03.12.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil23.11.2016

Krypta im Industriegebiet zulässigFür das Baugrundstück geltender Bebauungsplan der Gemeinde wird von zusätzlicher Einrichtung der Krypta in der Kirche nicht berührt

Der Verwaltungs­gerichts­hof Baden-Württemberg hat den Bau einer Krypta in einem Industriegebiet für zulässig erklärt.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist eine Pfarrgemeinde der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien mit derzeit etwa 600 Mitgliedern. Sie ist Eigentümerin eines Grundstücks in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Industriegebiet, auf dem sie mit einer 1994 von der Stadt Bad Rappenau (Beklagte) erteilten Baugenehmigung eine Kirche errichtet hat. Im Jahr 2005 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für eine Krypta im Untergeschoss der Kirche. Die Krypta soll als Begräbnisstätte mit 10 Bestat­tungs­plätzen für die verstorbenen Pfarrer der Kirchengemeinde dienen. Zur Begründung verwies die Klägerin auf die verbindliche Tradition, wonach syrisch-orthodoxe Geistliche nicht auf öffentlichen Friedhöfen, sondern nur in "geweihter Erde", möglichst unter dem Altar der eigenen Kirche begraben werden müssten.

VGH lehnt Bauantrag mit Verweis auf Schutz der Totenruhe ab

Die Beklagte lehnte den Bauantrag für die Krypta ab. Die hiergegen gerichtete Klage lehnte der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 20. Juli 2011 ab. Wegen des Schutzes der Totenruhe dürfe in eine Kirche, die in einem Industriegebiet liege, keine Krypta eingebaut werden. Das Gebot der Hauskir­chen­be­stattung sei zwar Teil des traditionellen Ritus der syrisch-orthodoxen Glaubens­ge­mein­schaft, der wegen der verfas­sungs­recht­lichen Bedeutung der Religi­o­ns­aus­übungs­freiheit zu berücksichtigen sei. Es handele sich nicht jedoch um einen zwingenden Bestandteil der Religi­o­ns­ausübung im engeren Sinn. In dem Industriegebiet sollten nach den Planungen der Gemeinde vor allem stark emittierende Gewerbebetriebe untergebracht werden. Nach einem Bau der Krypta müsse auf die Totenruhe Rücksicht genommen werden und auf längere Sicht bestehe die reale Möglichkeit, dass zu deren Schutz Lärmschutz­auflagen gegenüber dem angrenzenden Betrieb erlassen würden. Die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde der Klägerin hiergegen wies das Bundes­ver­wal­tungs­gericht mit Beschluss vom 27. Juni 2013 zurück.

BVerfG hebt Urteil des VGH wegen Verletzung der Religi­o­ns­freiheit auf

Auf die Verfas­sungs­be­schwerde der Klägerin hin hob das Bundes­ver­fas­sungs­gericht das Urteil des Verwal­tungs­ge­richtshofs vom 20. Juli 2011 wegen einer Verletzung der Religionsfreiheit der Klägerin auf. Im Urteil aus dem Jahr 2011 sei der Glaubens- und Bekennt­nis­freiheit der Klägerin nicht hinreichend Rechnung getragen. So fehle es an Feststellungen dazu, wie die bestehende Kirche gegenwärtig im Einzelnen genutzt werde, an welchen Tagen in den umliegenden Indus­trie­be­trieben gearbeitet werde und wie sich im Hinblick darauf gerade durch die Zulassung der Krypta im Einzelnen eine zusätzliche Belastung ergeben könnte. Der Verwal­tungs­ge­richtshof werde dem Gewähr­leis­tungs­gehalt der Glaubens­freiheit auch nicht gerecht, soweit er annehme, das Gebot der Hausbestattung habe keinen zwingenden Charakter.

Bauvorhaben fällt in Schutzbereich der Glaubens- und Gewis­sens­freiheit

Nach der Zurück­ver­weisung des Rechtsstreits durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat der Verwal­tungs­ge­richtshof der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Krypta stattgegeben. Zur Begründung führte das Gericht im Wesentlichen aus, dass der Klägerin angesichts der für das Gericht bindenden Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ein Anspruch auf baurechtliche Zulassung der Krypta zu stehe. Maßgeblich sei dabei, dass die Krypta in einer bereits genehmigten und von der Klägerin als solche auch genutzten Kirche eingerichtet werden solle und dass das Vorhaben dem Schutzbereich der Glaubens- und Gewis­sens­freiheit unterfalle. Der für das Baugrundstück geltende Bebauungsplan der Gemeinde werde von der zusätzlichen Einrichtung der Krypta in der Kirche nicht in seinen Grundzügen berührt. Von der in der Zwischenzeit erlassenen Verän­de­rungs­sperre sei eine Ausnahme zu erteilen. Auch könnten der Glaubens- und Gewis­sens­freiheit der Klägerin nach dem Beschluss des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts nur das Eigentumsrecht und die Berufs­aus­übungs­freiheit der Nachbarbetriebe, nicht aber das Pietäts­emp­finden der Nachbarn und der Allgemeinheit entgegen gehalten werden. Nennenswerte weitere Auswirkungen auf das Eigentum und die Berufsfreiheit der Nachbarbetriebe seien aber angesichts der bereits bestehenden Kirchennutzung durch die Einrichtung der Krypta nicht konkret zu erwarten.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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