Der Antragsteller des zugrunde liegenden Verfahrens ist Journalist der Tageszeitung "Bild". Er recherchiert zum Fall eines Sportmediziners, dem vorgeworfen wird, in den 1970iger und 1980iger Jahren Sportler mit Dopingmitteln versorgt zu haben. Er wandte sich an das Landesarchiv Baden-Württemberg und bat um Einsicht in dort gelagerte Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Freiburg. Nach dem Landesarchivgesetz (LArchG) hat jedermann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht, das Recht, das Archivgut nach Ablauf der Sperrfrist zu nutzen. Die Sperrfrist läuft bei Akten, die sich auf eine natürliche Person beziehen, frühestens zehn Jahre nach deren Tod ab. Sie kann auf Antrag verkürzt werden, wenn die Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken oder zur Wahrnehmung berechtigter Belange, die im überwiegenden Interesse einer anderen Person oder Stelle liegen, "unerlässlich" ist.
Das Landesarchiv Baden-Württemberg teilte dem Journalisten mit, dass die betreffenden Akten noch der gesetzlichen Sperrfrist unterlägen. Der Antragsteller beantragte daraufhin unter Berufung auf sein journalistisches Rechercheinteresse die Verkürzung der Sperrfrist für Akten von Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Freiburg gegen den Sportmediziner aus den Jahren 1986 und 1995. Das Landesarchiv lehnte dies ab; die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Sperrfrist seien nicht erfüllt.
Daraufhin begehrte der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Stuttgart, den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung zu verpflichten, ihm Zugang bzw. Einsicht zu den Ermittlungsverfahren gegen den Sportmediziner aus den Jahren 1986 und 1995 zu gewähren. Er machte u.a. auch geltend, der Antragsgegner habe in zwei Fällen Dritten Zugang zu den streitigen Akten gewährt und aufgrund dieser Akteneinsicht hätten eine Rundfunkanstalt und eine Zeitung über den Inhalt dieser Akten berichtet. Das Verwaltungsgericht lehnte den Eilantrag ab.
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der Sperrfrist seien nicht erfüllt. Mit dem Tatbestandsmerkmal der "Unerlässlichkeit" messe der Gesetzgeber den Belangen der Personen, die von einer Akteneinsicht betroffen seien, bewusst ein besonderes Gewicht bei. Eine Sperrzeitverkürzung setze daher nicht nur voraus, dass das Interesse an der Nutzung des Archivgutes das Schutzinteresse des Betroffenen im Einzelfall überwiege. Hinzukommen müsse, dass die Nutzung des Archivguts für die Verwirklichung eines besonders gewichtigen Belangs unabdingbar, in jeder Hinsicht unverzichtbar sei. Daran fehle es hier auch unter Berücksichtigung der besonderen Bedeutung der Pressefreiheit. Das Rechercheinteresse des Antragstellers in einer wichtigen öffentlichen Angelegenheit könne allein die Unerlässlichkeit nicht begründen. Denn sonst führte jedes solche Rechercheinteresse dazu, dass die vom Gesetzgeber verfassungsgemäß vorgenommene Interessenbewertung mit dem besonderen Schutz des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen umgekehrt würde. Darüber hinausgehende besondere Umstände, dass der Antragsteller für seine Recherche unabdingbar gerade auf die genannten Akten angewiesen sei und daher bei Ablehnung der Akteneinsicht mangels sonstiger Erkenntnisquellen ein gravierender und unzumutbarer Schaden für die Pressefreiheit in einer besonders gewichtigen Angelegenheit entstünde, lägen nicht vor.
Der Antragsteller könne sich auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot berufen. Der Umstand, dass der Antragsgegner in zwei Fällen Dritten Zugang zu den streitigen Akten gewährt und dass aufgrund dieser Akteneinsicht eine Rundfunkanstalt und eine Zeitung über den Inhalt dieser Akten berichtet hätten, verletze das Gleichbehandlungsgebot nicht. Denn der Antragsgegner habe alle journalistischen Akteneinsichtsanträge abgelehnt und lediglich Forschungsanträgen mit Auflagen stattgegeben, die für eine journalistische Akteneinsicht nicht gälten. Es seien keine Anhaltspunkte erkennbar, dass er Einsichtsanträgen, die als Forschungsanträge bezeichnet gewesen seien, in dem Wissen stattgegeben habe, dass diese nur zum Schein als Forschungsanträge bezeichnet seien.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 22.07.2015
Quelle: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof/ra-online