Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls betreibt ein Domina-Studio in einem ehemaligen Wohngebäude, das sich in einem Gewerbegebiet in Esslingen befindet. Das Baurechtsamt ist der Auffassung, die Nutzung sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weshalb sie zu unterlassen sei. Sie bezieht sich auf den für das Gebiet geltenden Bebauungsplan, der ein Gewerbegebiet festsetzt, in dem allerdings ausdrücklich Vergnügungsstätten und Gewerbebetriebe, die der gewerblichen Unzucht dienen, ausgeschlossen sind. Die Klägerin bezweifelt jedoch die Gültigkeit dieses Bebauungsplans und ist der Auffassung, dass die Nutzungsart als sonstiges Gewerbe zulässig sei. Das Gebiet sei auch nicht als Sperrgebiet festgesetzt und im Übrigen gebe es in 600 m Entfernung ein schon längere Zeit von der Stadt geduldetes Bordell.
Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies die Klage der Betreiberin des Domina-Studios gegen die Nutzungsuntersagungsverfügung der Baurechtsbehörde jedoch ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die nicht genehmigte Nutzung des von der Klägerin gemieteten Wohngebäudes als Domina-Studio bauplanungsrechtlich unzulässig sei. Der für das Gebiet geltende Bebauungsplan schließe Vergnügungsstätten sowie Gewerbebetriebe, die der gewerblichen Unzucht - wie der der Klägerin - dienten, aus. Dieser Ausschluss sei wirksam, denn hierfür lägen besondere städtebauliche Gründe vor. Der Ausschluss durch die Stadt Esslingen sei nicht aus einer sittlichen Bewertung dieser Betriebe erfolgt, sondern wegen des städtebaulichen Konfliktpotenzials in dem traditionell handwerklich geprägten Gewerbegebiet und zur Vermeidung eines „Trading-down-Effekts“. Bei dem Ausschluss von der gewerblichen Unzucht dienenden Gewerbebetrieben handle es sich auch nicht um eine unzulässige Negativplanung. Es sei der ausdrücklicher Wille des Gemeinderats der Stadt gewesen, derartige Nutzungen auszuschließen, um u.a. eine unerwünschte Strukturveränderung des konkreten Gewerbegebietes zu verhindern. Die Erteilung einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans scheitere daran, dass die von der Klägerin beanspruchte Abweichung dem planerischen Grundkonzept der Stadt zuwider laufe. Soweit sich die Klägerin auf ein in der Nähe befindliches Bordell berufe, könne sie hieraus keine Rechte herleiten, weil für dieses Bordell eine bestandskräftige Nutzungsuntersagungsverfügung vorliege und es derzeit nur geduldet werde. Das Bordell befinde sich außerdem in einem anderen Plangebiet, in welchem derzeit ein neuer Bebauungsplan aufgestellt werde, der eine mögliche Legalisierung vorsehe.
Auch der Hinweis der Klägerin, dass die Ausübung der Prostitution nach Inkrafttreten des Prostitutionsgesetzes nicht mehr als sittenwidrig gelte, rechtfertige keine andere rechtliche Beurteilung. Die im Prostitutionsgesetz getroffenen zivil- und strafrechtlichen Bestimmungen hätten keinen maßgebenden Einfluss auf das öffentliche Baurecht. Das öffentliche Baurecht sei sozialethisch neutral.
Besonders schutzwürdige Interessen der Klägerin seien nicht zu berücksichtigen gewesen. Sie habe den Betrieb ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung aufgenommen. Sie habe sich vor Abschluss des Mietvertrages und der von ihr vorgenommenen Umbaumaßnahmen nicht bei der Baurechtsbehörde erkundigt, ob die Nutzung in diesem Gebiet zulässig sei. Die getätigten finanziellen Aufwendungen für den Umbau des Wohngebäudes habe sie auf eigenes Risiko vorgenommen. Dass die Nutzung des Wohngebäudes als Domina-Studio von der Nachbarschaft nicht beanstandet werde, ändere an der Rechtwidrigkeit der Nutzung nichts. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, dass der für ihr Grundstück maßgebliche Bebauungsplan geändert werde. Denn der Bürger habe keinen Anspruch auf Aufstellung eines Bebauungsplans. Es liege im Übrigen auch im grundsätzlich weiten planerischen Ermessen der Stadt, ob und in welchem Umfang und mit welchem Inhalt eine Bebauungsplanung betrieben werde.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 02.11.2011
Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart/ra-online