21.11.2024
21.11.2024  
Sie sehen das Schild des Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
ergänzende Informationen

Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Urteil28.03.2011

VerfGH Saarland: Absolutes Rauchverbot ist verfas­sungsgemäßGewährung längerer Überg­angs­fristen als gesetzlich vorgesehen verfas­sungs­rechtlich nicht geboten

Ausnahmen vom Rauchverbot für ausschließlich inhabergeführte Gaststätten mit einer Gastraumfläche von weniger als 75 Quadratmetern, in denen neben Getränken allenfalls kalte oder einfach zubereitete warme Speisen als begleitendes Angebot verabreicht werden sind künftig nicht mehr geboten. Damit gilt ab sofort ein absolutes Rauchverbot in allen saarländischen Gaststätten. Dies entschied der Verfas­sungs­ge­richtshof des Saarlandes.

Im vorliegenden Verfahren hatte der Verfas­sungs­ge­richtshof allein darüber zu entscheiden, ob das konkrete, durch den Landtag verabschiedete Konzept des einschrän­kungslosen Nicht­rau­cher­schutzes mit der Verfassung des Saarlandes vereinbar ist. Dabei hatte der Verfas­sungs­ge­richtshof insbesondere die Erfor­der­lichkeit von Ausnah­me­re­ge­lungen bzw. Übergangs- und Ausgleichs­re­ge­lungen für die betroffenen Gaststät­ten­be­treiber zu prüfen.

Landes­ge­setzgeber darf striktes Rauchverbot in Gaststätten verhängen

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hat bereits in seinem Urteil vom 1. Dezember 2008 in Übereinstimmung mit dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden, dass der Landes­ge­setzgeber angesichts des hohen Rangs des Gesund­heits­schutzes gegenüber den durch ein Rauchverbot beein­träch­tigten Freiheits­rechten, insbesondere der Gewerbefreiheit der Gastwirte und der Verhal­tens­freiheit der Raucher, unter dem Gesichtspunkt der Verhält­nis­mä­ßigkeit grundsätzlich befugt ist, dem Gesund­heits­schutz den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (BVerfG, Urteil v. 30.07.2008 - 1 BvR 3262/07; 1 BvR 402/08; 1 BvR 906/08 -).

Auch Shisha-Lokalen kommt keine Sonderstellung zu

Der Verfas­sungs­ge­richthof hat in Übereinstimmung mit dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden, dass Ausnah­me­re­ge­lungen für bestimmte Arten von Gaststätten nicht geboten sind. Denn dies hätte zur Folge, dass entgegen der - von der Werteordnung der Verfassung gedeckten - Regelungs­kon­zeption des Gesetzgebers in einem nicht unwesentlichen Teil des Gaststät­ten­ge­werbes auf den Schutz der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens gänzlich und auf Dauer verzichtet werden müsste. Auch die besonderen beruflichen und wirtschaft­lichen Interessen der Betreiber von kleinen Gaststätten, Gaststätten mit speziellen Nebenräumen für Raucher und Shisha-Lokalen können den Gesetzgeber jedoch nicht zwingen, seinen Entschluss zur strikten Verfolgung überragend wichtiger Gemein­wohl­belange in einem nicht unerheblichen Gefähr­dungs­bereich völlig aufzugeben. Shisha-Lokalen kommt insoweit keine Sonderstellung zu. Sie sind nicht anders zu behandeln als herkömmliche "reine Raucher­gast­stätten", die ebenfalls nahezu ausschließlich von Rauchern aufgesucht werden.

Umsatz- und Gewinn­min­de­rungen werden voraussichtlich durch teilweiser Rückkehr der Raucher wieder ausgeglichen

Auch sind für die betroffenen Gruppen von Gaststät­ten­be­treibern längere Überg­angs­fristen, als sie das angefochtene Gesetz vorsieht, verfas­sungs­rechtlich nicht geboten. Der Verfas­sungs­ge­richthof erklärte hierzu, dass die Versagung einer längeren Übergangsfrist für die geträn­ke­ge­prägte Klein­ga­s­tronomie umso eher hinzunehmen ist, als bei dem nunmehr geregelten strikten Rauchverbot anders als beim zuvor geltenden eingeschränkten Rauchverbot ein Abwandern von rauchwilligen Gästen in größere Gastwirt­s­chaften, die über Nebenräume für Raucher verfügen, dauerhaft nicht mehr stattfinden kann. Es trägt zu gleichen Wettbe­wer­bs­be­din­gungen bei. Insgesamt ist zu erwarten, dass nach dem Wegfall der bisherigen Ausnahmen vom Rauchverbot bei den hierdurch Betroffenen durch das Ausbleiben von Rauchern zwar zunächst eine Umsatz- und Gewinnminderung eintritt, diese aber nach einer gewissen Zeit durch die Rückkehr zumindest eines Teils der Raucher zum Teil wieder ausgeglichen wird, zumal Klein­gast­stätten typischerweise über einen gewachsenen Kundenstamm verfügen, der bei typisierender Betrachtung seine Stammkneipe nicht ohne weiteres auf Dauer aufgibt. Diese Entwicklung einer vorübergehenden Verminderung der Zahl der Gäste könnte durch ein Hinausschieben des Inkrafttretens der Gesetzesnovelle nicht zugunsten der betroffenen Gastwirte beeinflusst werden.

Keine Verlängerung der Überg­angs­re­ge­lungen für Gaststätten mit eingerichteten Raucher­ne­ben­räumen

Längere Überg­angs­re­ge­lungen sind auch nicht für Gastwirte geboten, die im Hinblick auf die Ausnah­me­re­ge­lungen des bisherigen Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzes Raucher­ne­benräume eingerichtet haben. Denn es gibt kein Recht darauf, von Neuregelungen verschont zu werden, bis einmal getätigte Investitionen sich vollständig amortisiert haben. Von daher gebietet die Verfassung auch nicht die Schaffung eines finanziellen Ausgleichs zugunsten derjenigen Gaststät­ten­be­treiber, die durch die Anordnung eines strikten Rauchverbots in besonderer Weise belastet werden.

Quelle: Verfassungsgerichtshof des Saarlandes/ra-online

Nicht gefunden, was Sie gesucht haben?

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil11368

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI