21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss01.02.2012

Stuttgart 21: Sofortvollzug des Aufenthalts- und Betre­tungs­verbots im Stuttgarter Schlossgarten nicht zu beanstandenRäumung im Hinblick auf hinreichend wahrscheinliche Begehung von Straftaten bei Einrichtung der Baustelle im Schlossgarten gerechtfertigt

Der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg hat mehrere Anträge gegen den Sofortvollzug einer Allge­mein­ver­fügung der Landes­hauptstadt Stuttgart abgelehnt. Die Allge­mein­ver­fügung betraf ein Aufenthalts- und Betre­tungs­verbot und die Räumung des Zeltlagers für Teile der Mittleren Schloss­gar­te­n­anlagen in Stuttgart im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben "Stuttgart 21".

Die Landes­hauptstadt Stuttgart hat mit sofort vollziehbarer Allge­mein­ver­fügung vom 22. Dezember 2011 ein Aufenthalts- und Betre­tungs­verbot und die Räumung des Zeltlagers für Teile der Mittleren Schloss­gar­te­n­anlagen in Stuttgart angeordnet. Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hatte mit Beschlüssen vom 24. Januar 2012 gegen diese Allge­mein­ver­fügung gerichtete Eilanträge bereits unter Anordnung verschiedener Auflagen abgelehnt. Im dagegen eingeleiteten Beschwer­de­ver­fahren beantragten zwei Beschwer­de­führer, den Sofortvollzug der Allge­mein­ver­fügung bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Beschwerden einstweilen auszusetzen. Diese Anträge hat der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Landes­hauptstadt Stuttgart die vom Verwal­tungs­gericht verfügten Auflagen zu beachten habe.

Öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Allge­mein­ver­fügung überwiegt Interesse der Beschwer­de­führer

Die Einwände der Beschwer­de­führer gegen die Einschätzung des Verwal­tungs­ge­richts, dass die angefochtene Verfügung im Kern voraussichtlich rechtmäßig sei und jedenfalls an keinen Rechtsmängeln leide, die nicht im Wider­spruchs­ver­fahren noch behoben werden könnten, griffen nicht durch. Daher überwiege nach derzeitigem Sach- und Streitstand bei Beachtung der vom Verwal­tungs­gericht verfügten Auflagen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Allge­mein­ver­fügung das Interesse der Beschwer­de­führer, sich für den Zeitraum der Geltungsdauer der Allge­mein­ver­fügung im fraglichen Bereich des Mittleren Schlossgartens aufhalten und gerade dort von ihren Grundrechten Gebrauch machen zu dürfen.

Allge­mein­ver­fügung rechtlich nicht zu beanstanden

Die Anordnung des Sofortvollzugs entspreche den gesetzlichen Begrün­dungs­an­for­de­rungen. Das polizeiliche Einschreiten sei auch zum Schutz des Baurechts der DB Netz AG einschließlich ihrer Nutzungs­be­rech­tigung für die beanspruchten Flächen im öffentlichen Interesse geboten. Die Form einer Allge­mein­ver­fügung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verwal­tungs­gericht sei auch berechtigt gewesen, zur Behebung der von den Beschwer­de­führern gerügten Mängel Auflagen zu erlassen.

Betre­tungs­verbot auch nicht im Hinblick auf mögliche Einschränkungen der Versamm­lungs­freiheit oder allgemeiner Handlungs­freiheit unver­hält­nismäßig

Das Aufenthalts- und Betre­tungs­verbot beruhe auf Vorschriften des Polizeigesetzes über die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass Personen Straftaten begingen oder zu ihrer Begehung beitrügen. Eine Vielzahl von Vorkommnissen belege, dass bei Bauaktivitäten der DB Netz AG von Projektgegnern organisierter Widerstand geleistet worden sei, der vielfach mit der Begehung von Straftaten einhergegangen sei. Diese Vorkommnisse rechtfertigen die Prognose, dass es seitens der Projektgegner im Zuge der geplanten Einrichtung der Großbaustelle im Mittleren Schlossgarten, die nunmehr unmittelbar bevorstehe, zur Begehung von Straftaten wie Nötigung, Sachbe­schä­digung, Hausfrie­densbruch etc. kommen werde. Ob die Beschwer­de­führer selbst Rechts­ver­let­zungen zu verantworten gehabt hätten oder nicht, sei für die Rechtmäßigkeit der Allge­mein­ver­fügung nicht entscheidend. Ein berechtigtes Interesse von Personen, die sich nicht an rechtswidrigen Aktivitäten beteiligen wollten, an einem Aufenthalt im fraglichen Bereich, könne kaum angenommen werden. Denn das mit der Einrichtung des Baufeldes verbundene Fällen und Versetzen einer Vielzahl von Bäumen sei mit Gefahren für Leib und Leben verbunden, so dass unbeteiligte Personen schon im eigenen Interesse einen Aufenthalt in dem zum Zweck der Einrichtung der Baustelle abgesperrten Sicher­heits­bereich meiden würden. Auch zur Abwehr dieser mit der Einrichtung der Baustelle und dem Fällen und Versetzen von Bäumen einhergehenden Gefahren könne das Aufenthalts- und Betre­tungs­verbot auf das Polizeigesetz gestützt werden. Ob es in das Grundrecht auf Freizügigkeit eingreife, könne offen bleiben. Wegen der hinreichend wahrschein­lichen Begehung von Straftaten sei ein solcher Eingriff jedenfalls gerechtfertigt. Das Verbot sei auch nicht mit Blick auf mögliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit oder der allgemeinen Handlungs­freiheit unver­hält­nismäßig.

Zelten im Mittleren Schlossgarten stellt Störung der öffentlichen Sicherheit dar

Die Räumungs­ver­pflichtung sei ebenfalls nach dem Polizeigesetz gerechtfertigt. Das Verwal­tungs­gericht habe zutreffend ausgeführt, dass das Zelten im Mittleren Schlossgarten und das damit einhergehende Einbringen von Gegenständen eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstelle, weil es nach der Benut­zungs­ordnung für Grünanlagen des Landes verboten sei. Das seit über einem Jahr bestehende Zeltlager stehe auch nicht unter dem Schutz der Versamm­lungs­freiheit, da es nach seinem Gesamtgepräge keinen Versamm­lung­s­cha­rakter aufweise.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württeberg/ra-online

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