18.10.2024
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Verwaltungsgericht Münster Urteil18.10.2017

Bußgeld für Apotheker wegen Abgabe eines falschen Medikaments gerechtfertigtGericht erklärt Verweis und Geldbuße unter anderem wegen tätiger Reue für ausreichend

Das Verwal­tungs­gericht Münster hat einem Apotheker aufgrund der Abgabe eines falschen Medikaments wegen Berufsvergehens einen Verweis erteilt und eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro auferlegt.

Im zugrunde liegenden Fall wurde dem 1973 geborenen Apotheker von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit Sitz in Münster vorgeworfen, im September 2014 einer 78jährigen Patientin statt des ihr ärztlich verordneten Arzneimittels ein nicht der Verschreibung entsprechendes Medikament abgegeben und dadurch ihren Tod verursacht zu haben. Wegen dieses Sachverhalts war der Beschuldigte im Dezember 2016 vom Landgericht Bielefeld in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt worden.

Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwal­tungs­gericht Münster hatte nunmehr darüber zu befinden, ob der Beschuldigte neben der Verletzung der allgemeinen Strafrechtsnorm auch seine Berufspflichten als Apotheker verletzt hat und gegebenenfalls der durch das Verhalten entstandene Vertrau­ens­schaden und der Ansehensverlust für die Apothekerschaft allgemein auch eine berufs­ge­richtliche Reaktion erforderlich erscheinen lässt.

Gericht bejaht Verstoß gegen Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung

Dementsprechend stellte das Berufsgericht in der Haupt­ver­handlung fest, dass der Beschuldigte mit der Abgabe des Arzneimittels Veramex retard 240 mg an die Patientin anstelle des ihr verschriebenen Arzneimittels Renvela 800 mg gegen seine Pflichten zur gewissenhaften Berufsausübung verstoßen und dadurch dem in ihn als Apotheker gesetzten Vertrauen nicht entsprochen habe. Hinsichtlich des Sachverhalts sei das Gericht an die rechtskräftigen Feststellungen des Landgerichts Bielefeld gebunden. Einer berufs­recht­lichen Maßnahme stehe nicht entgegen, dass der Beschuldigte bereits strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden sei. Es sei zwar nicht Aufgabe der Berufsgerichte, Straftaten erneut zu ahnden. Die Berufsgerichte hätten mit ihren Maßnahmen aber den "berufs­recht­lichen Überhang" der Straftaten zu erfassen. Nicht abgedeckt durch die strafrechtliche Ahndung seien der entstandene Vertrau­ens­schaden und der Ansehensverlust für die Apothekerschaft allgemein.

Berufs­pflicht­ver­letzung erfordert Verweis und Geldbuße

Unter Berück­sich­tigung des Gewichts und der Umstände der Tat und der Persönlichkeit des Beschuldigten, aber auch der Notwendigkeit, das Ansehen der Angehörigen des Berufsstandes der Apothekerinnen und Apotheker zu wahren und das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Berufsstandes zu sichern, erfordere die Berufs­pflicht­ver­letzung des Beschuldigten einen Verweis und eine Geldbuße.

Fehlerhafte Abgabe des Arzneimittels war Augen­blicks­versagen

Danach sei zu berücksichtigen, dass das Landgericht Bielefeld mit der Festsetzung einer Geldstrafe von einer eher geringen Schuld des Beschuldigten im Bereich der strafbaren fahrlässigen Tötung eines Menschen ausgegangen sei. Die gleichwohl verbleibende nicht unerhebliche Schwere der Berufs­pflicht­ver­letzung des Beschuldigten werde durch entlastende Gesichtspunkte gemildert. Die fehlerhafte Abgabe des Arzneimittels sei ein Augen­blicks­versagen des Beschuldigten gewesen. Vergleichbare oder andere Berufs­pflicht­ver­let­zungen habe es weder vor noch nach dem Fehlverhalten gegeben.

Angaben des Beschuldigten führten maßgeblich zur Einleitung des straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens

Hinzu trete der Milderungsgrund der tätigen Reue. Der Beschuldigte habe von sich aus die Angehörigen der verstorbenen Patientin darauf hingewiesen, dass eine Verwechselung des ihr verschriebenen Arzneimittels vorliege, und zudem darauf hingewiesen, dass dies zu ihrem Tod geführt haben könnte. Diese Angaben des Beschuldigten hätten maßgeblich zur Einleitung des straf­recht­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens gegen ihn geführt. Angesichts der Vorerkrankungen der Patientin spreche Vieles dafür, dass die Verwechselung des Arzneimittels als Ursache für ihren Tod nicht entdeckt worden wäre, wenn der Beschuldigte darauf nicht hingewiesen hätte. Auch angesichts seiner nachdrücklich und glaubhaft geschilderten tiefen emotionalen Betroffenheit am Tag der Feststellung seines Fehlverhaltens und der Fortdauer dieser Betroffenheit bis heute bedürfe es keiner über einen Verweis und eine Geldbuße hinausgehenden berufs­ge­richt­lichen Maßnahme, um den Beschuldigten nachhaltig anzuhalten, seinen Berufspflichten künftig nachzukommen, und das durch das Verhalten des Beschuldigten beeinträchtigte Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität und Zuverlässigkeit des Berufsstandes der Apothekerinnen und Apotheker sowie den entstandenen Ansehensverlust in den Berufsstand wieder­her­zu­stellen.

Quelle: Verwaltungsgericht Münster/ra-online

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