Verwaltungsgericht Kassel Urteil11.04.2012
Klage gegen Verbot der unerlaubten Vermittlung von Sportwetten erfolgreichMit dem Verbot einhergehende Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit ist unverhältnismäßig
Das Verwaltungsgericht Kassel hat einen Untersagungsbescheid aufgehoben, mit dem zuvor einem Gaststätteninhaber das Anbieten und Vermitteln von Sportwetten verboten wurde.
Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls hatte in seiner Gaststätte ohne behördliche Erlaubnis einen Sportwettenterminal aufgestellt, auf dem seine Gäste im Internet Seiten internationaler Wettveranstalter ansteuern konnten. Die Stadt Kassel als zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde untersagte dem Kläger daraufhin die Vermittlung von Sportwetten, um damit ein strafbares Verhalten nach § 284 des Strafgesetzbuches zu unterbinden. Nach erfolglosem Widerspruch legte der Gaststätteninhaber im Jahr 2007 Klage beim Verwaltungsgericht Kassel mit der Begründung ein, das strafbewehrte Verbot der Vermittlung von Sportwetten verstoße gegen das EU-Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen die Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit.
Verwaltungsgericht setzt Verfahren bis zur Verkündung von Urteilen des EuGH und BVerwG aus
Das Verfahren wurde ausgesetzt, bis Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 und des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. November 2010 und vom 1. Juni 2011 die Rechtslage grundsätzlich geklärt hatten. Im danach fortgesetzten Verfahren des Klägers hat das Verwaltungsgericht nun zu seinen Gunsten entschieden.
Staatliches Wettmonopol in Deutschland verstößt gegen Recht der Europäischen Union
In seiner Urteilsbegründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass dem Kläger zwar keine Erlaubnis der zuständigen Behörde zur Vermittlung von Sportwetten erteilt worden sei. Das staatliche Wettmonopol in Deutschland und die damit begründete Untersagung der ungenehmigten Vermittlung von Sportwetten könnten aber keinen Bestand haben, weil damit gegen das Recht der Europäischen Union verstoßen werde. Die mit dem Verbot verbundene Beschränkung der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit sei unverhältnismäßig, weil sie nicht geeignet sei, die Verwirklichung der mit der Beschränkung verfolgten Ziele auch tatsächlich zu erreichen.
Staatliches Wettmonopol verringert weder Spielsucht noch übermäßiges Spielangebot
Das staatliche Wettmonopol sei insbesondere weder geeignet, die Spielsucht zurückzudrängen noch ein übermäßiges Spielangebot zu vermeiden. In Deutschland seien nämlich die Regelungen im Bereich des Spielens an Geldspielautomaten seit dem 1. Januar 2006 erheblich gelockert worden. Seither verhindere ein massiv expandierender Spielautomatenmarkt eine erfolgversprechende Eindämmung der Spielsucht und eine wirksame Begrenzung des Spielangebots. Die Regelungen und Praktiken auf dem Spielautomatenmarkt konterkarierten die für Sportwetten getroffenen Vorkehrungen. Angesicht der widersprüchlichen Regelungen und Praktiken auf den beiden wichtigsten Sektoren des Glückspielmarktes fehle es an einer kohärenten Regelung zur Begrenzung der Wetttätigkeit, wie sie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit von Anbietern und Vermittlern von Sportwetten erforderlich sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.04.2012
Quelle: Verwaltungsgericht Kassel/ra-online