21.11.2024
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Dokument-Nr. 14388

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Urteil16.10.2012Bundesarbeitsgericht9 AZR 183/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2013, 102Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 102
  • NZA 2013, 42Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht (NZA), Jahrgang: 2013, Seite: 42
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ergänzende Informationen

Bundesarbeitsgericht Urteil16.10.2012

Lehrerin hat trotz Verzichts­er­klärung Anspruch auf Reise­kos­te­n­er­stattung für mehrtägige SchulfahrtGenehmigung von Schulfahrten kann nicht generell an Verzicht auf Erstattung von Reisekosten gebunden werden

Ein Land, das per Gesetz vorsieht, dass Schulfahrten grundsätzlich nur zu genehmigen sind, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, verstößt damit grob gegen seine Fürsorgepflicht. Mit der generellen Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten stellt das Land die bei ihm angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, ihr Interesse an einer Reise­kos­te­n­er­stattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erzie­hungs­arbeit sind, nicht stattfinden. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­a­r­beits­ge­richts hervor.

Schulfahrten sind nach den Wander­richt­linien des beklagten Landes Bestandteile der Bildungs- und Erzie­hungs­arbeit der Schulen. Die Teilnahme an Schulfahrten gehört zu den dienstlichen Aufgaben der Lehrkräfte, wobei die Leitung in der Regel der Klassenlehrerin oder dem Klassenlehrer obliegt. Die Genehmigung der Schulfahrten und der Dienstreisen für die teilnehmenden Lehrkräfte ist bei der Schulleitung auf dem dafür vorgesehenen Formular zu beantragen.

Sachverhalt

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist an einer Gesamtschule des beklagten Landes als Lehrerin beschäftigt. Sie beantragte als Klassenlehrerin für ihre Klasse die Genehmigung einer mehrtägigen Studienfahrt nach Berlin. In dem in der Gesamtschule hierfür verwandten Formular heißt es u.a.: "Die [...] zu zahlende(n) Reise­kos­ten­ver­gütung(en) ist/sind durch die für unsere Schule vorgesehenen Haushaltsmittel nicht mehr gedeckt; da die Veranstaltung trotzdem durchgeführt werden soll, verzichte(n) ich/wir [...] auf die Zahlung der Reise­kos­ten­ver­gütung." Anlässlich der genehmigten Studienfahrt entstanden der Klägerin Reisekosten in Höhe von 234,50 Euro, wovon ihr 28,45 Euro erstattet wurden. Die Erstattung der übrigen Reisekosten lehnte das beklagte Land unter Hinweis auf die Verzichts­er­klärung der Klägerin im Antragsformular ab.

Das Arbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Das Landes­a­r­beits­gericht hat ihr stattgegeben und der Klägerin den Differenzbetrag in Höhe von 206,05 Euro zugesprochen.

Land verstößt durch Pflicht der Lehrer zum Verzicht auf Erstattung der Reisekosten grob gegen Fürsorgepflicht

Die Revision des beklagten Landes hatte vor dem Bundes­a­r­beits­gericht keinen Erfolg. Die Annahme des Landes­a­r­beits­ge­richts, dem beklagten Land sei es unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung wegen unredlichen Erwerbs der eigenen Rechtsstellung verwehrt, sich auf die von ihm vorformulierte Verzichts­er­klärung der Klägerin zu berufen, ist revisi­ons­rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar finden nach § 23 Abs. 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder für die Erstattung von Reisekosten die für die Beamtinnen und Beamten des Arbeitgebers jeweils geltenden Bestimmungen entsprechende Anwendung. Das Gesetz über die Reise­kos­ten­ver­gütung der Beamtinnen und Beamten des beklagten Landes sieht insoweit vor, dass Dienstreisende vor Antritt einer Dienstreise schriftlich erklären können, keinen Antrag auf Reise­kos­ten­ver­gütung zu stellen. Das beklagte Land verstößt jedoch mit der Praxis, Schulfahrten grundsätzlich nur zu genehmigen, wenn die teilnehmenden Lehrkräfte auf die Erstattung ihrer Reisekosten verzichten, grob gegen seine Fürsorgepflicht. Mit der generellen Bindung der Genehmigung von Schulfahrten an den Verzicht auf die Erstattung von Reisekosten stellt das beklagte Land die bei ihm angestellten Lehrkräfte unzulässig vor die Wahl, ihr Interesse an einer Reisekostenerstattung zurückzustellen oder dafür verantwortlich zu sein, dass Schulfahrten, die Bestandteil der Bildungs- und Erzie­hungs­arbeit sind, nicht stattfinden.

Quelle: Bundesarbeitsgericht/ra-online

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