15.11.2024
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Verwaltungsgericht Stuttgart Beschluss13.04.2011

VG Stuttgart: Stadt darf zu aktivem Einsatz gegen extremistische und fremden­feindliche Versammlung aufrufenInternet-Stellungnahme und Aufruf zur Gegen­de­mon­s­tration gegen rechtsextreme Versammlung zulässig

Eine Gemeinde darf dazu aufrufen, sich aktiv gegen eine als extremistisch und fremden­feindlich angesehene Versammlung auf ihrem Gemeindegebiet einzusetzen und eine Gegen­de­mon­s­tration zu unterstützen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Stuttgart.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Antragsteller, ein Mitglied des „Nationalen und Sozialen Aktio­ns­bünd­nisses 1. Mai“ bei der Stadt eine Demonstration für den 1. Mai 2011 in Heilbronn unter dem Motto „Fremd­a­r­bei­te­rin­vasion stoppen!“ angemeldet. Die Versammlung wird nach den Angaben des Antragstellers u.a. von mehreren Landesverbänden der Natio­na­l­de­mo­kra­tischen Partei Deutschland (NPD) unterstützt. Die Stadt verbot die Versammlung. Das Verwal­tungs­gericht hob das Versamm­lungs­verbot mit Beschluss vom 18. April 2011 auf. Der Verwal­tungs­ge­richtshof Mannheim bestätigte diese Entscheidung (vgl. Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg, Beschluss v. 28.04.2011 - 1 S 1250/11 -).

Stadt veröffentlicht auf Homepage und im Amtsblatt Stellungnahme zu 1.Mai-Demonstration

Bereits im Januar 2011 veröffentlichte die Stadt auf ihrer Homepage und im Amtsblatt eine Information mit folgendem Inhalt:

„Ein Zeichen gegen Rechts­ra­di­ka­lismus Demo-Verbot / Resolution / Aktionsbündnis Heilbronn setzt ein Zeichen gegen Rechts­ra­di­ka­lismus: Gemeinderat und Stadtverwaltung werden sich aktiv gegen eine am 1. Mai geplante Demonstration „Fremd­a­r­bei­te­rin­vasion stoppen“ einsetzen. Dies teilte Oberbür­ger­meister Helmut Himmelsbach nach einer Sitzung des Ältestenrats mit. „Heilbronn ist eine liberale, weltoffene, tolerante Stadt, im Herzen Europas, in der fast jeder zweite Bürger eine Zuwan­de­rungs­ge­schichte hat – in dieser Stadt darf es keinen Platz für extremistische, fremden­feindliche Macht­de­mon­s­tra­tionen geben“, betont der OB.

Die Rathaus-Strategie sieht folgende drei Punkte vor:

Die Stadt Heilbronn wird alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um die geplante „rechte“ Demonstration zu verhindern. „Auch wenn uns bewusst ist, dass verfas­sungs­rechtlich hohe Hürden für Demo-Verbote aufgestellt sind, so werden wir diesen Weg trotzdem konsequent gehen“, unterstreicht Bürgermeister Harry Mergel.

Der Ältestenrat ist sich einig, dass die vom Gemeinderat im Jahr 2000 beschlossene Resolution „Für eine offene Stadt – Heilbronner Bündnis gegen Recht­s­ex­tre­mismus“ bekräftigt wird. In der nächsten Sitzung am Donnerstag, 3. Februar, soll ein entsprechender Beschluss gefasst werden. Damit will das Selbst­ver­wal­tungs­gremium seine deutliche Haltung 66 Jahre nach dem Ende der Nazi-Barbarei zum Ausdruck bringen.

Schließlich wird sich die Stadt Heilbronn dem von den Gewerkschaften initiierten Aktionsbündnis gegen die geplante „Rechts“-Demonstration anschließen. Hierzu gehört die Unterstützung einer Gegen­de­mon­s­tration am 1. Mai.“

Antragssteller sieht Neutra­li­täts­pflicht der Stadt verletzt

Daraufhin beantragte der Antragsteller beim Verwal­tungs­gericht, der Stadt im Wege einer einstweiligen Verfügung derartige Äußerungen zu verbieten. Zur Begründung führte er aus, er habe einen Unter­las­sungs­an­spruch, da durch diese Äußerungen mittelbar-faktisch in seine Grundrechte aus Art. 5 und Art. 8 GG eingegriffen werde. Zudem sei die Stadt zu politischer Neutralität verpflichtet.

Antragssteller durch beanstandete Äußerungen nicht unver­hält­nismäßig in subjektivem Recht auf Meinungs­freiheit und Versamm­lungs­freiheit verletzt

Dem ist das Verwal­tungs­gericht Stuttgart nicht gefolgt. Der Antragsteller habe keinen (öffentlich-rechtliche) Unter­las­sungs­an­spruch (in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB). Durch die beanstandeten Äußerungen werde nicht unver­hält­nismäßig in seine subjektive Rechte auf Meinungsfreiheit und Versamm­lungs­freiheit/ Verei­ni­gungs­freiheit eingegriffen. Auch bewegten sich die amtlichen Äußerungen der Stadt Heilbronn im Rahmen der ihr zugewiesenen Aufgaben (Selbst­ver­wal­tungs­an­ge­le­gen­heiten) und wahrten das Sachlich­keitsgebot. Die Stadt wende sich gegen eine Veranstaltung, die auf ihrem Gebiet stattfinden solle, um einer Beein­träch­tigung des örtlichen Friedens in ihrem Gemeindegebiet entgegenwirken. Auch dürfte die Wertung der angemeldeten Versammlung als extremistisch und fremden­feindlich sachlich zutreffend sein. Bereits das Motto der Versammlung „Fremd­a­r­bei­te­rin­vasion stoppen“ lege nahe, dass es sich bei der Demonstration auch um eine fremden­feindliche Aktion handelt. Unter „Invasion“ sei ein feindlicher Einfall zu verstehen. Der Begriff „Fremdarbeiter“ sei in Deutschland durch seinen Gebrauch während der Zeit des Natio­nal­so­zi­a­lismus in Deutschland ebenfalls negativ besetzt. Daher bestehe schon aufgrund des Mottos der Versammlung Bedenken hinsichtlich der Verbreitung rassistischen Gedankenguts. Diese würden dadurch bekräftigt, dass die Versammlung nach Angaben des Antragstellers u.a. von mehreren Landesverbänden der NPD unterstützt werde. Die NPD propagiere, dass „Überfremdung“ verhindert werden müsse mit dem Ziel der Ausweisung der nichtdeutschen Bevölkerung aus der Bundesrepublik und verfolge damit Ziele, die mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren seien.

Beanstandete Äußerungen weder verhältnismäßig noch angemessen

Die beanstandeten Äußerungen seien auch verhältnismäßig und angemessen. Aufgrund der Demonstration am 1.Mai 2011 befürchte die Stadt wegen des rassistischen Hintergrundes zumindest der die Versammlung unterstützenden Gruppen eine erhebliche Beein­träch­tigung des örtlichen Friedens auf ihrem Gebiet. Hierzu lege die Stadt dar, dass der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung im Stadtgebiet 20 %, der mit Migra­ti­o­ns­hin­tergrund sogar 50 % betrage. Ihr Verhältnis zu dem übrigen Bevöl­ke­rungsteil sei von einem friedlichen Zusammenleben geprägt. Um diesen Frieden zu wahren, habe sich die Stadt deutlich gegen die Veranstaltung positioniert, um den auf ihrem Gebiet lebenden Einwohnern insbesondere mit Migra­ti­o­ns­hin­tergrund deutlich zu machen, dass sich die Stadt von rechtsextremen Positionen absetze und eine Gegen­de­mon­s­tration unterstützen werde.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online

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