23.11.2024
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Verwaltungsgericht Gießen Urteil15.09.2011

VG Gießen: Doktorgrad kann wegen Täuschung entzogen werdenDissertation stellt mangels Kennzeichnung wörtlicher Übernahme aus anderen Werken weitgehend ein Plagiat dar

Ein Doktorgrad, der durch Täuschung erworben wurde, da erhebliche Teile aus einer Habili­ta­ti­o­ns­schrift wörtlich übernommen und nicht gekennzeichnet wurden, kann im Nachhinein wegen Plagi­ats­vor­würfen aberkannt werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Verwal­tungs­ge­richts Gießen hervor.

Der in Bayern lebende Kläger der zugrunde liegenden Verhandlung hatte der Philipps-Universität Marburg Anfang 2003 seine juristische Dissertation vorgelegt und – wie üblich – an Eides statt versichert, dass er die Arbeit selbstständig angefertigt und andere als die angegebenen Hilfsmitteln nicht benutzt sowie jede wörtlich oder inhaltlich übernommene Stelle kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde ebenso wie die Disputation mit cum laude bewertet. 2007 machte dann ein Professor der Universität Zürich darauf aufmerksam, dass die Dissertation des Klägers Passagen enthalte, die eine große Übereinstimmung mit seiner Habili­ta­ti­o­ns­schrift aus dem Jahr 2000 aufwiesen. Der juristische Fachbereich der Philipps-Universität in Marburg nahm dies zum Anlass, die Dissertation zu überprüfen und entzog dem Kläger 2009 den Doktorgrad. Dem Kläger wurde vorgeworfen, er habe den Doktorgrad durch Täuschung erworben, denn erhebliche Teile stellten ein Plagiat der Habili­ta­ti­o­ns­schrift dar. Der Kläger hielt dem entgegen, er habe die Habili­ta­ti­o­ns­schrift in seiner Dissertation verwertet und dies auch angegeben. Sein Doktorvater habe ihm die Einarbeitung ausdrücklich empfohlen. Dem Fachbereich sei die Verwertung der Habili­ta­ti­o­ns­schrift von Anfang an bekannt gewesen, so dass eine Rücknahme nach so langer Zeit nicht mehr zulässig sei.

Dissertation enthält insgesamt etwa 700 Zeilen nicht gesondert gekenn­zeichneter, wörtlicher oder nur minimal veränderter Passagen aus Habili­ta­ti­o­ns­schrift

Das Verwal­tungs­gericht Gießen wies die dagegen gerichtete Klage ab, da der Doktorgrad durch Täuschung erworben worden sei. Nach dem Hessischen Hochschulgesetz sollten akademische Grade entzogen werden, wenn sie durch Täuschung erlangt wurden. Eine Täuschung ergebe sich einmal daraus, dass der Kläger ausdrücklich versichert habe, jede wörtlich oder inhaltlich übernommene Stelle kenntlich gemacht zu haben. Sie folge aber auch aus dem Wesen der Dissertation, die eine eigenständige wissen­schaftliche Leistung darstelle. Daraus ergebe sich, dass fremdes Gedankengut – insbesondere bei wörtlicher Übernahme aus anderen Werken – als solches gekennzeichnet werden müsse. Dies habe der Kläger in weiten Passagen seiner Dissertation versäumt. Über insgesamt etwa 700 Zeilen habe er wörtliche oder nur minimal veränderte Passagen aus einer Habili­ta­ti­o­ns­schrift übernommen, ohne dies kenntlich zu machen. Er habe damit über die geistige Urheberschaft der wissen­schaft­lichen Ausführungen getäuscht. Teil 4 seiner Dissertation stelle daher weitgehend ein Plagiat dar.

Pflicht zu Offenlegung fremden Gedankengutes gilt für gesamte Dissertation

Den Einwand des Klägers, sein verstorbener Doktorvater habe ihm die Einarbeitung der Habili­ta­ti­o­ns­schrift nahegelegt, ließ das Gericht nicht gelten. Denn dies ändere nichts an seiner Verpflichtung, diese Einarbeitung kenntlich zu machen. Der Täuschung stehe auch nicht entgegen, dass die Habili­ta­ti­o­ns­schrift in den Quellenangaben zu finden sei und auch des Öfteren an anderen Stellen in Fußnoten zitiert worden sei. Die Pflicht zu Offenlegung fremden Gedankengutes gelte für die gesamte Dissertation. Die weiteren Rügen des Klägers zu formellen Fehlern der Entziehung erachtete die Kammer nicht für durchgreifend.

Zur Information:

Hessisches Hochschulgesetz in der Fassung vom 5. November 2007

§ 33 a Entziehung von Graden und Bezeichnungen

Aufgrund dieses Gesetzes verliehene Grade und Bezeichnungen sollen entzogen werden, wenn sie durch Täuschung erworben wurden oder nach ihrer Verleihung alte oder neue Tatsachen bekannt werden, die ihre Verleihung ausgeschlossen hätten.

Das HHG fand wegen der schon 2009 getroffenen Entscheidung der Hochschule in der oben abgedruckten alten Fassung Anwendung. Eine entsprechende Norm findet sich auch im neuen HHG.

Quelle: Verwaltungsgericht Gießen/ra-online

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