23.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss22.08.2013

Bürgerbegehren "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" voraussichtlich unzulässigEilantrag scheitert auch in zweiter Instanz

Das Bürgerbegehren "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" ist voraussichtlich unzulässig. Sein Ziel, dass die Landes­hauptstadt Stuttgart Konzessionen und Netzbetrieb für Strom und Gas spätestens ab Januar 2014 übernimmt, verstößt gegen die gesetzliche Pflicht, ein diskri­mi­nierungs­freies und transparentes Auswahl­ver­fahren zur Vergabe der Konzessionen für Stromnetz und Gasnetz durchzuführen. Seine Begründung erweckt zudem den unzutreffenden Eindruck, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet Strom aus Atom- und Kohle­kraft­werken bezogen wird. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwaltungs­gerichts­hofs Baden-Württemberg hervor.

Mit dem im Februar 2012 eingereichten Bürgerbegehren "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" wurde ein Bürgerentscheid zu der Frage beantragt: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 1.1.2014 selbst übernimmt? Und sind Sie gegen einen Gemein­de­rat­s­be­schluss, der dem nicht entspricht?". Die letzten drei Sätze der Begründung lauten: "Wenn die Stadt die Netze für Strom, Gas und Fernwärme selbst betreibt, kann verstärkt Energie dezentral und umwelt­freundlich vor Ort erzeugt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, muss jegliche Beteiligung oder Einflussnahme von Atomener­gie­kon­zernen ausgeschlossen sein. Auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, von Atom- und Kohlestrom wegzukommen."

Eilantrag vor dem Verwal­tungs­gericht Stuttgart erfolglos

Die Landes­hauptstadt Stuttgart (Antragsgegnerin) stellte im Januar 2013 die Unzulässigkeit des beantragten Bürge­r­ent­scheids fest. Hierauf haben der Antragsteller und weitere Unterzeichner des Bürgerbegehens beim Verwal­tungs­gericht Stuttgart beantragt, der Stadt einstweilig zu untersagen, vor rechtskräftiger Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens Konzessionen an Dritte zu vergeben, den Betrieb auf Dritte zu übertragen und jegliche verbindliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Zielen des Bürgerbegehrens widersprechen. Das Verwal­tungs­gericht lehnte die Eilanträge mit Beschluss vom 29. April 2013 ab. Das Bürgerbegehren sei auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig. Die Beschwerde des Antragstellers blieb erfolglos.

Bürgerbegehren ist voraussichtlich auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet

Auch nach Auffassung des Verwal­tungs­ge­richtshofs Baden-Württemberg ist das Bürgerbegehren voraussichtlich auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet. Die angestrebte ausschrei­bungsfreie Übernahme der Konzessionen und des Betriebs für Gas- und Stromnetze verstoße gegen die Pflicht, insoweit ein transparentes und diskri­mi­nie­rungs­freies Auswahl­ver­fahren durchzuführen. Diese Pflicht folge aus dem Energie­wirt­schafts­gesetz, dem Unionsrecht und aus dem Gesetz gegen Wettbe­wer­bs­be­schrän­kungen. Sie gelte nach dem Energie­wirt­schafts­gesetz auch bei der Vergabe einer Wegekonzession an einen von der Gemeinde kontrollierten Eigenbetrieb ("Inhousevergabe"). Das solle sicherstellen, dass auch bei der Vergabe einer Wegekonzession an einen Eigenbetrieb spätestens alle zwanzig Jahre ein Wettbewerb stattfinde. Dies sei unions- und verfas­sungs­rechtlich unbedenklich. Eine Rekom­mu­na­li­sierung sei auch bei Beachtung dieser Anforderungen rechtlich zulässig und möglich. Das Verwal­tungs­gericht habe auch zu Recht davon abgesehen, dem Eilantrag teilweise, beschränkt auf Fernwärme und Wasser, stattzugeben. Denn mit dieser Beschränkung würde das Bürgerbegehren erheblich verändert.

Begründung des Bürgerbegehrens entspricht nicht Anforderungen der Gemeindeordnung

Zudem entspreche die Begründung des Bürgerbegehrens nicht den Anforderungen der Gemeindeordnung. Die letzten drei Sätze stellten die Gestaltungs- und Einfluss­mög­lich­keiten der Stadt als mögliche Betreiberin des Stromnetzes in wesentlichen Punkten falsch dar. Insoweit würden eindeutige gesetzliche Vorgaben verschwiegen und der vollkommen unzutreffende Eindruck erweckt, die Stadt könne mit Übernahme des Stromnetzes maßgeblich beeinflussen, ob in ihrem Gebiet in Atom- und Kohle­kraft­werken erzeugter Strom bezogen werde. Denn das Energie­wirt­schafts­gesetz schreibe für Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen, an deren Elektri­zi­täts­ver­tei­lungsnetz mehr als 100.000 Kunden unmittelbar oder mittelbar angeschlossen seien, die Trennung zwischen Netzbetrieb und Energie­er­zeugung vor. Außerdem wäre die Stadt verpflichtet, jedermann diskri­mi­nie­rungs­freien Zugang zum Stromnetz zu gewähren, so dass Einwohner selbst bei Übernahme des Stromnetzes durch die Stadt frei wären, Strom auch von Unternehmen zu beziehen, die diesen in Atom- oder Kohle­kraft­werken erzeugt hätten.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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