18.10.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil21.07.2016

Teilverzicht eines Lehrers auf Erstattung von Reisekosten für Klassenfahrt wirksamReisekosten­vergütung ist nicht Teil der Besoldung

Der Verwaltungs­gerichts­hof hat entschieden, dass verbeamtete Lehrer vorab auf die Geltendmachung von Reisekosten für außer­unterrichtliche Veranstaltungen wirksam verzichten können. Insbesondere verstoße es nicht gegen Treu und Glauben, wenn im Dienst­rei­se­formular systematisch ein (Teil-)Verzicht auf Reisekosten abgefragt werde.

Die Verwal­tungs­vor­schrift des Kultus­mi­nis­teriums vom 6. Oktober 2002 "Außer­un­ter­richtliche Veranstaltungen der Schulen" sieht vor, dass die Gesamt­leh­rer­kon­ferenz über die Grundsätze der in einem Schuljahr stattfindenden Veranstaltungen berät und beschließt und dass die Genehmigung solcher Veranstaltungen durch den Schulleiter nur im Rahmen der verfügbaren, den Schulen vorab mitgeteilten Mittel möglich sind, es sei denn die teilnehmenden Lehrer und Begleitpersonen verzichten vorher ganz oder teilweise auf Reise­kos­ten­ver­gütung.

Formular regelt vollständigen oder anteiligen Verzicht auf Reisekosten

Das entsprechende Formular für Dienst­rei­se­anträge enthält daher folgenden Text:

"Mir ist bekannt, dass ich einen Anspruch auf Reise­kos­ten­ver­gütung habe, auf den ich aber ganz oder teilweise verzichten kann. Außerdem ist mir bekannt, dass

- ein solcher Verzicht von mir nicht erwartet wird,

- eine Verzichts- oder Teilver­zichts­er­klärung aber bei bereits verbrauchten Reise­kos­ten­mitteln die Veranstaltung ermöglichen kann,

- auch in diesen Fällen Anspruch auf beamten­rechtliche Unfallfürsorge bzw. Unfall­ver­si­che­rungs­schutz besteht.

In Kenntnis dieser Sachlage erkläre ich:

Verantwortliche/r Lehrer/in [ ] Ich werde die volle Reise­kos­ten­ver­gütung beantragen.

[ ] Ich verzichte auf den ___ Euro übersteigenden Betrag.

[ ] Ich verzichte auf Reise­kos­ten­ver­gütung.

Datum ______ Unterschrift ______"

Lehrer gibt Teilverzicht ohne Angabe eines Betrags an

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens ist verbeamteter Realschullehrer in Mosbach. Im Mai 2013 beantragte er bei seiner Schulleitung, eine fünftägige Abschlussfahrt mit Musicalbesuch in Berlin mit einer 10. Klasse als Dienstreise zu genehmigen. Er erklärte, ihm und einer Begleitperson entstünden voraussichtlich Kosten in Höhe von 220 Euro. Der Kläger kreuzte im Geneh­mi­gungs­formular das zweite Feld an, unterschrieb die Erklärung und ließ das Feld zum Eintrag eines Euro-Betrags frei. Die Schulleiterin genehmigte den Dienst­rei­se­antrag und füllte das Betragsfeld mit 88 Euro aus.

VG: Land ist zur Erstattung notwendiger, dienstlich veranlasster Reisekosten verpflichtet

Das Landesamt für Besoldung und Versorgung setzte die Reisekosten des Klägers unter Hinweis auf seine Teilver­zichts­er­klärung auf 88 Euro fest. Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Verwal­tungs­gericht Karlsruhe. Dieses verpflichtete das Land Baden-Württemberg (Beklagter), ihm weitere Reisekosten in Höhe von 109,54 Euro zu gewähren. Das Land könne sich auf den Verzicht des Klägers nicht berufen, da dies gegen Treu und Glauben verstoße. Es sei zur Erstattung notwendiger, dienstlich veranlasster Reisekosten verpflichtet. Diese Fürsorgepflicht verletze das Land als Dienstherr, wenn er im Antragsformular für die Genehmigung von Dienstreisen für außer­un­ter­richtliche Veranstaltungen systematisch einen Verzicht auf Reisekosten abfrage. Hierdurch werde ein schwerwiegender Interessen- und Loyali­täts­konflikt ausgelöst, da vom Lehrer ein abwechs­lungs­reicher Unterricht erwartet werde, ein Verzicht auf außer­un­ter­richtliche Veranstaltungen die Missbilligung von Schülern und Eltern und negative Konsequenzen bei der dienstlichen Beurteilung nach sich ziehen und das Verlangen voller Reisekostenerstattung zum Vorwurf unkollegialen Verhaltens führen könne.

VGH erklärt Verzicht auf Reisekosten für rechtlich zulässig

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat auf die Berufung des Landes das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Karlsruhe geändert und die Klage vollständig abgewiesen. Der Verzicht auf eine Reise­kos­ten­ver­gütung sei rechtlich zulässig. Darin liege kein verbotener Verzicht auf die Besoldung. Denn die Reise­kos­ten­ver­gütung sei nicht Teil der Besoldung. Ohne Erfolg mache der Kläger geltend, er wisse bei Beantragung einer Dienstreise für eine außer­un­ter­richtliche Veranstaltung nicht, welcher Betrag ihm für die Veranstaltung als Reisekosten zur Verfügung stehe. Die Verwal­tungs­vor­schrift "Außer­un­ter­richtliche Veranstaltungen der Schule" sehe ein Verfahren vor, das dem Lehrer ermögliche hinreichend konkret zu erfahren, welches Budget er für eine außer­un­ter­richtliche Veranstaltung erhalte. Er könne mithin eine Veranstaltung durchführen, die dieses Budget einhalte, sodass ihm keine weiteren Kosten entstehen und ein (Teil-)Verzicht nicht erforderlich ist. Im Übrigen stehe es ihm auch frei, überhaupt keinen (Teil-)Verzicht zu erklären, sodass hernach Schulleitung bzw. Gesamt­leh­rer­kon­ferenz entscheiden müssten, ob die Veranstaltung dennoch finanziert und durchgeführt werden könne. Das Land handle nicht wider Treu und Glauben, wenn es sich auf den Verzicht berufe. Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung sei nur begründet, wenn ein qualifiziertes Fehlverhalten des Dienstherrn vorliege. Daran fehle es hier. Der Dienstherr und damit auch die Schulen seien an die sich aus dem Landes­haus­haltsrecht ergebenden Begrenzungen gebunden. Bei dem nach der Verwal­tungs­vor­schrift erfolgenden Beschluss über die in einem Schuljahr stattfindenden außer­un­ter­richt­lichen Veranstaltungen habe die Gesamt­leh­rer­kon­ferenz deshalb zu berücksichtigen, dass der Landes­ge­setzgeber hierfür nur begrenzte Mittel - in den Haushaltsjahren 2014, 2015 und 2016 jeweils rund 3 Mio. Euro - zur Verfügung gestellt habe. Innerhalb des Schulbudgets bestehe für die Schulen und Lehrer hingegen Gestal­tungs­freiraum.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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