21.11.2024
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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss28.04.2011

VGH Baden-Württemberg: "Fremd­a­r­bei­te­rin­vasion stoppen!" – Rechtsextreme Demonstration am 1. Mai in Heilbronn zulässigVersamm­lungs­verbot kann nicht allein wegen inhaltlicher Ausrichtung einer Versammlung verhängt werden

Die am 1. Mai 2011 in Heilbronn geplante Demonstration unter dem Motto "Fremd­a­r­bei­te­rin­vasion stoppen!", zu der das "Nationale und soziale Aktionsbündnis 1. Mai" aufgerufen hat, darf stattfinden. Dies entschied der Verwal­tungs­ge­richtshof Baden-Württemberg und bestätigte damit eine Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Stuttgart, die von der Stadt Heilbronn mit der Beschwerde angefochten worden war.

Der Verwal­tungs­ge­richtshof hat - wie das Verwal­tungs­gericht - keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gesehen, dass eine strafbare Verletzung der Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit zu besorgen sei. Insbesondere ein Verstoß gegen den Straftatbestand der Volksverhetzung sei nicht zu befürchten. Der Begriff „Fremdarbeiter“ sei zwar durch seinen Gebrauch während der Zeit des Natio­nal­so­zi­a­lismus in Deutschland im Zusammenhang mit erzwungener Arbeit negativ besetzt. Die schlagwortartig zusam­men­ge­fasste Parole werde jedoch bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht mit Zwangsarbeit assoziiert, sondern erfasse in erster Linie die Arbeitskräfte, die aus dem Ausland zur Arbeit in die Bundesrepublik Deutschland kommen wollten, aber auch die bereits in Deutschland lebenden ausländischen Arbeitnehmer. Aus dem Kontext ergebe sich, dass die Versammlung im Zusammenhang mit der vollständigen Herstellung der Freizügigkeit für Unionsbürger aus den am 01.05.2004 der EU beigetretenen mittel- und osteuropäischen Staaten stehe. Es sei nicht erkennbar, dass den ausländischen Arbeitnehmern ein ungeschmälertes Lebensrecht als gleichwertigen Persön­lich­keiten in der staatlichen Gemeinschaft bestritten und ihre Menschenwürde in Frage gestellt oder gar angegriffen werde. Denn die Kritik richte sich nicht primär gegen die Personengruppe der ausländischen Arbeitskräfte als solche, sondern gegen das vom Aktionsbündnis angeprangerte System. Die Parole gebe auch keinen Anlass für die Befürchtung, dass eine nicht verfassungs- und gesetzmäßige gewaltsame Vertreibung der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden ausländischen Arbeitnehmer angestrebt werde.

Auch Verstoß gegen die geschützte Religi­o­ns­ausübung durch Demonstration nicht zu befürchten

Anhaltspunkte für eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch illegale Graffiti bestünden ebenfalls nicht, so der Verwal­tungs­ge­richtshof weiter. Auch sei die angemeldete Demonstration am 1. Mai nicht deshalb verboten, weil dieser Tag auf den „weißen Sonntag“ falle. Ein Verstoß gegen die durch Art. 4 Abs. 2 GG geschützte Religionsausübung sei nicht zu befürchten. Es sei nicht erkennbar, dass der bereits um 10 Uhr beginnende Festgot­tes­dienst in dem in der Innenstadt gelegenen Deutsch­or­dens­münster (Pfarrei St. Peter und Paul) durch den erst um 11.30 Uhr beginnenden Aufzug unmittelbar gestört werden könnte. Den berechtigten Belangen der Gottes­dienst­be­sucher an einer ungestörten Religi­o­ns­ausübung könnte im Übrigen gegebenenfalls durch geeignete und angemessene, beide Interessen berück­sich­tigende versamm­lungs­rechtliche Auflagen hinsichtlich der Streckenführung ausreichend Rechnung getragen werden.

Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch geplante Versammlung nicht ersichtlich

Schließlich sei auch nicht ersichtlich, dass die geplante Versammlung die öffentliche Ordnung gefährden könnte. Die den Inhalt von Meinung­s­äu­ße­rungen beschränkenden Straf­tat­be­stände seien grundsätzlich abschließend und verwehrten der Versamm­lungs­behörde den Rückgriff auf den Schutz der öffentlichen Ordnung. Allein wegen der inhaltlichen Ausrichtung einer Versammlung könne, soweit nicht die Verwirklichung eines Straf­tat­be­standes drohe, ein Versammlungsverbot daher nicht verhängt werden.

Quelle: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg/ra-online

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