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Verfassungsgerichtshof des Saarlandes Beschluss01.12.2008

Verfas­sungs­ge­richtshof des Saarlandes lockert Rauchverbot für die Klein­ga­s­tronomie

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Gastwirts, der sich gegen die Bestimmung des saarländischen Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzes wendet, die bei inhaber­ge­führten Raucher­gast­stätten nur die Mithilfe von Familien­an­ge­hörigen zulässt, war erfolgreich. Der Verfas­sungs­ge­richtshof stellte fest, dass die angegriffene Regelung den Beschwer­de­führer in seinem Recht auf Gleich­be­handlung verletzt.

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hat hierzu ausgeführt: "Die unter­schiedliche Begünstigung der Betreiber inhaber­ge­führter Gaststätten je nachdem, ob sie volljährige Familien­an­ge­hörige zur Mithilfe heranziehen können oder ob ihnen dies - wie dem Beschwer­de­führer - aus natürlichen Gründen verschlossen ist, hält einer verfas­sungs­recht­lichen Prüfung am Maßstab des Gleich­heits­satzes nicht stand. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Ungleich­be­handlung allein nach den familiären Verhältnissen des Betroffenen geeignet ist, in dem Wettbewerb zwischen den inhaber­ge­führten Gaststätten und der Gastronomie im Übrigen Chancen­gleichheit zu gewährleisten. Daher ist nicht einzusehen, warum Betreiber, die volljährige Famili­en­mit­glieder für eine Mithilfe werben können, besser behandelt werden als solche, die nur Freunde, Bekannte oder familienfremde Aushilfskräfte anzusprechen vermögen. Außerdem kann die Beschränkung der Mithilfe auf volljährige Familien­an­ge­hörige dazu führen, dass sich diese lediglich aus familiärer Verbundenheit bereit erklären, dem Betreiber einer inhaber­ge­führten Gaststätte zu helfen, während Außenstehende, die selbst Raucher sind, bereit stehen, unter der von ihnen auch sonst geübten Außer­acht­lassung ihrer gesund­heit­lichen Bedürfnisse mitzuarbeiten."

Richter: Privilegierung für inhabergeführte Klein­ga­s­tronomie ist nicht verfas­sungs­konform

Der Verfas­sungs­ge­richtshof hält darüber hinaus nicht für verfas­sungs­konform, dass das Nichtraucherschutzgesetz hinsichtlich der Privilegierung der Klein­ga­s­tronomie an das Merkmal der "Inhaberführung" anknüpft.

Zur Begründung führt er aus: "Der Gesetzgeber hat mit der Ausnah­me­re­gelung für inhabergeführte Gaststätten das Ziel verfolgt, eine Existenz­ge­fährdung von kleinen "Eckkneipen" zu vermeiden, in denen eine Vielzahl der Gäste Raucher sind. Andere kleinere Gaststätten, die zwar nicht allein vom Inhaber geführt werden bzw. geführt werden können, sind aber ebenso wie diese Betriebe wegen eines verhältnismäßig geringen Umsatzes und dadurch bedingter geringer Rücklagen sowie eines hohen Anteils von Rauchern unter ihren Gästen durch das Rauchverbot gleichermaßen in ihrer Existenz bedroht."

Richter: Klein­ga­s­tronomie, die begleitend einfach zubereitete Speisen anbietet, unterscheidet sich nicht wesentlich von Klein­ga­s­tronomie, in der ausschließlich Getränke angeboten werden

Schließlich hat der Verfas­sungs­ge­richtshof beanstandet, dass von der angegriffenen Ausnah­me­re­gelung auch solche kleinen Gaststätten nicht erfasst werden, in denen trotz einer ausgeprägten Ausrichtung auf das Angebot von Getränken als "Beiwerk" begleitend einfach zubereitete Speisen angeboten werden: "Ein derartiges Angebot kann vom Inhaber allein nicht dauerhaft aufrecht­er­halten werden, weil für die Zubereitung die regelmäßige, nicht auf Ausnahmefälle beschränkte Anwesenheit einer zweiten Person in der Küche erforderlich ist. Durch das begleitende Angebot einfach zubereiteter Speisen unterscheiden sich kleine Gaststätten nicht maßgeblich von der ausschließlich geträn­ke­ge­prägten Klein­ga­s­tronomie. Letztere zeichnet sich dadurch aus, dass sie über eine geringe Zahl von Sitzplätzen verfügt mit der Folge, dass sie einen vergleichsweise niedrigen Umsatz tätigt und dass sie überwiegend Stammgäste anspricht, unter denen sich ein hoher Raucheranteil befindet. Diese typischen Merkmale der klassischen "Eckkneipe" gehen nicht dadurch verloren, dass in einer solchen Gaststätte - auch - kalte und einfach zubereitete warme Speisen angeboten werden. Sie unterscheiden sich vielmehr unabhängig davon von einer echten Speisgaststätte, die gleichermaßen rauchende und nicht rauchende Gäste anzieht. Eine Gleich­be­handlung der geträn­ke­ge­prägten Klein­ga­s­tronomie mit der speisegeprägten Gastronomie ist deshalb auch zur Vermeidung eines Wettbe­wer­bs­nachteils für diese nicht geboten."

Regelungen sind nicht nichtig - Neuregelung muss bis zum 31. Dezember 2010 erfolgen

Die Verfas­sungs­wid­rigkeit der angeführten Bestimmungen führt nicht zu deren Nichtigkeit. Da dem Landes­ge­setzgeber für die Neuregelung mehrere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, kann lediglich die Unvereinbarkeit der gegenwärtigen Regelung mit der Landes­ver­fassung festgestellt werden. Dem Landes­ge­setzgeber steht für den Erlass einer verfas­sungs­gemäßen Neuregelung eine Frist bis zum 31. Dezember 2010 zur Verfügung.

Regelungen bleiben weiterhin bis zu einer Neuregelung anwendbar

Die entsprechenden Bestimmungen des saarländischen Nicht­rau­cher­schutz­ge­setzes (§ 2 Abs. 1 Nr.7 i.V.m. § 3 Abs. 3 NRschG) bleiben wegen der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens in der Zwischenzeit bis zu einer verfas­sungs­gemäßen Neuregelung anwendbar. Dies bedeutet, dass das Rauchen in Gaststätten weiterhin grundsätzlich untersagt ist.

Um für die Betreiber kleinerer Gaststätten existentielle Nachteile zu vermeiden, hat der Verfas­sungs­ge­richtshof jedoch bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung die im Nicht­rau­cher­schutz­gesetz bereits vorgesehene Ausnahme wie folgt erweitert:

Richter gestatten Ausnahme: Gelegentliche Mithilfe durch volljährige Personen in inhaber­ge­führten Gaststätten möglich

In inhaber­ge­führten Gaststätten darf die gelegentliche Mithilfe auch durch volljährige Personen erfolgen, die nicht Famili­en­mit­glieder des Betreibers sind.

In Gaststätten mit weniger als 75 m2 Gastfläche darf der Betreiber das Rauchen gestatten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Gaststätte über einen abgetrennten Nebenraum verfügt. Jedoch ist die Befreiung vom Rauchverbot auf solche Gaststätten beschränkt, die lediglich kalte oder einfach zubereitete warme Speisen anbieten. Darüber hinaus ist die betreffende Gaststätte als Raucher­gast­stätte zu kennzeichnen.

Größere Gaststätten müssen Raucherräume einrichten

Für alle größeren Gaststätten bleibt es beim Verbot des Rauchens mit der Möglichkeit, separate Raucherräume einzurichten. Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Gastwirts, der eine Gaststätte führt, die nach den oben genannten Grundsätzen nicht vom Rauchverbot auszunehmen ist, hatte daher keinen Erfolg.

Ohne Erfolg blieb schließlich aufgrund von Stimmen­gleichheit die Verfas­sungs­be­schwerde eines Betreibers eines sog. Shisha-Cafés.

In Fällen von Stimmen­gleichheit im Verfas­sungs­ge­richtshof sieht das Gesetz vor, dass die Verfas­sungs­wid­rigkeit eines Gesetzes nicht festgestellt werden kann.

Keine weitere Ausnahme für reine Wasser­pfei­fen­lokale

Während die die Entscheidung nicht tragenden vier Verfas­sungs­richter die Rechts­auf­fassung vertreten haben, eine weitere Ausnahme für reine Wasser­pfei­fen­lokale sei erforderlich, weil von einem freiwilligen Besuch nichtrauchender Gäste in solchen Gaststätten ausgegangen werden müsse und der Gesetzgeber nicht dargelegt habe, dass die Notwendigkeit der Einrichtung von Nicht­rau­cher­räumen eine überhaupt geeignete Maßnahme des Nicht­rau­cher­schutzes in solchen Gaststätten sei, halten die die Entscheidung tragenden vier Verfas­sungs­richter eine weitere Ausnahme nicht für erforderlich. Sie haben ausgeführt:

Für Wasser­pfei­fen­lokale gelten die Regelungen für Raucherlokale

"Es ist jedoch das Ziel des Landes­ge­setz­gebers, Nichtraucher vor den Gefahren des Passivrauchens in Gaststätten dadurch zu schützen, dass sie möglichst überall Speise- und Schanklokale vorfinden sollen, die rauchfrei sind oder in denen es zumindest rauchfreie Räume gibt, damit sie nicht vor die Wahl gestellt werden, auf den Besuch der Gaststätte entweder zu verzichten oder die Gefährdung durch Passivrauchen in Kauf zu nehmen. Dieses Ziel wird am wirksamsten erreicht, wenn dafür alle Gaststät­te­n­inhaber in die Pflicht genommen werden, rauchfreie Räume vorzuhalten. Der Gesetzgeber braucht sich nicht darauf einzulassen, für Gaststätten, die auf ein bestimmtes - raucher­be­zogenes - Angebot ausgerichtet sind, Ausnahmen von dieser Regelung vorzusehen. Angesichts der hohen Bedeutung des Gesund­heits­schutzes darf er vielmehr die allgemeine Entscheidung treffen, dass es grundsätzlich keine Gastwirt­s­chaften mehr geben soll, in denen auf der gesamten Fläche geraucht werden darf. Soweit der Gesetzgeber aus Gründen des Existenz­schutzes für die Klein­ga­s­tronomie Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen hat, stehen die dadurch verfas­sungs­rechtlich gebotenen Möglichkeiten zur Führung einer Raucher­gast­stätte auch den Inhabern kleiner Wasser­pfei­fen­lokale offen. Für größere Wasser­pfei­fen­lokale gilt, dass deren Betreiber Einschränkungen zum Schutz der Gesundheit hinnehmen müssen."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des VerfGH des Saarlandes vom 01.12.2008

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