24.11.2024
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Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Urteil13.05.2014

Rundfunkbeitrag: Neuregelung der Rund­funk­finanzierung verfas­sungsgemäßAusgestaltung der Beitrags­er­hebung für nicht private Bereiche verstößt nicht gegen den Gleich­behandlungs­grundsatz

Die Neuregelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch die Erhebung von Rundfunk­bei­trägen ist verfas­sungsgemäß. Dies entschied der Verfassungs­gerichts­hof Rheinland-Pfalz.

Der Landtag Rheinland-Pfalz hat mit Gesetz vom 23. November 2011 (GVBl. S. 385) dem 15. Rundfun­k­än­de­rungs­staats­vertrag zugestimmt. Dieser beinhaltet insbesondere eine Neuregelung der Rundfunk­fi­nan­zierung ab dem 1. Januar 2013. Danach müssen Unternehmen Rundfunk­beiträge zahlen, deren Höhe von der Zahl der Betriebsstätten, der dort beschäftigten Mitarbeiter sowie der gewerblich genutzten Kraftfahrzeuge abhängt. Neben Auskunfts­pflichten der Beitrags­schuldner sowie Daten­er­he­bungs­rechten der Landes­rund­funk­an­stalten ist ein einmaliger Datenabgleich mit den Meldebehörden angeordnet.

Beschwer­de­führerin rügt Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz durch Neuregelung der Rundfunk­fi­nan­zierung

Die Beschwer­de­führerin des zugrunde liegenden Verfahrens, ein gewerbliches Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in und außerhalb von Rheinland-Pfalz, sieht sich durch die nunmehrige Ausgestaltung der Beitragspflicht, die ihr auferlegten Anzeige-, Auskunfts- und Nachweis­pflichten, die vorgesehene Daten­ver­a­r­beitung sowie die angeordnete Fortgeltung von Lastschriften und Einzugs­er­mäch­ti­gungen in ihrer durch die Landes­ver­fassung gewährleisteten Eigentums-, Gewerbe-, Informations- und allgemeinen Handlungs­freiheit sowie in ihrem Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung verletzt; zudem verstoße die Neuregelung gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz.

Verfas­sungs­be­schwerde unzulässig und unbegründet

Der Verfas­sungs­ge­richtshof wies die Verfas­sungs­be­schwerde in Teilen als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück.

Verstoß gegen Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung sowie gegen Berufs-, Gewerbe-, Eigentums- und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit ausgeschlossen

Die Beschwer­de­führerin könne sich nicht unmittelbar vor dem Verfas­sungs­ge­richtshof gegen Einzelheiten der Beitrags- und der Datenerhebung wenden. Diese müssten vielmehr zunächst durch die Verwal­tungs­ge­richte geklärt werden, weshalb die Verfas­sungs­be­schwerde insoweit unzulässig sei. Zudem sei ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbst­be­stimmung sowie gegen die Berufs-, Gewerbe-, Eigentums- und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit von vornherein offenkundig ausgeschlossen; deren Schutzbereiche würden durch die Neuregelung der Rundfunk­fi­nan­zierung nicht berührt.

Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Landes zurecht beanstandet

Zulässig sei die Verfas­sungs­be­schwerde jedoch, soweit die Beschwer­de­führerin die Gesetz­ge­bungs­kom­petenz des Landes bestreite und einen Verstoß gegen das Gleich­be­hand­lungsgebot rüge. Diesbezüglich sei sie allerdings unbegründet.

Rundfunkbeitrag ist keine Steuer sondern Beitrag im abgaben­recht­lichen Sinn

Das Land sei für die Neuregelung der Rundfunk­fi­nan­zierung zuständig gewesen. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich nicht um eine Steuer, für deren Regelung das Land keine Gesetz­ge­bungs­kom­petenz habe, sondern um einen - in der Zuständigkeit der Länder liegenden - Beitrag im abgaben­recht­lichen Sinn. Maßgebliches Abgren­zungs­kri­terium hierfür sei nicht die Bezeichnung der Abgabe. Vielmehr komme es darauf an, ob sie dem Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile diene (Beitrag) oder hiervon unabhängig zur Finanzierung allgemeiner staatlicher Aufgaben auferlegt werde (Steuer). Der Rundfunkbeitrag sei vom Gesetzgeber so ausgestaltet worden, dass er als Gegenleistung für die grundsätzliche Möglichkeit des Rundfun­k­empfangs erhoben werde. Diese Konnexität von Abgabenlast und staatlicher Leistung folge zudem daraus, dass sowohl die Höhe als auch die Verwendung der Rundfunkabgabe von Verfassungs wegen durch den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunk­an­stalten nicht nur bestimmt, sondern zugleich auch begrenzt seien. Durch eine beitrags­ba­sierte Rundfunk­fi­nan­zierung werde weder die bundess­taatliche Finanz­ver­fassung gefährdet noch würden deren Vertei­lungs­regeln umgangen. Der erforderliche Schutz der Beitrags­pflichtigen werde dadurch gewahrt, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunk­an­stalten (KEF) bei ihrem Beitrags­vor­schlag nicht nur den Bedarf der Anstalten, sondern auch die Belastung der Bürger berücksichtigen müsse. Der Einordnung als nicht­steu­erliche Abgabe widerspreche schließlich nicht die Zahl der Beitrags­pflichtigen. Bezugsrahmen für die Feststellung eines "besonderen" Vorteils sei nicht die Stellung des Abgabe­pflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung. Maßgeblich sei vielmehr die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den Gemeinlasten, d. h. den allgemeinen staatlichen Aufgaben.

Öffentlich-rechtlichem Rundfunk obliegt Sicherung der Meinungs­vielfalt und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit

Die Bereitstellung öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei ein Vorteil nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für den so genannten nicht privaten - gewerblichen bzw. unter­neh­me­rischen - Bereich. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk diene der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung; ihm obliege die Sicherung der Meinungs­vielfalt sowie Infor­ma­ti­o­ns­freiheit als wesentliche Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften. Wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft komme ihm hierbei eine im Vergleich zu anderen Medien herausgehobene Bedeutung zu. Von einer funkti­o­nie­renden, auf einer von politischen und finanziellen Interessen unbeeinflussten Meinungs- und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit aufbauenden Demokratie profitierten nicht nur die Bürgerinnen und Bürger. Vielmehr sei eine freie wirtschaftliche Betätigung allein in einem demokratischen Umfeld möglich. An der gesell­schaft­lichen, insbesondere der politischen Meinungsbildung wirkten Unternehmen und ihre Verbände zudem passiv wie aktiv mit. Weitere Vorteile ergäben sich daraus, dass der Rundfunk eine wichtige Infor­ma­ti­o­ns­quelle wirtschafts- und erwer­bs­re­le­vanter Informationen sei.

Gesetzgeber darf bei Umsetzung seiner Entscheidungen auf genera­li­sierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zurückgreifen

Die Ausgestaltung der Beitrags­er­hebung verstoße nicht gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz. Insoweit könnten die Vielge­stal­tigkeit der rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an eine zeitgemäße Rundfunk­fi­nan­zierung, die nicht zuletzt in dem Umfang und der Dauer der Geset­zes­be­ra­tungen zum Ausdruck kämen, die Erfahrungen mit dem bisherigen Rundfunk­ge­büh­renrecht wie auch das mit einer solchen Umgestaltung zwangsläufig verbundene prognostische Element nicht unbeachtet bleiben. Jede gesetzliche Regelung müsse generalisieren. Dies gelte insbesondere bei der Ordnung von Masse­n­er­schei­nungen, wie sie gerade im Abgabenrecht aufträten. Der Gesetzgeber sei daher gezwungen, aber auch berechtigt, seinen Entscheidungen ein Gesamtbild zugrunde zu legen und dieses in genera­li­sie­renden, typisierenden und pauscha­lie­renden Regelungen umzusetzen. Damit unvermeidlich verbundene Härten allein verstießen nicht schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Unter­schiedliche Bewertung der Rundfunknutzung im privaten wie im nicht privaten Bereich verstößt nicht gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz

Die unter­schiedliche Ausgestaltung der Rundfunk­bei­trags­pflichten im privaten und im nicht privaten Bereich folge aus der - im Ermessen des Gesetzgebers liegenden - Entscheidung, die Beitragspflicht nicht mehr von dem Vorhalten eines Rundfun­k­emp­fangs­geräts abhängig zu machen, sondern an die grundsätzlich unbeschränkte Möglichkeit des Rundfun­k­empfangs anzuknüpfen und die Beitragshöhe anhand einer typisierten, insbesondere auf die jeweils übliche bzw. mögliche Nutzungs­in­tensität sowie den zu erwartenden Vorteil abstellenden Rundfunknutzung zu bestimmen. Insoweit verstoße es nicht gegen den Gleich­be­hand­lungs­grundsatz, dass der Gesetzgeber diese Kriterien im privaten sowie im nicht privaten Bereich unterschiedlich bewertet habe. Beide Bereiche unterschieden sich so grundlegend voneinander, dass eine einheitliche Maßstabsbildung ausgeschlossen, zumindest jedoch nicht zwingend sei. So habe der Gesetzgeber bei der Entscheidung, Kraftfahrzeuge nicht auch im gewerblichen Bereich unabhängig von ihrer Zahl beitragsfrei zu lassen, berücksichtigen dürfen, dass Fahrzeuge im nicht privaten Bereich Erwerbszwecken dienten und steuerlich als Betrie­bs­vermögen abgesetzt werden könnten. Dass Rundfunk im Auto intensiver als während sonstiger beruflicher Tätigkeiten genutzt werde, entspreche wiederum allgemeiner Lebenserfahrung; dem habe der Gesetzgeber bei der Bemessung der Beiträge Rechnung tragen können.

Rund 70 % der Betriebsstätten müssen lediglich den ermäßigten Rundfunkbeitrag zahlen

Zu der gesetz­ge­be­rischen Annahme einer grundsätzlich überall - wenn auch in unter­schied­licher Intensität - erfolgenden Rundfunknutzung als Maßstab für die Berechnung der Beitragshöhe lägen bislang keine Erfahrungen vor. Jedoch müssten nach statistischen Erhebungen voraussichtlich rund 70 % der Betriebsstätten lediglich den ermäßigten Beitrag von einem Drittel und weitere 20 % nur einen vollen Rundfunkbeitrag zahlen. Zudem dürfe eine Typisierung und Pauschalierung ausnahmsweise ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte erfolgen, wenn sich aufgrund der Eigenarten der zu regelnden Lebens­sach­verhalte ein Regelfall nicht feststellen lasse und hiermit nur eher geringfügige Belastungen einhergingen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben: Pro Beschäftigtem belaufe sich der Beitrag auf zwischen 5,99 Euro und weniger als ,11 Euro im Monat und damit auf Bruchteile der Personalkosten; auch der für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge zu zahlende Beitrag von 5,99 Euro monatlich wirke sich gegenüber den sonstigen Betriebskosten nicht aus.

Zuteilung zu Beitragsgruppen soll Besserstellung von Filialbetrieben gegenüber Einzelbetrieben verhindern

Gleich­heits­rechtlich unbedenklich sei des Weiteren die Entscheidung, der Zuteilung zu den einzelnen Beitragsgruppen nicht die Zahl der bei einem Betrie­bs­s­tät­te­n­inhaber insgesamt, sondern der in den jeweiligen Betriebsstätten Beschäftigten zugrunde zu legen. Zwar könne dies zu einer unter­schied­lichen Beitrags­be­lastung von Betrie­bs­s­tät­te­n­in­habern trotz gleicher Gesamt­be­schäf­tig­tenzahl führen. Eine solche Ungleich­be­handlung begegne jedoch deshalb keinen gleich­heits­recht­lichen Bedenken, weil damit eine Besserstellung von Filialbetrieben gegenüber den mit ihnen vor Ort im Wettbewerb stehenden Einzelbetrieben verhindert werden solle. Eine weitere Unterscheidung der Beitragspflicht danach, ob Betriebsstätten tatsächlich in einem solchen Konkur­renz­ver­hältnis stehen, scheide angesichts des damit verbundenen Vollzugs­aufwands sowie des Fehlens trennscharfer Abgren­zungs­kri­terien aus.

Anknüpfung der Beitragspflicht an (potenzielle) Rundfunknutzer widerspricht nicht dem der Neuregelung zugrunde liegenden Prinzip

Ebenfalls verfas­sungs­konform sei es, die Abgabenlast im nicht privaten Bereich nicht linear anhand der Zahl der Beschäftigten, sondern dadurch degressiv auszugestalten, dass diese zu Gruppen zusammengefasst würden und der auf den einzelnen Mitarbeiter entfallende Beitrag mit zunehmender Zahl der Beschäftigten abnehme. Insbesondere widerspreche dies nicht dem der Neuregelung zugrunde liegenden Prinzip, die Beitragspflicht an die (potenziellen) Rundfunknutzer anzuknüpfen. Letzteres sei auch dann gewahrt, wenn sich die Zahl möglicher Rezipienten nicht in dem auf den einzelnen Mitarbeiter entfallenden Beitrag, wohl aber in der Gesamthöhe der geschuldeten Beiträge widerspiegele.

Gesetzgeber und Gerichte müssen Möglichkeit abweichender verfas­sungs­recht­licher Bewertungen aufgrund extremer Härtefälle fortlaufend prüfen

Eine Rücksichtnahme auf weitere atypische Fälle sei derzeit verfas­sungs­rechtlich nicht geboten. Der Gesetzgeber müsse jedoch die Entwicklung des Rundfunk­bei­trags­rechts einschließlich der hierzu wechsel­be­züg­lichen technischen Veränderungen kontinuierlich beobachten. Ihm - wie auch den Verwal­tungs­ge­richten - obliege insbesondere die fortlaufende Prüfung, ob extreme Härtefälle eine abweichende verfas­sungs­rechtliche Bewertung (Einführung einer Härte­fa­ll­re­gelung auch im nicht privaten Bereich) erforderten. Solche habe die Beschwer­de­führerin für sich nicht darlegen können. Zu deren Begründung könne jedenfalls nicht allein geltend gemacht werden, trotz bestehender Möglichkeit hierzu werde tatsächlich kein Rundfunk empfangen; auch eine etwaige Mehrbelastung gegenüber dem bisherigen Rundfunk­ge­büh­renrecht sei insoweit unbeachtlich.

Prognostizierte Mehreinnahmen durch Neuregelung der Rundfunk­fi­nan­zierung ziehen Verhält­nis­mä­ßigkeit nicht in Zweifel

Die Rundfunk­beiträge seien schließlich verhältnismäßig. Sie beliefen sich auf einen nur geringen Prozentsatz der Personal- und Betriebskosten. Auch die von der KEF prognos­ti­zierten Mehreinnahmen zögen die Verhält­nis­mä­ßigkeit nicht in Zweifel. Die vollständige Neugestaltung der Rundfunk­fi­nan­zierung erfordere eine prognostische Entscheidung des Gesetzgebers, mit der Ungenauigkeiten und Abweichungen zwangsläufig verbunden seien. Eine von Anbeginn bestehende Aufkom­mens­neu­tralität sei deshalb nicht Voraussetzung der Verfas­sungs­mä­ßigkeit des gesetz­ge­be­rischen Handelns. Die geschätzten Mehreinnahmen beliefen sich zudem zwar auf mehr als 1,1 Mrd. Euro, wichen hiermit jedoch nur um 3,7 % von dem von der KEF festgestellten Finanzbedarf ab. Darüber hinaus gewährleiste das Rundfunk­fi­nan­zie­rungsrecht, dass etwaige Mehreinnahmen bei der Berechnung des zukünftigen Finanzbedarfs berücksichtigt würden und sich letztlich nicht zu Lasten der Beitrags­pflichtigen auswirkten.

Quelle: Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz/ra-online

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