18.10.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss29.04.2013

Eilantrag gegen Bürgerbegehren "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" erfolglosBürgerbegehren ist auf rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig

Das Verwal­tungs­gericht Stuttgart hat die Anträge zweier Stuttgarter Bürger abgelehnt, mit denen diese den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" sichern wollten. Nach Auffassung des Gerichts kommt der Erlass der beantragten Anordnungen zur Sicherung des Bürgerbegehrens schon deshalb nicht in Betracht, weil das Bürgerbegehren nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit voraussichtlich unzulässig ist.

Die Antragsteller des zugrunde liegenden Streitfalls sind Unterzeichner des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart", das der Landes­hauptstadt Stuttgart am 14. Februar 2012 übergeben worden war. In dem Bürgerbegehren wird ein Bürgerentscheid zu folgender Frage beantragt: "Sind Sie dafür, dass die Stadt Stuttgart die Konzession und den Betrieb der Netze für Wasser, Strom, Gas und Fernwärme spätestens ab 1. Januar 2014 selbst übernimmt? Und sind Sie gegen einen Gemein­de­rat­s­be­schluss, der dem nicht entspricht?".

Stadt erklärt Bürgerentscheid für unzulässig

Mit Bescheid vom 21. Januar 2013 stellte die Stadt die Unzulässigkeit des beantragten Bürge­r­ent­scheids fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass das Bürgerbegehren hinsichtlich der Netze für Strom und Gas unzulässig sei, weil es nicht auf ein rechtmäßiges Ziel gerichtet sei. Die Forderung nach Übernahme der Konzession für das Strom- und Gasnetz durch die Stadt verstoße gegen das Energie­wirt­schafts­gesetz und das Kartellrecht. Hinsichtlich des Wassernetzes habe sich der Antrag erledigt, weil der Gemeinderat bereits den Grund­satz­be­schluss gefasst habe, die Wasser­ver­sorgung selbst zu betreiben. Schließlich ergebe sich die Unzulässigkeit daraus, dass das beantragte Bürgerbegehren unzureichend begründet sei, weil es entscheidende tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte überhaupt nicht anspreche, die für die Begründung tragend seien.

Unterzeichner des Bürgerbegehrens beantragen Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Stadt

Am 14. März 2013 beantragten die Antragsteller beim Verwal­tungs­gericht Stuttgart den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Stadt untersagt werden soll, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" Konzessionen an Dritte zu vergeben, die Betreiberschaft bzw. Betriebsführung auf Dritte zu übertragen und jegliche verbindliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Zielen des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" vom 14. Februar 2012 widersprechen. Sie machen im Wesentlichen geltend, dass § 46 des Energie­wirt­schafts­ge­setzes nicht die Verpflichtung enthalte, bei der Konzes­si­ons­vergabe ein wettbe­werb­liches Verfahren durchzuführen. Und selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre diese Regelung wegen Verfas­sungs­wid­rigkeit und Europa­rechts­wid­rigkeit unwirksam. Die kommunale Selbst­ver­wal­tungs­ga­rantie garantiere das Recht der Gemeinden, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln.

Gericht verneint Erlass einer einstweiligen Anordnung

Das Gericht hat den Antrag der Antragsteller abgelehnt und die begehrte einstweilige Anordnung nicht erlassen. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die begehrte Anordnung nur dann in Betracht komme, wenn die Zulässigkeit des Bürge­r­ent­scheids bereits im einstweiligen Rechts­schutz­ver­fahren mit solcher Wahrschein­lichkeit bejaht werden könne, dass eine gegenteilige Entscheidung im Haupt­sa­che­ver­fahren praktisch ausgeschlossen werden könne und der mit dem Haupt­sa­che­ver­fahren verbundene Zeitablauf voraussichtlich eine Erledigung des Bürgerbegehrens zur Folge hätte. Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dürfte das Bürgerbegehren jedoch auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet und damit unzulässig sein.

Ausschrei­bungs­pflicht verstößt voraussichtlich nicht gegen verfas­sungs­rechtlich gewährleistete Selbst­ver­waltung

Für die Übernahme der Konzession und des Betriebs des Strom- und Gasnetzes seien die Regelungen des § 46 Abs. 2 bis 4 Energie­wirt­schafts­gesetz und kartell­rechtliche Vorschriften zu beachten. § 46 Abs. 2 bis 4 Energie­wirt­schafts­gesetz eröffne bei der Vergabe der Netzkonzession die Möglichkeit des Marktzugangs für Energie­ver­sor­gungs­un­ter­nehmen. Dies bedeute, dass die Gemeinde - nach einem von ihr festzulegenden Auswahl­ver­fahren - die Netzkonzession auszuschreiben und in einem zweiten Schritt eine Auswah­l­ent­scheidung über die Vergabe der Konzession zu treffen habe. Diese Ausschrei­bungs­pflicht, die sich aus § 46 Energie­wirt­schafts­gesetz und dem Kartellrecht ergebe, verstoße voraussichtlich auch nicht gegen die verfas­sungs­rechtlich gewährleistete Selbst­ver­waltung. Die Bestimmungen des Energie­wirt­schafts- und Kartellrechts würden lediglich eine Regelung über die Art und Weise der Aufga­ben­wahr­nehmung beinhalten, den Gemeinden jedoch nicht die Aufgabe der örtlichen Energie­ver­sorgung entziehen. Bei dieser Sach- und Rechtslage dürfte das Bürgerbegehren, soweit es die Übernahme der Konzessionen für das Strom- und Gasnetz betreffe, auf ein rechtswidriges Ziel gerichtet sein. Käme ein Bürgerentscheid zustande, der die gestellte Frage im Sinne der Initiatoren des Bürgerbegehrens beantworten würde, hätte dies die Wirkung eines endgültigen Beschlusses des Gemeinderats. Ein im jetzigen Stadium gefasster Beschluss, mit dem die Stadt einschrän­kungslos verpflichtet würde, die Konzession und den Betrieb der Netze für Strom und Gas zu übernehmen, stünde mit § 46 Abs. 2 bis 4 EnWG und dem Kartellrecht nicht im Einklang. Denn damit würde eine unzulässige Vorabfestlegung getroffen, die den Wettbewerb um die Netze verschließen und eine spätere Konzes­si­ons­ent­scheidung, die eine Auswahl unter mehreren Varianten voraussetze, verhindern würde. Unter diesen Umständen komme der Erlass der beantragten Anordnungen nicht in Betracht. Offen bleiben könne, ob das Bürgerbegehren auch wegen Begrün­dungs­mängeln unzulässig sei.

Beschränkung des Bürge­r­ent­scheids auf Netze für Fernwärme und Wasser würde Fragestellung des Bürgerbegehrens in erheblicher Weise verändern

Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, beschränkt auf die Netze für Fernwärme und Wasser, sah das Gericht keinen Anlass. Insoweit führte es aus: Selbst wenn unterstellt werde, dass ein Bürgerbegehren bezüglich der Übernahme der Konzession und der Netze für Fernwärme und Wasser prinzipiell rechtlich zulässig wäre, folge daraus nicht, dass ein Bürgerentscheid mit dieser eingeschränkten Fragestellung ohne weiteres durchgeführt werden könnte. Da sich die Unterschrift der Unterstützer des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" auf ein durch die Fragestellung genau umschriebenes Anliegen beziehe und der Wille der Unterzeichner nicht verfälscht werden dürfe, sei die Änderung der Fragestellung nur in Ausnahmefällen zulässig. Ein solcher liege hier nicht vor. Die Beschränkung des Bürge­r­ent­scheids auf die Netze für Fernwärme und Wasser verändere die Fragestellung des Bürgerbegehrens "Energie- und Wasser­ver­sorgung Stuttgart" in erheblicher Weise. Soweit es um die Übernahme des Netzes für die Wasser­ver­sorgung gehe, komme hinzu, dass der Gemeinderat der Stadt in seiner Sitzung am 17. Juni 2010 beschlossen habe, die Wasser­ver­sorgung spätestens ab 1. Januar 2014 selbst zu betreiben, so dass schon aus diesem Grunde ein darauf gerichtetes Bürgerbegehren wohl unzulässig wäre.

In den fünf weiteren anhängigen Eilverfahren in dieser Sache hat das Gericht im Wesentlichen gleichlautende Entscheidungen getroffen.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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