt­lichen Anforderungen genüge, wobei individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Versi­che­rungs­nehmer außen vor blieben. Der Versi­che­rungs­nehmer hätte in diesem Fall keinen Anspruch auf die beste Qualität, müsste sich aber auch nicht mit der schlechtesten Qualität begnügen. Er müsste sich gegeben falls am Mittel beider Extreme orientieren. Unklar bliebe aber dann, welche Qualität aus der breiten Palette eines oder verschiedener Anbieter maßgebend sein solle.

Leistungs­be­schränkung zu unbestimmt

In einem monetären Sinn wäre die Bestimmung zu verstehen, wenn die Versicherung die Regelung als eine Preisbegrenzung verstanden wissen wolle, obwohl es für die medizinische Notwendigkeit auf Kosten­ge­sichts­punkte gerade nicht ankomme. Die Preisgrenze, bis zu der ein Leistungs­an­spruch der versicherten Person bestehen solle, bliebe offen. Die Regelung könne aber auch dahingehend interpretiert werden, dass eine angemessene Ausführung eines Hörgerätes erst dann zu bejahen sei, wenn im konkreten Einzelfall bezogen auf die konkrete Hörstörung und bezogen auf die konkreten Lebensumstände des jeweiligen Versi­che­rungs­nehmers die Hörstörung adäquat ausgeglichen werde. Denn was angemessen sei, hänge immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei einer Hörge­rä­te­ver­sorgung wäre demgemäß unter anderem maßgebend, ob der Betroffene berufstätig sei oder nicht, welchen Beruf der Versicherte ausübe und welche Alltags­si­tua­tionen das Hörgerät demgemäß meistern müsse. Da sich die Lebensumstände immer wieder ändern können, wäre auch danach nicht von vornherein klar, in welcher Höhe dem Versicherten der Anspruch zustehe.

Versicherung ist Angabe von Preisgrenzen der Erstat­tungs­fä­higkeit von Hörgeräten zumutbar

Auch wenn die Anforderungen an die Transparenz von Allgemeinen Versi­che­rungs­be­din­gungen nicht überspannt und auch unbestimmte Rechtsbegriffe aus der Gesetzessprache verwendet werden dürfen, sei es der Versicherung zumutbar, Preisgrenzen der Erstat­tungs­fä­higkeit von Hörgeräten anzugeben. Dies zeige die entsprechende Regelung für Brillen und Kontaktlinsen.

Versi­che­rungs­nehmer kann nicht Durchführung einer Marktanalyse über Preise aller verfügbaren Hörgeräte zugemutet werden

Dem Versi­che­rungs­nehmer sei es jedenfalls nicht zuzumuten, eine Marktanalyse über die Preise aller verfügbaren Hörgeräte vorzunehmen. Ebenso könne es nicht Sinn und Zweck einer Vertrags­be­stimmung sein, dass der Versi­che­rungs­nehmer sich auf eine Marktanalyse seines Vertrags­partners, des Versicherers, verlassen müsse, um seinen Leistungs­an­spruch bestimmen zu können. Deshalb helfe auch die Anregung der Versicherung nicht weiter, dass der Kläger bei ihr hätte nachfragen können, um die Höhe seines Leistungs­an­spruchs zu ermitteln. Dadurch würden ihr gerade diejenigen Beurtei­lungs­spielräume eröffnet, die ihr als Verwender der Versi­che­rungs­be­din­gungen durch das Bestimmt­heitsgebot gerade verschlossen werden sollen.

Der Versicherte habe daher (unter Berück­sich­tigung seiner Selbst­be­tei­ligung von 10 Prozent) einen Ersatzanspruch.

Quelle: Amtsgericht München/ra-online

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