21.11.2024
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Verwaltungsgericht Gera Urteil14.12.2010

VG Gera: Staatliches Monopol für Sportwetten verstößt gegen EU-RechtSportwetten GmbH darf Wettbüro betreiben

Weder der Glückss­piel­staats­vertrag noch das Thüringer Glückss­piel­gesetz stehen der Ausübung des privaten Sport­wet­ten­ge­werbes entgegen. Das staatliche Wettmonopol dient eher der Sicherung einer staatlichen Einnahmequelle und wirkt in keiner Weise der Entstehung von Spielsucht wirksam entgegen. Dies entschied das Verwal­tungs­gericht Gera.

Im zugrunde liegenden Fall hatte der Magistrat der Stadt Gera der Klägerin im September 1990 noch auf der Grundlage des DDR-Gewerbegesetzes die Erlaubnis erteilt, das Sport­wet­ten­gewerbe auszuüben. Die Klägerin wurde darauf hin als Veranstalterin und Vermittlerin von Sportwetten im Bundesgebiet tätig. Überdies vermittelt sie Sportwetten in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

Glückss­piel­staats­vertrag räumt für Sportwette staatliches Monopol ein

Wegen der bundesweiten Ausübung ihres Gewerbes sind in der Vergangenheit verschiedene behördliche Verbote ergangen - es handele sich um unerlaubtes öffentliches Glücksspiel - und diverse gerichtliche Verfahren anhängig gewesen. Der im Jahr 2008 in Kraft getretene Glückss­piel­staats­vertrag, den die Bundesländer abgeschlossen haben, sowie das Thüringer Glückss­piel­gesetz ordnen für Lotto, Toto und Sportwetten ein staatliches Monopol an. In diesen Bereichen dürfen Private grundsätzlich nicht gewerblich tätig sein. Das Monopol wird vor allem mit der Verhinderung des Entstehens der Glücksspiel- und Wettsucht der Bevölkerung sowie der Begrenzung des Angebots von Glücksspielen begründet.

Verbots­vor­schriften verstoßen gegen höherrangige europäische Dienst­leis­tungs­freiheit

Das Verwal­tungs­gericht Gera entschied jedoch, dass weder der Glückss­piel­staats­vertrag noch das Thüringer Glückss­piel­gesetz der Ausübung des Sport­wet­ten­ge­werbes durch die Klägerin entgegenstehen. Die entsprechenden nationalen Verbots­vor­schriften dürften nicht angewendet werden. Sie verstießen gegen die höherrangige europäische Dienst­leis­tungs­freiheit (Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -). Auf sie könne sich jeder EU-Bürger berufen. Zwar dürfe die Dienst­leis­tungs­freiheit aus zwingenden Gründen des Allge­mein­in­teresses (z.B. Verbrau­cher­schutz, Verhütung von Störungen der sozialen Ordnung, vgl. Art. 62 in Verbindung mit Art. 52 Abs. 1 AEUV) durch nationale Regelungen beschränkt werden. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs müsse eine solche Begrenzung aber den Anforderungen des Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­satzes gerecht werden (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil v. 08.09.2010). Vor allem müssten die nationalen Regelungen in "kohärenter und systematischer Weise" das Ziel der beschränkenden Regelung (also vor allem den Verbrau­cher­schutz) verfolgen.

Durch staatliches Wettmonopol soll traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrecht­er­halten werden

Das Verwal­tungs­gericht Gera hat in seinem Urteil festgestellt, dass der Glückss­piel­staats­vertrag und das Thüringer Glückss­piel­gesetz diese Anforderungen nicht erfüllen. Zum einen gehe es den Ländern bei dem staatlichen Wettmonopol tatsächlich nicht schwer­punktmäßig um den Verbrau­cher­schutz. Vielmehr solle eine traditionelle staatliche Einnahmequelle aufrecht­er­halten werden. Diese Begründung könne nach dem maßgeblichen EU-Recht aber den Eingriff nicht rechtfertigen. Zum anderen sei der gesamte deutsche Glückss­piel­sektor nicht konsequent in der Weise geregelt, dass dem Entstehen der Spielsucht wirksam entgegen gewirkt werde. Dies zeige sich daran, dass in dem Bereich der automa­ten­ge­stützten Glücksspiele nach der Gewerbeordnung (vor allem Spielotheken), in dem Private gewerblich tätig sein dürfen, der Gesetzgeber bislang keine wirksamen Maßnahmen zum Schutz vor Abhängigkeiten ergriffen habe. Dieser Ausschnitt des Glückss­piel­sektors weise nach allgemeiner Ansicht zudem ein höheres Suchtpotential auf als der Bereich der Sportwetten. Auch lasse der Gesetzgeber im Bereich der Pferde­sport­wetten Private als Wettunternehmer zu. Schließlich sei festzustellen, dass die Bundesländer es hinnähmen, dass sich im letzten Jahrzehnt das Angebot an staatlichen Spielbanken erweitert habe.

Quelle: Verwaltungsgericht Gera/ra-online

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