03.12.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss20.06.2012

Presse hat Recht auf Einsicht in vollständige Handels­register­aktenSchutz der Recherche kann ausbleibende Information über Akten­einsichts­gesuchen an betroffene Firma rechtfertigen

Einem Angehörigen eines Presseorgans ist für eine - verdeckt - Recherche die Einsichtnahme in die vollständigen Handels­register­akten einer Firma zu gestatten (Sonder- und Hauptband). Zum Schutz der Recherche kann es zudem geboten sein, der betroffenen Firma das Akten­einsichts­gesuch nicht mitzuteilen. Das entschied das Oberlan­des­gericht Hamm unter Abänderung der erstin­sta­nz­lichen Entscheidung des Amtsgerichts Essen.

Der Antragsteller des zugrunde liegenden Falls ist Journalist. Er beabsichtigte für eine - verdeckte - Recherche zum Umgang mit öffentlichen Fördergeldern für ein Weltkul­tur­er­be­projekt die vollständigen Handels­re­gis­terakten einer in Essen ansässigen Firma einzusehen. Dies hatte das Amtsgericht unter Hinweis auf das unzweifelhaft bestehende Einsichtsrecht in die öffentlich zugänglichen Teile der Registerakte abgelehnt. (Anm.: Öffentlich zugänglich sind neben den Angaben des Handels­re­gisters selbst die zum Register eingereichten Schriftstücke, das sind die im Sonderband zu führenden Handels­re­gis­teran­mel­dungen einer Firma mit den hierzu eingereichten Anlagen sowie Belege und Unterlagen einer Eintragung. Demgegenüber sind Schriftstücke, die aufgrund einer eigenen Tätigkeit des Regis­ter­ge­richts entstanden sind, im nicht öffentlich zugänglichen Hauptband abzulegen.)

OLG bejaht berechtigtes Interesse des Journalisten an Akteneinsicht

Die Beschwerde des Journalisten hatte Erfolg. Nach der Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm war dem Begehren des Antragstellers zu entsprechen. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zur Pressefreiheit habe der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme, das nach der einschlägigen gesetzlichen Vorschrift des § 13 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit das unbeschränkte Einsichtsrecht begründe. Das berechtigte Interesse bestehe, weil das Einsichtsgesuch auf die Beschaffung journalistisch verwertbarer Informationen über irgendwie geartete Verflechtungen zwischen Firmen gerichtet sei, die von der Gewährung öffentlicher Fördergelder für das Weltkul­tur­er­be­projekt profitiert hätten. Es sei der publizistischen Vorbe­rei­tung­s­tä­tigkeit zuzuordnen, die vom Schutzbereich der Pressearbeit erfasst werde.

Akteneinsicht für beabsichtigte Recherche geeignet

Die beantragte Akteneinsicht sei für die beabsichtigte Recherche generell geeignet. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Informationen zu dem Gegenstand der Recherche mittelbar auch dem nicht öffentlichen Hauptband der Handels­re­gis­terakten entnommen werden könnten. Eine Beurteilung der von der Presse insoweit beabsichtigten Prüfung habe das Registergericht nicht vorzunehmen.

Allgemeines Persön­lich­keitsrecht betroffener Firma rechtfertigt keine Versagung der Akteneinsicht

Das bei der Prüfung zu berück­sich­tigende allgemeine Persön­lich­keitsrecht der betroffenen Firma und ihrer Organe rechtfertige keine Versagung der Akteneinsicht. Bereits der öffentliche Teil der Handels­re­gis­terakten eröffne eine weite Einsichts­mög­lichkeit zu Lasten der Eingetragenen. Über diese offenen Angaben hinaus seien im nicht öffentlichen Hauptband wenige persönlich sensible Angaben zu erwarten. Der Schutz der beabsichtigten Recherche verbiete es im vorliegenden Fall, die betroffene Firma oder ihre Organe zum Akten­ein­sichts­gesuch anzuhören.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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