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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss01.02.2012
Stuttgart 21: Sofortvollzug des Aufenthalts- und Betretungsverbots im Stuttgarter Schlossgarten nicht zu beanstandenRäumung im Hinblick auf hinreichend wahrscheinliche Begehung von Straftaten bei Einrichtung der Baustelle im Schlossgarten gerechtfertigt
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat mehrere Anträge gegen den Sofortvollzug einer Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart abgelehnt. Die Allgemeinverfügung betraf ein Aufenthalts- und Betretungsverbot und die Räumung des Zeltlagers für Teile der Mittleren Schlossgartenanlagen in Stuttgart im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben "Stuttgart 21".
Die Landeshauptstadt Stuttgart hat mit sofort vollziehbarer Allgemeinverfügung vom 22. Dezember 2011 ein Aufenthalts- und Betretungsverbot und die Räumung des Zeltlagers für Teile der Mittleren Schlossgartenanlagen in Stuttgart angeordnet. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte mit Beschlüssen vom 24. Januar 2012 gegen diese Allgemeinverfügung gerichtete Eilanträge bereits unter Anordnung verschiedener Auflagen abgelehnt. Im dagegen eingeleiteten Beschwerdeverfahren beantragten zwei Beschwerdeführer, den Sofortvollzug der Allgemeinverfügung bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Beschwerden einstweilen auszusetzen. Diese Anträge hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit der Maßgabe abgelehnt, dass die Landeshauptstadt Stuttgart die vom Verwaltungsgericht verfügten Auflagen zu beachten habe.
Öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Allgemeinverfügung überwiegt Interesse der Beschwerdeführer
Die Einwände der Beschwerdeführer gegen die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Verfügung im Kern voraussichtlich rechtmäßig sei und jedenfalls an keinen Rechtsmängeln leide, die nicht im Widerspruchsverfahren noch behoben werden könnten, griffen nicht durch. Daher überwiege nach derzeitigem Sach- und Streitstand bei Beachtung der vom Verwaltungsgericht verfügten Auflagen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Allgemeinverfügung das Interesse der Beschwerdeführer, sich für den Zeitraum der Geltungsdauer der Allgemeinverfügung im fraglichen Bereich des Mittleren Schlossgartens aufhalten und gerade dort von ihren Grundrechten Gebrauch machen zu dürfen.
Allgemeinverfügung rechtlich nicht zu beanstanden
Die Anordnung des Sofortvollzugs entspreche den gesetzlichen Begründungsanforderungen. Das polizeiliche Einschreiten sei auch zum Schutz des Baurechts der DB Netz AG einschließlich ihrer Nutzungsberechtigung für die beanspruchten Flächen im öffentlichen Interesse geboten. Die Form einer Allgemeinverfügung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht sei auch berechtigt gewesen, zur Behebung der von den Beschwerdeführern gerügten Mängel Auflagen zu erlassen.
Betretungsverbot auch nicht im Hinblick auf mögliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit oder allgemeiner Handlungsfreiheit unverhältnismäßig
Das Aufenthalts- und Betretungsverbot beruhe auf Vorschriften des Polizeigesetzes über die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass Personen Straftaten begingen oder zu ihrer Begehung beitrügen. Eine Vielzahl von Vorkommnissen belege, dass bei Bauaktivitäten der DB Netz AG von Projektgegnern organisierter Widerstand geleistet worden sei, der vielfach mit der Begehung von Straftaten einhergegangen sei. Diese Vorkommnisse rechtfertigen die Prognose, dass es seitens der Projektgegner im Zuge der geplanten Einrichtung der Großbaustelle im Mittleren Schlossgarten, die nunmehr unmittelbar bevorstehe, zur Begehung von Straftaten wie Nötigung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch etc. kommen werde. Ob die Beschwerdeführer selbst Rechtsverletzungen zu verantworten gehabt hätten oder nicht, sei für die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung nicht entscheidend. Ein berechtigtes Interesse von Personen, die sich nicht an rechtswidrigen Aktivitäten beteiligen wollten, an einem Aufenthalt im fraglichen Bereich, könne kaum angenommen werden. Denn das mit der Einrichtung des Baufeldes verbundene Fällen und Versetzen einer Vielzahl von Bäumen sei mit Gefahren für Leib und Leben verbunden, so dass unbeteiligte Personen schon im eigenen Interesse einen Aufenthalt in dem zum Zweck der Einrichtung der Baustelle abgesperrten Sicherheitsbereich meiden würden. Auch zur Abwehr dieser mit der Einrichtung der Baustelle und dem Fällen und Versetzen von Bäumen einhergehenden Gefahren könne das Aufenthalts- und Betretungsverbot auf das Polizeigesetz gestützt werden. Ob es in das Grundrecht auf Freizügigkeit eingreife, könne offen bleiben. Wegen der hinreichend wahrscheinlichen Begehung von Straftaten sei ein solcher Eingriff jedenfalls gerechtfertigt. Das Verbot sei auch nicht mit Blick auf mögliche Einschränkungen der Versammlungsfreiheit oder der allgemeinen Handlungsfreiheit unverhältnismäßig.
Zelten im Mittleren Schlossgarten stellt Störung der öffentlichen Sicherheit dar
Die Räumungsverpflichtung sei ebenfalls nach dem Polizeigesetz gerechtfertigt. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend ausgeführt, dass das Zelten im Mittleren Schlossgarten und das damit einhergehende Einbringen von Gegenständen eine Störung der öffentlichen Sicherheit darstelle, weil es nach der Benutzungsordnung für Grünanlagen des Landes verboten sei. Das seit über einem Jahr bestehende Zeltlager stehe auch nicht unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit, da es nach seinem Gesamtgepräge keinen Versammlungscharakter aufweise.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württeberg/ra-online
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